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Keine Maklerprovision für vermittelten Wohnungsverkauf nach Widerruf!

01.08.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landgericht Tübingen.

Urteil vom 28.04.2016 7 O 20/16

BGB § 312 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 312g Abs. 1, §§ 242, 355, 356, 357, 652 Abs. 1 Satz 1

  1. Dem Makler steht bei erfolgreicher Vermittlungstätigkeit nach wirksamem Widerruf kein Anspruch auf Zahlung des Maklerlohnes zu.
  2. Die Ausübung des Widerrufsrechtes ist nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers gekoppelt. Die Ausübung des Widerrufsrechtes ist allein dem freien Willen des Verbrauchers überlassen.
  3. Die Ausübung des Widerrufsrechtes ist nur wegen Rechtsmissbrauchs oder unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB ausgeschlossen.

(...) 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 18.033,00 Euro.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie nicht zur Zahlung einer Maklerprovision verpflichtet ist.

Die Klägerin beabsichtigte, die von ihr bewohnte Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung in der ### in Reutlingen zu verkaufen. Zu diesem Zweck nahm die Klägerin am 17.07.2015 mit der Beklagten, einer Immobilienmaklerin, Kontakt auf. Nach Durchführung eines Besichtigungstermins am 21.07.2015 in der Wohnung der Klägerin fand am 24.07.2015, einem Freitag, eine Besprechung in den Geschäftsräumen der Beklagten in der in Reutlingen statt, bei der über die abzuschließenden Verträge gesprochen wurde. Die Beklagte legte der Klägerin hierbei vorbereitete Vertragsunterlagen vor und fragte die Klägerin, ob deren Preisvorstellung sich mit 190.000,- EUR decke, was die Klägerin bejahte. Am Ende der Besprechung teilte die Klägerin mit, sie wolle die Vertragsunterlagen über das Wochenende noch einmal mit nach Hause nehmen. Zur Unterzeichnung des Maklervertrages kam es am 24.07.2015 nicht, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Klägerin bei dieser Besprechung bereits eine Vollmacht zum Maklervertrag unterzeichnete (Anlage K2, Bl. 9 d.A.).

Nach einem zwischen den Parteien am 27.07.2015 geführten Telefonat, wobei auch hier streitig ist, wer wen angerufen hat, erschien am 28.07.2015 der Mitarbeiter der Beklagten in der Wohnung der Klägerin. Dort unterzeichnete die Klägerin mit Datum vom 28.07.2015 einen mit "Immobilienvermittlung - Verkaufsauftrag -" überschriebenen Maklervertrag (Anlage K1, Bl. 7 d.A.) sowie eine Finanzierungsvollmacht mit Datum vom gleichen Tage (Anlage K3, Bl. 10 d.A.). Der Maklervertrag sieht eine Maklerprovision in Höhe von 3,57 % des Verkaufspreises sowie in Nr. 7 des Vertrages eine Mehrerlösprovision in Höhe von 50 % des über 190.000,00 EUR hinausgehenden Erlöses vor.

Eine Widerrufsbelehrung händigte die Beklagte der Klägerin nicht aus.

Mit notariellem Vertrag vom 02.12.2015 verkaufte die Klägerin ihre Wohnung für 212.500,00 EUR (Anlage K 4, Bl. 11 d.A.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.11.2015 an die Beklagte erklärte die Klägerin den Widerruf des Maklervertrages (Anlage K5, Bl. 16 d.A.). Mit Schreiben vom 24.11.2015 (Anlage K6, Bl. 19 d.A.) wies die Beklagte den Widerruf zurück und übersandte eine Rechnung über die Maklerprovision von 3 % des Kaufpreises in Höhe von 6.783,- EUR (Anlage K7, Bl. 20 d.A.) sowie eine weitere Rechnung über die vereinbarte Mehrerlösprovision in Höhe von 11.250,- EUR (Anlage K8, Bl. 21 d.A.), jeweils datierend vom 24.11.2015. Die Rechnungen bezahlte die Klägerin nicht. Mit Schreiben vom 02.12.2015 (Anlage K10 Bl. 23 d.A.) bestand die Beklagte auf ihrer Vergütung und erwirkte in der Folge vor dem Mahngericht Stuttgart gegen die Klägerin wegen der streitgegenständlichen Maklervergütung unter dem Aktenzeichen 16-8867413-0-8 einen Mahnbescheid, gegen welchen die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom 26.01.2016 Widerspruch eingelegt hat. Am 25.01.2016 erhob die Klägerin die vorliegende negative Feststellungsklage.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe den Maklervertrag wirksam widerrufen, weswegen der Vergütungsanspruch entfallen sei. Sie behauptete, bei dem Maklervertrag handle es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne des § 312b BGB. Vor der Unterzeichnung des Maklervertrages am 28.07.2015 in ihrer Wohnung sei es zu keiner Einigung zwischen den Parteien gekommen. Über ein Widerrufsrecht sei sie zu keinem Zeitpunkt belehrt worden.

Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 18.033,00 Euro aus dem Immobilienvermittlungsauftrag vom 28.07.2015 nicht zusteht.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe sie bereits bei der Besprechung am 24.07.2015 vorbehaltlos beauftragt. Zwar habe die Klägerin die Vertragsurkunde - überraschend - vor Unterzeichnung noch über das Wochenende mitnehmen wollen, jedoch habe sie am 24.07.2015 in den Geschäftsräumen der Beklagten eine Maklervollmacht unterzeichnet und die Beklagte unmissverständlich aufgefordert, sofort mit der Ausführung der Maklerleistung zu beginnen, weil sie den Verkaufserlös für den Erwerb einer anderen Wohnung benötige. Die Beklagte ist der Auffassung, der Maklervertrag sei am 24.07.2015 in den Geschäftsräumen der Beklagten zustande gekommen. Die Klägerin sei dabei von der Beklagten anhand eines von der Beklagten standardmäßig verwendeten Belehrungsformulars (Anlage B1, Bl. 71 d.A.) vorsorglich mündlich über ihr Widerrufsrecht und die Folgen eines ,,Rückzuges des Auftrags" aufgeklärt worden. Die Besprechung in der Wohnung der Klägerin am 28.07.2015 sei auf Bitten der Klägerin erfolgt und habe lediglich der schriftlichen Bestätigung des bereits geschlossenen Vertrages gedient, wobei auch das Datum der Maklervollmacht aktualisiert worden sei. Ein Widerrufsrecht bestehe daher nicht; jedenfalls habe die Beklagte wegen der vollständig erbrachten Maklerleistung einen Anspruch auf Wertersatz in Höhe der vertraglich vereinbarten Provision.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten genommenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Das Landgericht Tübingen ist gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gem. §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.

2. Der Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage steht auch nicht die bei Klageerhebung bestehende Anhängigkeit des Mahnverfahrens entgegen. Zwar ist der im Mahnverfahren erhobene Zahlungsanspruch der Beklagten mit dem vorliegenden Feststellungsanspruch identisch, da der Streitgegenstand der negativen Feststellungsklage von der Leistungsklage umfasst wird (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 30. A. 2014, § 256 Rz. 16). Rechtshängigkeit des im Mahnverfahren erhobenen Zahlungsanspruchs tritt jedoch erst mit Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht ein, § 694 Abs. 1 S. 4 ZPO. Der Rückbezug des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids nach § 696 Abs. 3 ZPO setzt ebenfalls Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht voraus, die vorliegend noch nicht erfolgt ist.

3. Auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststeilungsinteresse besteht. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an alsbaldiger Feststellung des Nichtbestehens des Zahlungsanspruchs, dessen sich die Beklagte berühmt. Das noch beim Mahngericht anhängige Mahnverfahren über den behaupteten Anspruch der Beklagten steht dem nicht entgegen. Zwar steht der Klägerin auch als Antragsgegnerin grundsätzlich die Möglichkeit offen, nach § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO selbst die Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht sowie im Streitverfahren bei nicht rechtzeitigem Eingang der Anspruchsbegründung nach § 697 Abs. 3 S. 1 ZPO Bestimmung eines Verhandlungstermins zu beantragen. Auf diese Möglichkeit muss sich die Klägerin jedoch nicht verweisen lassen mit der Folge, dass das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage entfiele. Denn die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an einer baldigen und sicheren Klärung der durch den behaupteten Anspruch bestehenden Unsicherheit über ihr subjektives Recht. Zu weniger effektiven und sicheren Verteidigungsmöglichkeiten muss die Klägerin nicht greifen. Dies wäre aber bei der Rechtsverteidigung im Mahnverfahren der Fall, da die Klägerin das Schicksal der dort zu erhebenden Zahlungsklage nicht alleine in der Hand hat. Auch kann die Klägerin als Antragsgegnerin ihren im Mahnverfahren erhobenen Widerspruch nach § 697 Abs. 4 S. 1 ZPO nur bis zu Beginn ihrer mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zurücknehmen, wohingegen sie als Klägerin im Klageverfahren die Klage mit Einwilligung der Beklagten auch noch nach Beginn der mündlichen Verhandlung zurücknehmen kann. Schließlich entfällt auch bei Erhebung einer Leistungs(wider)klage wegen desselben Streitgegenstandes das Feststellungsinteresse erst, wenn über die neue Klage streitig verhandelt wird (Zöller-Greger, ZPO, 30. A. 2014, § 256 Rz. 7d). Erst recht muss dann ein Feststellungsinteresse bestehen, wenn - wie vorliegend - das Mahnverfahren noch nicht einmal ins Streitverfahren übergeleitet und daher der Zahlungsanspruch auch noch nicht rechtshängig wurde.

