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Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte

07.09.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

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Nachdem der Bundesfinanzhof bereits vor einigen Jahren den Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte neu definiert hat und diese Neudefinition seit 2008 Gegenstand der Lohnsteuerrichtlinien geworden ist, haben sich in der lohnsteuerlichen Praxis erhebliche Probleme bei der Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte ergeben. Während nach alter Rechtslage als regelmäßige Arbeitsstätte immer der Ort angesehen worden ist, an dem der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Arbeitsleistung erbracht hat, konnte ein Arbeitnehmer mit mehreren Tätigkeitsorten auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten innehaben. Dies führte in der Praxis dazu, dass die Tätigkeit an einer auswärtigen Tätigkeitsstätte nicht als Auswärtstätigkeit qualifiziert werden konnte und die evtl. Erstattung von Reisekosten durch den Arbeitgeber als Arbeitslohn anzusehen war, der sowohl der Lohnversteuerung als auch der Verbeitragung zur Sozialversicherung zu unterwerfen war. Darüber hinaus musste im Rahmen der Dienstwagenbesteuerung nach Auffassung der Finanzverwaltung ein geldwerter Vorteil für Fahrten zwi-schen Wohnung und Arbeitsstätte in nicht unerheblicher Größenordnung angesetzt werden.

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Der Bundesfinanzhof hat dem Treiben der Finanzverwaltung nunmehr einen Riegel vorgeschoben und mit drei bahnbrechenden Urteilen neue Rahmenbedingungen für die Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte gesetzt.

Definition Regelmäßige Arbeitsstätte

Nach dem Wortlaut der Lohnsteuerrichtlinien (vgl. R 9.4 Absatz 3 LStR) gilt als regelmäßige Arbeitsstätte insbesondere jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wie-der aufsucht. Dadurch bedingt war nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Einsatz eines Arbeitnehmers an mehreren Tätigkeitsstätten entsprechend von mehreren regelmäßigen Ar-beitsstätten auszugehen.

Kernaussage der neuen BFH-Rechtsprechung

Kernaussage der neuen BFH-Rechtsprechung ist, dass ein Arbeitnehmer nicht mehrere, son-dern grundsätzlich immer nur eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben kann. Dieser regel-mäßigen Arbeitsstätte muss eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tä-tigkeitsorten zukommen. Damit stellt sich der Bundesfinanzhof gegen die Finanzverwaltung und hält darüber hinaus auch an seiner bisherigen Rechtsauffassung zu dieser Thematik nicht mehr fest.

1.) BFH-Urteil vom 09.06.11, VI R 36/10

Im hier streitigen Sachverhalt wurde ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber als Führungs-kraft mit der Betreuung von mehreren Filialen einer Supermarktkette beauftragt. Das Finanz-amt ging davon aus, dass es sich bei jeder einzelnen Filiale um eine regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers handelt. In diesem Zusammenhang wurden die vom Arbeitnehmer geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen vom Finanzamt nicht als Reisekosten berück-sichtigt. Hinsichtlich der Fahrtkosten ging das Finanzamt bei den Fahrten von der Wohnung des Arbeitnehmers zur jeweils zuerst angefahrenen Filiale und bei den Fahrten von der zuletzt angefahrenen Filiale zurück zur Wohnung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aus. Diese können steuerlich nur im Rahmen der Entfernungspauschale mit 0,30 Euro pro Entfernungskilometer als Werbungskosten angesehen werden. Lediglich die Fahrten von der ersten Filiale zu jeder weiteren Filiale konnten mit 0,30 Euro pro tatsächlich gefahrenen Ki-lometer als Reisekosten angesetzt werden.

Der Bundesfinanzhof stellte mit Urteil vom 09.06.11, VI R 36/10 klar, dass der der ortsge-bundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers immer nur an einem Ort liegen kann. Dabei muss der jeweiligen regelmäßigen Arbeitsstätte eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommen. Nur wenn ein Arbeitnehmer eine regelmäßige Arbeitsstätte hat, kann er sich auf immer die gleichen Wege einstellen und so, z.B. durch die Bildung von Fahrgemeinschaften oder die Nutzung öffentlicher Verkehrs-mittel bzw. durch eine zielgerichtete Wohnsitznahme in der Nähe der regelmäßigen Arbeits-stätte auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Dies ist nach Auffassung des Bundesfi-nanzhofs nicht möglich, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig mehrere regelmäßige Arbeits-stätten innehat. Einem Arbeitnehmer, der seinen Beruf an mehreren betrieblichen Einrichtun-gen seines Arbeitgebers ausübt, ist es regelmäßig nicht möglich, die anfallenden Wegekosten durch o.g. Maßnahmen gering zu halten. Daher gesteht der Bundesfinanzhof in Zusammen-hang mit dem objektiven Nettoprinzip einem Arbeitnehmer mit mehreren Tätigkeitsstätten einen höheren Werbungskostenansatz zu als einem Arbeitnehmer, der immer nur eine regel-mäßige Arbeitsstätte aufsuchen muss.

Die Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe des Newsletters.

Quelle: Diplom-Finanzwirt (FH) Volker Hartmann, Hamburg

Der Autor:

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer und seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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