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Pflicht zur zumutbaren Zahlungsmöglichkeit

09.03.2015  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Verbraucherrechterichtlinie bringt seit dem 13.06.2014 in fast allen Staaten der EU neue Anforderungen. Da hier Urteile noch kaum existieren und häufig Rechtsunsicherheit herrscht, wird jedes neue Urteil auf Praxistauglichkeit abgeklopft, zumal die Abmahngefahr im behandelten Punkt sofort steigt.

Das OLG Dresden hatte sich mit der Pflicht zu befassen, zumutbare Zahlungsmöglichkeiten online zur Verfügung zu stellen. Rechtsanwalt Rolf Becker von WIENKE & BECKER zeigt Ihnen, worauf Sie achten müssen.

Ein Internetportal für Flugreisen bot für die Zahlung der Flugbuchung neben kostenpflichten Zahlungsmitteln eine „ MasterCard GOLD” und “Visa Electron” für den Kunden als kostenfreies Zahlungsmittel an. Bei der Nutzung von Lastschrift, American Express, Visa oder Mastercard wurden Kosten von mehr als 30 EUR verlangt. Das OLG Dresden (Urteil vom 03.02.2015, Az. 14 U 1489/14) entschied jetzt in II. Instanz, dass diese Zahlungsmittel keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit darstellen.

Kein Entgelt geschuldet

Gemäß § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, unwirksam, wenn für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht.

Die Richter des OLG Dresden waren der Auffassung, dass die Handhabung des Flugreiseportals gegen diese Anforderung verstößt:

”Zumutbar” sind sie schon deshalb nicht, weil jeweils vorab besondere Leistungen von dem Kunden verlangt werden. So muss er bei der “Visa Electron”-Karte (Prepaid-System) vorab die Karte “aufladen”; bei der “….de MasterCard GOLD” ist der Abschluss eines gesonderten Kreditkartenvertrages erforderlich. Von einem “zumutbaren Aufwand” kann aber nicht mehr gesprochen werden, wenn sich der Kunde eigens für die Zahlung an die Verfügungsbeklagte eine dieser Karten beschaffen muss….“

Die beiden genannten Zahlungsmöglichkeiten sind aber auch nicht „gängig”. Für die “Visa Electron”-Card ergibt sich dies überwiegend wahrscheinlich (§ 294 Abs. 1 ZPO) bereits aus den oben genannten Entscheidungen des Kammergerichts (a.a.O.) und des BGH (a.a.O., Tz 45), wonach ein großer Teil der Kunden von dieser Zahlungsmöglichkeit ausgeschlossen ist. Firmenkundenkarten sind per se kein gängiges Zahlungsmittel (vgl. Palandt/Grüneberg, 74. Aufl., § 312a Rn. 5).”

Das Gericht vermisste auch einen Vortrag für einen „nennenswerten Verbreitungsgrad“ der Zahlungsmittel. Schon das Kammergericht Berlin (entspricht OLG) hatte in anderem Zusammenhang seinem Urteil vom 09.12.2011, Az.5 U 147/10) zugrunde gelegt, dass „die Visa-Electron-Karte in Deutschland nicht verbreitet und für Personen, die ein Bankkonto oder eine Kreditkarte haben, uninteressant“ sei. Die Karte werde „insbesondere Personen empfohlen, die aus wirtschaftlichen Gründen keine Kreditkarte mit Kreditierungsfunktion mehr erhalten.“

Damit waren die Zahlungsmittel für einen Großteil der Kunden uninteressant. Das Verbot war verletzt. Die Kunden dürften Rückzahlungsansprüche haben.

Europarechtswidrig?

Interessant war der Vortrag des Buchungsportals, die Regelung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB sei als unzulässige überschießende Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, ("VRRL") europarechtswidrig. Die Dresdner Richter wollten dem nicht folgen. Art. 19 VRRL regelt nur das Verbot, von Verbrauchern für die Nutzung von Zahlungsmitteln Entgelte zu verlangen, die über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer für die Nutzung solcher Zahlungsmittel entstehen. Man kann diskutieren, ob der deutsche Gesetzgeber zusätzlich verlangen darf, dass die kostenfreien Zahlungsmittel gängig und zumutbar sein müssen. Davon ist in Art. 19 der Richtlinie keine Rede. Dagegen verlangt Art. 4 der Richtlinie die sog. Vollharmonisierung:

Sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt, erhalten die Mitgliedstaaten weder von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrecht noch führen sie solche ein; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus.

Strengere Anforderungen in den einzelnen EU-Staaten sind also verboten. Im hier angestrengten Verfügungsverfahren war mit dem OLG Schluss mit dem Instanzenzug. Eventuell wird man noch einmal davon hören, falls es im Hauptsacheverfahren weiter geht.


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