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Work-Life-Balance in Deutschland schlechter als weltweit

07.11.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Towers Watson GmbH.

Global Talent Management & Rewards Study 2012: Arbeitsbelastung gestiegen ++ Gewinnung und Bindung von Leistungsträgern und Nachwuchstalenten für Unternehmen in Deutschland besonders schwierig

Rund 40 Prozent der Unternehmen in Deutschland gehen davon aus, dass die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter unausgewogen ist. Zudem berichten fast 60 Prozent der Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter häufig unter großem Druck arbeiten. Im internationalen Vergleich haben deutsche Unternehmen außerdem besonders große Schwierigkeiten, Leistungsträger und Nachwuchstalente zu rekrutieren und an das Unternehmen zu binden.

Zu diesen Kernaussagen kommt die Towers Watson "Global Talent Management & Rewards Study 2012", für die die aktuellen Herausforderungen im Vergütungs- und Talentmanagement von insgesamt 1.605 Unternehmen weltweit abgefragt wurden, darunter 36 aus Deutschland. Die Ergebnisse der Studie zur Unternehmenssicht werden zudem durch die "Towers Watson Global Workforce Study 2012" um die Perspektive der Arbeitnehmer ergänzt.

"Gerade wenn Unternehmen unter dem Druck stehen, kurzfristig ihre Produktionsprozesse zu optimieren oder ihre Umsatzsituation zu verbessern, kann sich dies in einer erhöhten Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter niederschlagen", erklärt Olaf Lang, Leiter des Beratungsbereichs Talent & Rewards bei Towers Watson. "Viele Mitarbeiter sind auch bereit, in solchen Phasen Höchstleistungen zu erbringen, wie die befragten Unternehmen bestätigen. Wird daraus jedoch ein 'Dauersprint', leidet das Engagement der Mitarbeiter." Mitarbeiterbefragungen bestätigen dies. "Die Global Workforce Study zeigt, dass gerade eine gute Work-Life-Balance Mitarbeiter motiviert, nicht nur kurzfristig, sondern regelmäßig gute Arbeitsergebnisse abzuliefern. Unternehmen sollten daher Strategien entwickeln, um die Motivation und das Engagement ihrer Mitarbeiter langfristig und nachhaltig zu unterstützen", so der HR-Experte.

Stress als wichtiger Grund für Jobwechsel

Im Vergleich zu ihren internationalen Kollegen zeigt sich die Situation der Mitarbeiter in Deutschland kritischer. Denn weltweit gehen immerhin 52 Prozent der Unternehmen davon aus, dass die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter stimmt. In Deutschland liegt dieser Anteil bei gerade einmal bei 31 Prozent. "Die hohe Arbeitsbelastung kann auch die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen beschädigen", weiß Towers-Watson-Berater Jürgen Haselgruber. "Unternehmen in Deutschland berichten seltener als Unternehmen weltweit, dass ihre Mitarbeiter sie als guten Arbeitgeber weiterempfehlen. Und aus Mitarbeitersicht zählt die Chance, arbeitsbezogenen Stress zu begrenzen, zu den zehn wichtigsten Gründen für einen Jobwechsel."

Grafik: Work-Life-Balance in Deutschland
Grafik: Towers Watson GmbH

Tatsächlich haben 70 Prozent der Unternehmen in Deutschland Schwierigkeiten, ihren Nachwuchstalenten (High-Potentials) den Verbleib in der Firma schmackhaft zu machen, aber nur 54 Prozent weltweit. Auch Hochschulabsolventen laufen den deutschen Firmen eher davon als Unternehmen im Ausland, wie 34 Prozent der Unternehmen in Deutschland, aber nur 20 Prozent weltweit bestätigen. Leistungsträger (Top-Performer) sowie Mitarbeiter mit erfolgskritischen Fähigkeiten (z. B. fachlich spezialisierte Ingenieure im Anlagenbau) lassen sich offenbar sowohl in Deutschland als auch weltweit in gut der Hälfte der Firmen nur schwer zum Verbleib bewegen. Haselgruber meint dazu: "Unternehmen, die ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, Privatleben und Arbeit gut ‚unter einen Hut zu bringen‘, etwa durch flexible Arbeitsmodelle, die Möglichkeit, längere Auszeiten (Sabbaticals) zu nehmen oder Unterstützung bei der Kinderbetreuung, werden sowohl mit Blick auf das Engagement als auch mit Blick auf die Mitarbeiterbindung über Wettbewerbsvorteile im ‚war for talents‘ verfügen.

