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Zeugnisformulierung – zulässig oder unzulässig?

25.01.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Für Arbeitgeber stellt sich im Rahmen der Zeugniserstellung immer wieder dieselbe Frage: Ist die von mir gewählte Formulierung in diesem Zeugnis wohl zulässig oder eher unzulässig? Dieser Artikel befasst sich daher mit einer aktuellen, noch nicht veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 15.11.2011, 9 AZR 386/10) hinsichtlich der in Arbeitszeugnissen häufig verwendeten Formulierung "kennen gelernt".

I. Einleitung

Dem Arbeitnehmer steht gemäß § 109 Abs. 1 GewO bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis zu. Dieses Zeugnis muss nach § 109 Abs. 2 GewO klar und verständlich formuliert sein und darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Die Rechtsprechung spricht dabei von dem Gebot der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der Arbeitgeber innerhalb dieses Rahmens frei in der Wahl seiner Formulierung. Allerdings komme es dabei nicht auf die Vorstellungen des Zeugnisverfassers bei seiner Wortwahl an, sondern auf die Sicht des Zeugnislesers.

Wann jedoch die Voraussetzungen von Zeugniswahrheit und -klarheit erfüllt sind, ob eine konkrete Formulierung nicht doch eine unzulässige versteckte Aussage enthält oder ob der Arbeitnehmer Anspruch auf eine konkrete Aussage in seinem Zeugnis hat, kann in vielen Fällen nur mittels einer Einzelfallbetrachtung entschieden werden.

So hat das BAG aufgrund in der Vergangenheit zu entscheidender Einzelfälle unter anderem folgende Feststellungen getroffen: Soweit für eine Berufsgruppe der allgemeine Brauch besteht, bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers im Zeugnis zu erwähnen, sei deren Auslassung regelmäßig ein (versteckter) Hinweis für den Zeugnisleser, der Arbeitnehmer sei in diesem Merkmal unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich zu bewerten (BAG, Urteil vom 12.08.2008, 9 AZR 632/07); hat der Arbeitgeber ein Zwischenzeugnis erteilt, sei er regelmäßig an den Inhalt des Zwischenzeugnisses gebunden, wenn er ein Endzeugnis erteilt; insbesondere gelte dies, wenn der Betriebsveräußerer das Zwischenzeugnis vor einem Betriebsübergang erteilt hat und das Endzeugnis vom Betriebserwerber zu erteilen ist (BAG, Urteil vom 16.10.2007, 9 AZR 248/07); der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, das Zeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht (BAG, Urteil vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00).

II. Sachverhalt

Im zu entscheidenden Fall war der Kläger in der Zeit vom 01.04.2004 bis zum 28.02.2007 als Mitarbeiter im „SAP Competence Center“ der Beklagten beschäftigt. Unter dem Beendigungsdatum erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis, das unter anderem folgenden Absatz enthielt:

„Wir haben den Kläger als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Der Kläger war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“

Daraufhin begehrte der Kläger in den ersten beiden Instanzen eine Zeugnisänderung dahingehend, dass der o.g. Absatz durch den Satz: „Der Kläger war ein sehr interessierter und hochmotivierter Mitarbeiter, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte.“ ersetzt werde. Auch im Rahmen seiner Revision wendet er sich gegen diese Formulierung. Er ist der Ansicht, diese Formulierung werde in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden. Des Weiteren müsse die im Zeugnis enthaltene Schlussformel zur Vermeidung einer Entwertung der Zeugnisbeurteilung dadurch ergänzt werden, dass die Beklagte ihm „weiterhin“ alles Gute und viel Erfolg wünsche.

Die Klage hatte weder in der ersten noch in der zweiten Instanz Erfolg. Das BAG, das aufgrund einer nur teilweisen erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde noch über die Formulierung „kennen gelernt“ zu entscheiden hatte, schließt sich den Vorinstanzen an.

III. Entscheidung

Das BAG gelangt zu dem Ergebnis, die von der Beklagten verwendete Formulierung „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt“ erwecke aus der Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, die Beklagte attestiere dem Kläger in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation. Das sei jedenfalls dann der Fall, wenn diese Formulierung - wie im vorliegenden Fall - in ein durchweg gutes Zeugnis eingebettet sei.

Im Hinblick auf den in der zweiten Instanz noch aufrechterhaltenen Antrag auf Ergänzung der Schlussformel um ein „weiterhin“ hat das Landesarbeitsgericht Köln in seinem Urteil vom 18.12.2009 (11 Sa 1092/08) entschieden, aus dem Fehlen des Wortes „weiterhin“ könne nicht gefolgert werden, dass der Kläger bislang erfolglos gewesen sei. Angesichts des in jeder Hinsicht guten Gesamtkontextes könne beim Zeugnisleser nicht ernsthaft ein entsprechend negativer Eindruck entstehen.

IV. Praxishinweis

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Newsletters liegt zu dem besprochenen Urteil lediglich die kurze Pressemitteilung vor. Ob der Urteilsbegründung des BAG noch weitere Argumente für seine Entscheidung zu entnehmen sein werden, bleibt abzuwarten. Bisher kann jedenfalls sowohl der Entscheidung selbst als auch den mitgeteilten Gründen nur zugestimmt werden. Lediglich die Formulierung „kennen gelernt“ kann aus objektiver Betrachtungsweise nicht als negative Einschätzung gewertet werden. Im Gegenteil: Erst die mit dieser Formulierung verwendeten Adjektive und Beschreibungen führen zu einer positiven oder negativen Bewertung.

Die bisher vereinzelt vertretene Auffassung, der Ausdruck „kennen gelernt“ beschreibe grundsätzlich das Nichtvorhandensein der im Kontext aufgeführten Fähigkeit oder Eigenschaft (LAG Hamm, Urteil vom 28.03.2000, 4 Sa 648/99), stößt bereits auf erhebliche Bedenken in Rechtsprechung und Literatur.

Abschließend bleibt festzustellen, dass weiterhin die meisten in Zeugnissen verwendeten konkreten Formulierungen einer Einzelfallbetrachtung und ggf. -entscheidung unterliegen. Denn erst im Zusammenhang mit allen Beschreibungen und Aussagen, die über einen Arbeitnehmer getroffen werden, kann der Inhalt von einem objektiven Dritten erfasst werden. Dabei trifft den Arbeitgeber weiterhin die Pflicht, ein wohlwollendes, aber dennoch der Wahrheit entsprechendes Zeugnis zu erteilen.

Quelle: Taylor Wessing Deutschland

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