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Sammelsurium an Anschuldigungen nach fristloser Kündigung

29.10.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

Mobbing-Vorwürfe, mitgeschnittene Personalgespräche, sexuelle Belästigung und Betrugsvorwürfe: In einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz findet sich so viel Zündstoff, dass er gleich für mehrere Prozesse gereicht hätte.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten u. a. über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 01. Oktober 2001 als Sekretärin und Assistentin beschäftigt. Sie hat zuletzt brutto 2.590,02 EUR / Monat verdient. Das Arbeitsverhältnis beruht auf einem schriftlich am 06. Juli 2001 abgeschlossenen Arbeitsvertrag.

Die Klägerin nahm am 07. April 2011 während der Abwesenheit des Geschäftsführers Kundenanrufe entgegen und stellte sie dem zuständigen Sachbearbeiter, Herrn L., durch, ohne ihn vor der Vermittlung kontaktiert und danach befragt zu haben, ob er bereit sei, das Gespräch entgegenzunehmen. Im Betrieb der Beklagten besteht allerdings eine Regelung, Kundengespräche nur nach vorherigem Kontakt mit dem gewünschten Gesprächspartner weiterzuleiten. Herr L. nahm aufgrund der fehlenden Ankündigung an, dass es sich um Kundenanrufe handelte und nahm die Telefonate nicht entgegen. Die Klägerin informierte darüber den Geschäftsführer sowie die Herren C. und L. - beide sind Programmierer bei der Beklagten - mit E-Mail vom 07. April 2011. Nachdem Herr L. per E-Mail vom 07. April 2011, 10.55 Uhr, die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass er Kundengespräche nur annehme, wenn er sich nicht gerade in einer Besprechung befinde, antwortete die Klägerin mit E-Mail vom 07. April 2011 und schrieb sodann eine weitere E-Mail am gleichen Tage an Herrn L., die sie zur Kenntnis dem Geschäftsführer sowie Herrn C. übermittelte.

Der Geschäftsführer bat die beteiligten Personen noch an diesem Tag zu einem Personalgespräch. Die Klägerin verweigerte jedoch die Teilnahme und antwortete per E-Mail vom 07. April 2011, 13.58 Uhr, wie folgt:

"... Macht sowieso keinen Sinn, immerhin mache ich das Mobbing schon seit einem halben Jahr mit C. mit. Ich sehe da keinen Sinn mehr darin immer wieder das Gleiche zu erzählen und immer wieder das Gleiche zu erleben ..."

Nachdem der Geschäftsführer der Klägerin zu verstehen gegeben hatte, dass sie die Teilnahme an einem Personalgespräch nicht verweigern dürfe, schaltete sie den Betriebsrat ein, der sich um einen neuen Gesprächstermin bemühte; dieser wurde für den 13. April 2011 vereinbart. Die Klägerin sagte mit E-Mail vom 11. April 2011 die Teilnahme daran ab, weil das Gespräch ihrer Ansicht nach keinen Sinn mache. Nachdem der Zeuge I. sie darauf hingewiesen hatte, dass sie die Teilnahme nicht ablehnen dürfe, erklärte sie doch noch ihre Bereitschaft, an dem Gespräch teilzunehmen.

Die Klägerin versandte am 12. April 2011, eine E-Mail an die Herren F. und T. (Leiter des Bereichs IT-Service der XY GmbH & Co. KG, Geschäftsführer der E. GmbH und der F. GmbH):

"Sehr geehrter Herr F.,

aufgrund des Mobbings (mal ein Beispiel Auszug anbei, da haben meine Kollegen während meiner Arbeitszeit eine Pornoseite gebaut, mit einem Foto von mir) habe ich nun einen Anwalt hinzugefügt, das heißt, meine Zugangsdaten werden bei meiner Abwesenheit nicht weitergegeben.

Vielen Dank"

Am 01. April 2004 hatten Mitarbeiter der Beklagten eine Internetseite mit dem Titel "Girls" geschaffen, auf der ein Portraitfoto der Klägerin zu sehen war. Beim Anklicken dieses Bildes erschien auf dem Bildschirm eine nackte weibliche Person in Rückenansicht. Die Klägerin wirkte an der Gestaltung dieser Internetseite nicht mit. Bei der von der Klägerin in der zuvor angesprochenen "Pornoseite" handelt es sich um die dort in Bezug genommene Internetseite vom 01. April 2004.

