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Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuerreform

02.02.2010  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ebner Stolz Mönning Bachem, Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte Partnerschaft.

Das Bundesverfassungsgericht muss in drei Verfahren entscheiden, ob die Neuregelungen ab 2009 verfassungskonform sind. Bescheide sollten gegebenenfalls offen gehalten werden.

Beim Bundesverfassungsgericht sind zwischenzeitlich drei Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 unter den Aktenzeichen 1 BvR 3198/09, 1 BvR 3197/09 und 1 BvR 3196/09 anhängig. Die Kanzlei Ebner Stolz Mönning Bachem aus Stuttgart weist aus aktuellem Anlass darauf hin, dass Betroffene ihre Steuerfälle gegebenenfalls offen halten sollten, sofern ihnen ab Neujahr 2009 etwas vererbt oder verschenkt worden ist.

Das Erbschaftsteuerreformgesetz setzt ab 2009 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um, neben Bankguthaben auch vererbte und verschenkte Immobilien und Unternehmen auf Marktniveau zu erfassen. Dafür gibt es allerdings in einem zweiten Schritt neue Privilegien, wodurch sogar wertvolle Firmen oder die eigengenutzte Villa komplett steuerfrei bleiben können. Im Weitern wurden, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, alle persönlichen Freibeträge angehoben. Da die Steuersätze für nahe Angehörige wie Kinder oder Enkel gleich blieben, ergibt sich ein Entlastungseffekt. Dieser wirkt sich aber in 2009 nicht bei der unter die sog. Steuerklasse II fallende übrige Verwandtschaft, wie etwa Geschwister, Neffen oder Cousins, aus. Sie müssen bis Ende 2009 bei Mini-Freibeträgen von 20.000 Euro mit steigenden Steuersätzen von bis zu 50 Prozent kalkulieren. „Hier brachte die Reform durch höhere Bewertungsansätze und Tarife also gleich zwei Nachteile auf einmal“, betont Steuerberater Volker Schmidt von Ebner Stolz Mönning Bachem. Erst für Erbfälle und Schenkungen ab Neujahr 2010 sind die Steuersätze der Steuerklasse II wieder auf das Niveau vor der Erbschaftsteuerreform gesenkt worden. Vergünstigungen für Firmenerben haben zu einem neuen Ungleichgewicht zu anderen Vermögensarten wie etwa fremdvermietetem Grundbesitz oder Bankguthaben geführt. Durch das gerade in Kraft getretene Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde die Begünstigung für Unternehmen und Gesellschaften noch einmal ausgeweitet, indem die Behaltensfristen und die Lohnsummen rückwirkend reduziert und abgemildert wurden.

In den nun in Karlsruhe anhängigen Verfahren kann das Bundesverfassungsgericht nun überprüfen, ob die Vorgaben des Gerichts aus dem Jahr 2006 zur Reform der Erbschaftsteuer korrekt umgesetzt worden sind.

„Sofern Steuerbescheide ergehen für in 2009 oder in 2010 erfolgte Schenkungen, Erbschaften oder Vermächtnissen von nicht privilegiertem Vermögen oder für 2009 die erhöhten Steuersätze der Steuerklasse II zum Ansatz kommen, sollten diese Bescheide jetzt zumindest so lange offen gehalten werden, bis eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefallen ist“, rät der Experte. Notwendig ist ein Einspruch, der als Begründung lediglich den Verweis auf die Aktenzeichen der anhängigen Verfahren vor dem höchsten deutschen Verfassungsgericht enthält. Dann ruht der Steuerfall zumindest solange, bis der Streit durch ein Urteil bzw. einen Beschluss aus Karlsruhe entschieden ist. Bei positivem Ausgang gibt es möglicherweise eine Steuererstattung, andernfalls bleibt alles beim Alten. Es besteht ein gesetzlicher Anspruch darauf, dass das Finanzamt den Einspruch „ruhend“ stellt.

„Allerdings sollten sich Betroffene keine allzu großen Hoffnungen machen“, dämpft Schmidt die jetzt aufkommenden Erwartungen. Selbst wenn die Verfassungsrichter erneut zu Beanstandungen kommen sollten, werden sie die Steuerausfälle von jährlich 4 bis 5 Mrd. Euro in ihrer Entscheidung berücksichtigen. Daher ist zu erwarten, dass - wie in bisher vergleichbaren Fällen - eine befristete Weitergeltung der streitigen Vorschrift angeordnet wird. „Durch den kostenlosen Einspruch sollte man sich jedoch die Option in alle Richtungen offen halten“, meint der Steuerberater.

Eine Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kommt derzeit nicht in Betracht. Daher muss die fällige Erbschaft- oder Schenkungsteuer trotz des ruhenden Einspruchsverfahrens zunächst bezahlt werden.
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