II.

Die Klage ist auch begründet.

1. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 18.033,- EUR aus § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen die Klägerin. Denn der zwischen den Parteien geschlossene Maklervertrag wurde wirksam widerrufen mit der Folge, dass der Vergütungsanspruch der Beklagten untergegangen ist.

a) Der Klägerin steht ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu. Denn bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Maklervertrag handelt es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbrauchervertrag i.S.d. § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB. Anzuwenden ist vorliegend das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner aktuellen Fassung, da der fragliche Vertragsschluss am 28.07.2015 und damit nach der Einführung der neuen Vorschriften zum Widerruf von Verbraucherverträgen erfolgte.

aa) Die Vorschriften über die Verbraucherverträge in den §§ 312 ff. BGB n.F. sind anwendbar. Die Klägerin ist eine natürliche Person, die mit dem Vertrag private Zwecke verfolgte, somit Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB. Die Beklagte ist als Immobilienmaklerin Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB. Der Vertrag über die Vermittlung der Wohnung der Klägerin hat eine entgeltliche Leistung der Beklagten zum Gegenstand.

bb) Der Maklervertrag wurde entgegen der Auffassung der Beklagten am 28.07.2015 in der Wohnung der Klägerin geschlossen. Bei dem am 24.07.2015 in den Geschäftsräumen der Beklagten geführten Gespräch kam es zu keinem Vertragsschluss. Ein solcher setzt ein Angebot und eine Annahme voraus. Da es sich bei der Annahme um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist bei ihrer Auslegung nach §§ 133, 157 BGB entscheidend, wie der Empfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (st. Rspr., vgl. statt aller BGH NJW 1990, 3206; 2006, 3777). Der Empfänger muss dabei alle ihm erkennbaren Umstände mit einbeziehen (vgl. BGH NJW 2008, 2702; Ellenberger in: Paten« BGB, 74. Aufl. 2015, § 133 Rn. 9).

Hier legte die Beklagte der Klägerin ein Angebot in Form des Vertragstextes vor. Dieses nahm die Klägerin jedoch nicht an. Unstreitig unterzeichnete die Klägerin den Maklervertrag zunächst nicht, sondern nahm diese am Ende der Besprechung noch einmal mit nach Hause. Damit brachte die Klägerin zum Ausdruck, dass sie über die endgültige Auftragserteilung noch einmal nachdenken wolle. Nur so war dieses Verhalten von der Beklagten auch zu verstehen. Dass die Klägerin dabei gleichzeitig die Annahme des Vertrages in rechtlich verbindlicher Weise erklären wollte, kann nicht angenommen werden. Die Mitnahme der Vertragsunterlagen, ohne diese vorher zu unterzeichnen, führte dazu, dass die Beklagte objektiv nicht mehr davon ausgehen konnte, dass sich die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt rechtlich binden wollte.

Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob - wie die Beklagte behauptet - die Klägerin am 24.07.2015 bereits die Vollmacht zum Maklervertrag unterzeichnete. Hiergegen spricht, dass die Vollmacht ebenfalls das Datum 28.07.2015 trägt. Warum das Datum der bereits erteilten Vollmacht am 28.07.2015 nochmals - so der Vortrag der Beklagten - "aktualisiert" worden sein sollte, erschließt sich nicht, kann aber auch offen bleiben, da die Erteilung der Vollmacht vom Grundgeschäft unabhängig ist und einen Rückschluss auf einen sicheren Bindungswillen der Klägerin am 24.07.2015 angesichts der bereits erwähnten sonstigen Umstände nicht zulässt.

cc) Damit handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Maklervertrag um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag nach § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB. Ob die Klägerin - wie die Beklagte behauptet - die Beklagte zum Vertragsschluss in ihre Wohnung bestellt hat, ist nach der neuen Rechtslage unerheblich und kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben. Denn anders als § 312 BGB a.F. enthält § 312b BGB n.F. kein Kausalitätserfordernis mehr (Maume in: Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, 38. Edition, Stand: 01.02.2016, § 312b, Rz. 8). Wegen der von der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU bezweckten Vollharmonisierung ist das Tatbestandsmerkmal einer den Verbraucher beim Vertragsschluss bestimmenden Überrumpelungsituation entfallen. In Erwägungsgrund 21 der Verbraucherrechte-Richtlinie heißt es, dass es wegen des möglichen psychischen Drucks oder Überraschungsmoments außerhalb von Geschäftsräumen keine Rolle spiele, ob der Verbraucher den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Folgerichtig stellt die Umsetzungsvorschrift § 312b BGB nunmehr ausschließlich auf den Ort des Vertragsschlusses ab. Nicht relevant sind Ort und Zeitpunkt der Verhandlungen. Anders als nach § 312 Abs. 3 BGB a.F. greift das Widerrufsrecht auch bei vorheriger Bestellung des Unternehmers durch den Verbraucher. Für eine Beibehaltung der bisher im deutschen Recht geltenden Ausnahme war vor dem Hintergrund der Verbraucherrechte-Richtlinie kein Raum mehr (Maume in: Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, 38. Edition, Stand: 01.02.2016, § 312b, Rz. 12, unter Verweis auf Begr RegE, BT-Drs. 17/12637 S. 49).