Die Klägerin nahm in dem Personalgespräch am 13. April 2011 die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe zur Kenntnis, ohne sich dazu zu erklären. Die von ihr zuvor erhobenen Mobbingvorwürfe konkretisierte sie auch auf Nachfrage nicht. Sie wurde deshalb unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

Die Klägerin versandte unmittelbar nach diesem Gespräch um 11.22 Uhr eine weitere E-Mail an die Herren Dr. U., C. und F., in der es heißt:

"Sehr geehrter Herr Dr. U.,

ich wurde jahrlang in ihrem Unternehmen gemobbt. Eine Anlage sende ich Ihnen anbei (Mitarbeiter erstellten mit Chef eine Pornoseite mit meinem Foto). Da ich mich dagegen gewehrt habe, wurde ich heute gekündigt. Ich möchte Ihnen daher nicht verheimlichen, dass ich den Fall mit Benennung des Verlages an die Öffentlichkeit weitergebe.

Das heutige Personalgespräch mit Herrn I. und Herrn L. habe ich auf meinem Handy mitgeschnitten.

Dass Herr L. an Herrn M. Aufträge der Kunden von Firma C. weitergibt, können Sie im Account Plus im Auftrag 0000 Kunde 0000 ersehen.

Da ich mit Ihnen nie Probleme hatte, wollte ich Sie nur darüber informieren bezüglich der Öffentlichkeit. Mein Anwalt ist bereits informiert. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute

Es grüßt Sie herzlich A., die Frau die keine Gnade kennt :-)"

Herr Dr. U. ist Verleger der Beklagten und Eigentümer der gesamten Firma C. Herr C. ist Geschäftsführer der E. GmbH & Co. KG. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19. April 2011 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. August 2011. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 29. April 2011 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenen Klage.

(...)

Die Beklagte hat vorgetragen, Herr L. habe die Telefongespräche über die Klägerin nicht deshalb nicht angenommen, um deren Arbeit zu sabotieren, sondern vor dem Hintergrund der der Klägerin bekannten Anweisung. Die Klägerin habe ihm "pure Willkür" unterstellt, ihn gegenüber Dritten diffamiert und mit der Äußerung beleidigt, dass man bei ihm Desinfektionsgel benötige, weil er "dauernd in den Genitalien rumpule". Dies treffe nicht zu. Die Klägerin habe bewusst wahrheitswidrig in Bezug auf Herrn L. Mobbingvorwürfe gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erhoben. Sie sei nicht bereit, die angeblichen Mobbingsachverhalte zu konkretisieren und zu substantiieren (…)

Entscheidungsgründe

(...)

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die außerordentliche fristlose Kündigung deshalb begründet ist, weil die Klägerin das Personalgespräch am 13.04.2011 heimlich auf ihrem Mobiltelefon aufgezeichnet und sodann dem Verleger der Beklagten, Dr. U., mit E-Mail am gleichen Tage angekündigt hat, "den Fall mit Benennung des Verlages an die Öffentlichkeit" weiter zu geben. Hinzu kommt erschwerend, dass die Klägerin einerseits pauschal, unpräzise und unvollständig unsubstantiiert massive Vorwürfe von Mobbing und sexueller Belästigung erhoben und andererseits sich im Personalgespräch am 13.04.2011 geweigert hat, diese allgemein gehaltenen Vorwürfe zu präzisieren.

Auszugehen ist zunächst davon, dass es einem Arbeitnehmer grundsätzlich verwehrt ist, zu einem Gespräch mit seinem Arbeitgeber ein aufnahmebereites Tonbandgerät heimlich mit sich zu führen. Die sich darin dokumentierende Bekundung des Misstrauens gegenüber dem Arbeitgeber schließt eine zukünftige gedeihliche Zusammenarbeit eigentlich aus und kann auch eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen, denn die Sicherung dessen, was tatsächlich besprochen wurde, kann der Arbeitnehmer dadurch erreichen, dass er eine Person seiner Wahl hinzuzieht (Betriebsratsmitglied, Anwalt usw.).

(...)

Eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ist zudem auch darin zu sehen, dass die Klägerin erheblich gegen ihre arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Dazu gehört es auch, vollständig unsubstantiierte und ehrverletzende Äußerungen und Beschuldigungen gegenüber anderen Mitarbeitern zu unterlassen, die geeignet sind, diese in ihrem Persönlichkeitsrechts massiv zu verletzen und zudem durch die fehlende Substantiiertheit praktisch schutzlos zu stellen. Hinzu kommt, dass die Klägerin, wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt, konkret angekündigt und angedroht hat, diese Umstände zu verbreiten, also auch Dritten zugänglich zu machen.

(...)

Diese Gesamtumstände haben das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien unerlässliche Maß an Vertrauen vollständig zerstört.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann von einer Notwehr- / oder Notstandssituation keine Rede sein; insbesondere lässt sich ihrem tatsächlichem Vorbringen in beiden Rechtszügen auch nicht im Ansatz entnehmen, dass sie über Jahre hinweg Mobbing bzw. sexuellen Belästigungen ausgesetzt gewesen sei.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.04.2012, AZ: 5 Sa 687/11 (in Auszügen)

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