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Staatsanleihen in Zeiten niedriger Zinsen - was Anleger jetzt wissen sollten

01.10.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Fidelity Investment Managers.

Die Finanz- und Staatsschuldenkrise hat die Bedingungen für die Geldanlage grundlegend verändert. Erträge ohne Risiken gibt es kaum mehr, Zinsen unter dem Inflationsniveau sind dafür heute umso verbreiteter. Was Staatsanleihen damit zu tun haben, erklärt Andreas Feiden vom unabhängigen Vermögensverwalter Fidelity Worldwide Investment.

Worum geht es bei dem Wirbel um Staatsanleihen?

Staatsanleihen galten lange Zeit als sicherer, unerschütterlicher Hafen für die Kapitalanlage, und das bei konstant guten Renditen. Die anhaltende Krise hat diese Annahmen umgestoßen: Während das Wirtschaftswachstum sich in Europa und Amerika immer mehr verlangsamt hat, sind die Staatsschulden im Zuge von teuren Maßnahmen zur Stabilisierung unserer Volkswirtschaften dramatisch angestiegen. Je tiefer verschuldet ein Staat ist, desto risikoreicher ist es, ihm Geld zu leihen. Die Folge: Er muss höhere Zinsen auf seine Schuldverschreibungen zahlen, um diese überhaupt an die Investoren bringen zu können. Das erleben Griechenland, Portugal, Spanien und Italien gerade. Deutschland, dessen Finanzhaushalt als robust gilt, profitiert dagegen von dem Sicherheitsbedürfnis der Investoren: Ihm leihen Anleger ihr Geld im Vertrauen darauf, dass das Kapital zu hundert Prozent zurückgezahlt wird, kurzfristig sogar zu fast null Prozent Zinsen. Bei einer Inflation von rund 2 Prozent zahlt man also quasi noch Parkgebühren. Dieses Zins-Rekordtief ist gut für Vater Staat, aber ein echtes Dilemma zum Beispiel für Lebensversicherer. Sie konnten einen Großteil des Geldes ihrer Kunden in der Vergangenheit sicher und mit einem Gewinn abzüglich der Inflation in Staatsanleihen anlegen und sind nun gezwungen, Alternativen zu suchen. Genauso sind auch Privatanleger, die einen Teil ihres Vermögens in Bundesanleihen investieren, betroffen.

Das ist also der "Anlagenotstand"?

Die allmähliche Kapitalaufzehrung durch niedrige Zinsen, die nicht einmal die Inflation ausgleichen, ist das eine Problem mit den noch als sicher geltenden Staatsanleihen. Es kommt aber noch etwas hinzu: Die verfügbare Anzahl von Staatsanleihen mit einer zu vernachlässigenden Ausfallwahrscheinlichkeit - von der Ratingagentur Standard and Poor's durch die oft-zitierte AAA-Bewertung gekennzeichnet - ist in den letzten zwei Jahren um 70 Prozent geschrumpft. Das heißt der Pool sicherer Anlagen ist heute nur noch knapp ein Drittel so groß wie noch im Jahr 2010. Selbst etablierte Volkswirtschaften wie die USA, Frankreich und Österreich wurden in ihrer Bewertung herabgestuft, gelten also nicht mehr als hundertprozentig ausfallsicher. Solche Herabstufungen durch Ratingagenturen von zuvor hervorragend bewerteten Ländern sind in den vergangenen Jahren zu einem wiederkehrenden Phänomen geworden. Während das Angebot also immer weiter sinkt, steigt aber wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung die Nachfrage nach sicheren Vermögenswerten. Das führt dazu, dass die Preise der Staatsanleihen steigen und die Erträge sinken. Für Anleger stellt sich dabei die Frage, ob die niedrigen Zinsen, die geboten werden, ihre Anlageziele noch erfüllen können.

Wie lange wird diese Situation anhalten?

Die außergewöhnlich hohe Staatsverschuldung und trübe Wachstumsaussichten in Europa und den USA bedeuten, dass dieser Anlagenotstand kein vorübergehendes Phänomen ist. Die Erfahrung aus anderen Krisen und die Situation in Japan zeigen, dass wir mit den Folgen der Schuldenkrise noch einige Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, zu kämpfen haben werden. Die Phase, in der mit sicheren Staatsanleihen gute Erträge bei niedrigem bis null Risiko einzustreichen waren, ist daher vorbei. Anleger, die Geld in Anleihen von Staaten mit höchster Kreditwürdigkeit anlegen, müssen in den kommenden zehn Jahren mit unterdurchschnittlichen Erträgen im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Unternehmensanleihen, Anleihen aus Schwellenländern oder Aktien rechnen, und das bei einem gestiegenen Risiko, weil die Schuldner immer mehr Schulden anhäufen.

Sind Anleihen damit überhaupt noch für Privatanleger geeignet?

Jeder Anleger muss für sich Risiko und Ertrag seiner Geldanlage emotionslos überdenken. Was einmal als sicher galt, ist es heute nicht mehr unbedingt - wenn man sich Staatsanleihen betrachtet. Andererseits hat das Ausfallrisiko von Unternehmensanleihen sich in vielen Fällen gemindert. Unternehmen sind gerade in Europa häufig die besseren Schuldner als Staaten und haben in den letzten Jahren erfolgreich das getan, was viele Regierungen erst langsam beginnen: ihre Bilanzen zu sanieren.

Auf den internationalen Anleihemärkten haben sich neue Segmente etabliert, die inzwischen grundsätzlich auch für Privatanleger in Frage kommen. Speziell Schwellenländer-Anleihen haben sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt und ermöglichen Investments in Staats- und Unternehmensanleihen, die sowohl in US-Dollar als auch in lokalen Währungen auf den Markt gebracht werden. Unterstützt wird der Reifeprozess von Anleihenmärkten in den aufstrebenden Schwellenländern durch niedrige Verschuldungsgrade der dortigen Staaten und Unternehmen, eine verantwortungsbewusste Geldpolitik mit definierten Inflationszielen und unabhängigen Zentralbanken sowie einem zunehmend flexiblen Währungssystem, das die Widerstandsfähigkeit dieser Länder gegen Finanzkrisen stärkt. Langfristig kann es also gut sein, dass Anleger wieder mehr "sichere Häfen" finden - in Form von Schwellenländeranleihen. Schon jetzt lassen sich damit gute Gewinne erzielen. Insbesondere für Privatanleger sind eine breite Streuung und die Titelauswahl durch einen Experten aber unerlässlich.

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