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Unzureichende Deutschkenntnisse als Kündigungsgrund

17.02.2010  — Julia Schweitzer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Über das Urteil des Bundesarbeitsgerichts berichteten wir bereits in der letzten Personalgate-Ausgabe. Nachfolgend finden Sie eine Praxis-Kommentierung von der Rechtsanwalts-Partnergesellschaft Taylor Wessing.

Einleitung

§ 3 Abs. 2 AGG definiert den Begriff der sog. mittelbaren Benachteiligung. Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen ihrer Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Eine solche mittelbare Benachteiligung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Wenn eine unternehmerische Entscheidung zu einer Kündigung eine nicht gerechtfertigte mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG darstellt, ist die Kündigung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unwirksam. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG verbietet nämlich Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität auch in Bezug auf Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses.


Sachverhalt

In dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2010, AZ: 2 AZR 764/08, von dem bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, ging es um einen Arbeitnehmer, der nicht in der Lage war, in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen zu lesen. Im vorliegenden Fall war der 1948 geborene Kläger seit dem Jahr 1978 als Produktionshelfer bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie mit ca. 300 Arbeitnehmern. Der Kläger ist in Spanien geboren und auch dort zur Schule gegangen. Entsprechend einer vom Kläger unterzeichneten Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2001 zählte zu den Anforderungen an seine Stelle die Kenntnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Der Kläger hat im September 2003 auf Kosten seiner Arbeitgeberin während der Arbeitszeit einen Deutschkurs absolviert. Die Arbeitgeberin bot ihm weitere Folgekurse an, was der Kläger ablehnte. Seit März 2004 ist die Arbeitgeberin nach den entsprechenden Qualitätsnormen zertifiziert. In der Folgezeit wurde dann bei mehreren internen Audits festgestellt, dass der Kläger Arbeits- und Prüfanweisungen nicht lesen konnte. Daraufhin forderte ihn die Arbeitgeberin im September 2005 auf, Maßnahmen zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse zu ergreifen. Im Februar 2006 forderte die Arbeitgeberin ihn erneut zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse auf und verband diese Aufforderung mit dem Hinweis, dass er mit einer Kündigung rechnen müsse, wenn er die Kenntnisse nicht nachweisen könne. Nach einem Audit im April 2007 war der Kläger weiter nicht in der Lage, die Vorgaben einzuhalten. Daraufhin hat die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Zustimmung des Betriebsrates zum 31.12.2007 gekündigt.


Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) hat die hiergegen erhobene Klage – anders als das Landesarbeitsgericht Hamm in der Vorinstanz (Urteil vom 17.07.2008, AZ: 16 Sa 544/08) – abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm war noch davon ausgegangen, dass die Kündigung sozialwidrig und wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unwirksam sei. Das Landesarbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass eine mittelbare Diskriminierung des Klägers vorläge, wenn der Unternehmer das Anforderungsprofil einer Tätigkeit in der Weise ändere, dass die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift verlangt würde und der seit langem beschäftigte Arbeitnehmer ausländischer Herkunft nicht in der Lage ist, die deutsche Sprache so zu erlernen, dass er Arbeitsanweisungen lesen kann. Dies sollte nach Auffassung des LAG Hamm gelten, wenn die Arbeit so organisiert werden kann, dass die schriftliche Sprachbeherrschung nicht erforderlich ist. Deshalb sei die unternehmerische Entscheidung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unwirksam. Eine hierauf gestützte betriebsbedingte Kündigung erweise sich als sozialwidrig. (Landesarbeitsgericht Hamm a.a.O.).

Nach der neuesten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verstößt die Kündigung jedoch nicht gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts war es der Arbeitgeberin nicht verwehrt, vom Kläger ausreichende Kenntnisse der deutschen Schriftsprache zu verlangen. Zudem hatte sie ihm ausreichend Gelegenheit zum notwendigen Spracherwerb gegeben. Deshalb kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen zu lesen. Es stellt auch keine nach § 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt, soweit sie für deren Tätigkeit erforderlich ist. Dies war vorliegend der Fall, weil der Arbeitgeber ein i.S.d. Gesetzes legitimes, nicht diskriminierendes Ziel verfolgt, wenn er - z.B. aus Gründen der Qualitätssicherung - schriftliche Arbeitsanweisungen einführt.


Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist für Arbeitgeber interessant, da sich im Verlaufe der Arbeitsverhältnisse häufig die Anforderungen an die Mitarbeiter aus technischen, organisatorischen oder Wettbewerbsgründen ändern können. Aus der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts geht hervor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer, wenn es um den Spracherwerb geht, ausreichend Gelegenheit zum notwendigen Spracherwerb zu geben hat, um ihm den Erhalt seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Insoweit ist davon auszugehen, dass umgekehrt der Mitarbeiter auf Verlangen des Arbeitgebers sich die fehlenden Kenntnisse anzueignen hat, wenn und soweit er dazu in der Lage ist. Wenn der Spracherwerb aus legitimen, nicht diskriminierenden Zielen erforderlich ist, wie vorliegend aus Gründen der Qualitätssicherung, kann nach Fehlschlag von Schulungen zum Spracherwerb eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.
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