Rekrutierungsengpass bei Leistungsträgern und Nachwuchstalenten

Noch schwieriger ist es für deutsche Unternehmen, Leistungsträger, talentierte Nachwuchskräfte (High Potentials) und Mitarbeiter mit erfolgskritischen Fähigkeiten zu rekrutieren. Während weltweit rund 60 Prozent der Unternehmen von diesbezüglichen Engpässen berichten (bei Mitarbeitern mit erfolgskritischen Fähigkeiten: 70 Prozent), sind es in Deutschland rund 80 Prozent der Unternehmen. Engpässe zeigen sich auch bei der Rekrutierung von Hochschulabsolventen: Rund ein Drittel der Unternehmen in Deutschland berichten von Schwierigkeiten bei der Gewinnung und Bindung von Hochschulabsolventen (weltweit: rund ein Fünftel der Unternehmen). Deutlich besser schneiden die deutschen Unternehmen bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern für die breite Belegschaft ab: Hier berichten sie deutlich seltener als ihre Wettbewerber im Ausland von Schwierigkeiten.

Grafik: Work-Life-Balance in Deutschland
Grafik: Towers Watson GmbH

High Potentials ticken (nicht völlig) anders

"Angesichts dieser Engpässe sollten Unternehmen noch genauer auf die Wünsche und Bedürfnisse der gesuchten Mitarbeitergruppen eingehen. Die Unternehmen, denen dies gelingt, dürfte es leichter fallen, gute Mitarbeiter zu gewinnen", betont HR-Experte Haselgruber. Tatsächlich schätzen Unternehmen die Interessen ihrer "Nachwuchsstars" treffend ein, wie ein Abgleich der Studienergebnisse mit den Mitarbeitermeinungen, die vor kurzem in der Global Workforce Study von Towers Watson erhoben wurden, zeigt. Demnach wünschen High Potentials überdurchschnittlich häufig Karrieremöglichkeiten und herausfordernde Aufgaben. Wenn zudem das Gehalt und das Vertrauen in die Unternehmensleitung stimmen, bleiben sie ihren Unternehmen treu.

Was viele Unternehmen jedoch übersehen: Auch High Potentials suchen – angesichts der volatilen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre – einen sicheren Arbeitsplatz. In diesem Punkt unterscheiden sie sich kaum vom Rest der Belegschaft. "Unternehmen locken High Potentials vor allem mit Karrierechancen. Das allein reicht aber noch nicht. Sie sollten auch die Sicherheit des angebotenen Jobs betonen – sonst passen das Jobangebot und die Nachfrage nicht zusammen. Hier könnten die Schwierigkeiten bei der Gewinnung und Bindung dieser Mitarbeitergruppe begründet liegen", erläutert HR-Experte Haselgruber.

Bedarfsgerechte Personalentwicklungsprogramme als Wettbewerbsvorteil

Dr. Johannes Berger, einer der Studienautoren der Talentmangement & Rewards Study, beobachtet bei vielen Unternehmen gute Ansatzpunkte zur Verbesserung der Gewinnung und Bindung von High Potentials. "Rund zwei Drittel der Unternehmen haben ihre Leistungsträger und Nachwuchstalente genau identifiziert. Dies ist ein guter erster Schritt – und er scheint sich zu lohnen. Unternehmen, die Klarheit über die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen in ihrer Belegschaft haben, berichten über bessere Karriereentwicklungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter und effektivere Nachfolgeplanungsprozesse", so Berger.

Jedoch bringen längst nicht alle Unternehmen den Ball bis ins Tor: "Den nächsten Schritt – nämlich Karriereplanungs- oder Personalentwicklungsprogramme genau auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Mitarbeitergruppen auszurichten, geht bislang nur knapp die Hälfte der Unternehmen. Gerade passgenaue Karrieremöglichkeiten sind es jedoch, die High Potentials dazu bewegen, einen Job anzunehmen und länger im Unternehmen zu verweilen", erklärt Berger.


Hintergrundinformationen zur Studie

Die Befragung "Global Talent Management and Rewards Survey" wurde gemeinsam von der Unternehmensberatung Towers Watson und WorldAtWork von April bis Juni 2012 durchgeführt und enthält Antworten von 1.605 Unternehmen weltweit, darunter 366 aus der Region EMEA (Europa, Middle East and Africa). In Deutschland nahmen 36 Unternehmen teil. Die Studie untersucht

  • Die Schwierigkeiten, bestimmte Mitarbeitergruppen im Markt zu gewinnen und diese an das Unternehmen zu binden.
  • Die aus Unternehmenssicht wesentlichen Faktoren für Mitarbeitergewinnung und -bindung.
  • Verbreitung, Ausgestaltung und Effektivität von unterschiedlichen Talentmanagement- und Vergütungsprogrammen.

Schließlich gleicht die Studie die Einschätzungen der Unternehmen mit den Ansichten von Mitarbeitern ab, wie sie in der Towers Watson "Global Workforce Studie 2012" erhoben wurden.

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