Daher ist auch der Umstand, dass wegen der hier gegebenen Bedenkzeit über das Wochenende ein Überraschungseffekt vorliegend eher fernliegend ist, unerheblich. Aus § 312b Abs. 1 Nr. 3 BGB ergibt sich, dass der zeitliche Zusammenhang in Form des Merkmals "unmittelbar zuvor" nur in der umgekehrten Situation, in der der Vertragsschluss zwar innerhalb von Geschäftsräumen, aber im Anschluss an Gespräche außerhalb dieser stattfindet, wichtig ist. in der vorliegenden Konstellation reicht dem Richtliniengeber aus, dass psychischer Druck oder eine Überraschung des Verbrauchers prinzipiell möglich ist.

b) Von ihrem Widerrufsrecht hat die Klägerin auch wirksam, insbesondere fristgemäß Gebrauch gemacht, so dass sie nach § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB an ihre Willenserklärung bezüglich des Vertragsschlusses nicht mehr gebunden ist.

aa) Die Erklärung des Widerrufs durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19.11.2015 war fristgemäß. Grundsätzlich beträgt die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB 14 Tage ab Vertragsschluss. Nach § 356 Abs. 3 BGB beginnt die Widerrufsfrist jedoch nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 des EGBGB unterrichtet hat, wobei diese Belehrung nach Art. 246a § 4 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 EGBGB bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag in Papierform oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zu erfolgen hat. Diese Belehrung ist vorliegend unstreitig nicht in der vorgeschriebenen Form erfolgt. Schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten wurde die Klägerin über ein etwaiges Widerrufsrecht nur mündlich belehrt. Eine Widerrufsbelehrung wurde ihr weder in Papierform noch auf einem dauerhaften Datenträger ausgehändigt. Die Widerrufsfrist hat daher zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht zu laufen begonnen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die der Klägerin anhand eines Belehrungsformulars erteilte mündliche Belehrung inhaltlich richtig war.

bb) Erfolgt die vorgeschriebene Belehrung nicht oder nicht formgemäß, erlischt das Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 3 S. 2 BGB spätestens eines Jahres und 14 Tagen nach Vertragsschluss. Die Klägerin übte ihr Widerrufsrecht knapp vier Monate nach dem Vertragsschluss aus. Zu diesem Zeitpunkt war das Widerrufsrecht noch nicht erloschen.

c) Das Widerrufsrecht der Klägerin ist auch nicht erloschen nach § 356 Abs. 4 S. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift erlischt bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen das Widerrufsrecht auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert. Eine solche Zustimmung der Klägerin ist vorliegend nicht gegeben. Es kann auch hier dahingestellt bleiben, ob die Klägerin - wie die Beklagte behauptet - die Beklagte am 24.07.2015 eindeutig dazu aufgefordert hat, mit der Ausführung der Dienstleistung zu beginnen. Denn bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag muss die dahingehende Zustimmung des Verbrauchers auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht gesehen.

d) Die Ausübung des Widerrufsrechts ist auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs beziehungsweise unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB nur ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (vgl. statt vieler BGH, Urt. v. 25.11.2009, VIII ZR 318/08, ibr-online; Urt. v. 16.03.2016, VIII ZR 146/15, ibr-online). Die Ausübung des Widerrufsrechts ist, wie die fehlende Begründungspflicht nach § 355 Abs. 1 S. 4 BGB zeigt, nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers gekoppelt, sondern allein seinem freien Willen überlassen (vgl. zur alten Rechtslage BGH, Urt. v. 16.03.2016, VIII ZR 146/15, ibr-online). Vorliegend bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Beklagte durch Ausübung ihres Widerrufsrechts schädigen oder schikanieren wollte. Dass die Klägerin sich die bestehende Rechtslage zu Nutze macht, um ein für sich möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen, ist für sich alleine nicht rechtsmissbräuchlich. Dass die Beklagte als Unternehmerin hierdurch in die missliche Lage gerät, trotz vollständig erbrachter Leistung keinen Gegenanspruch zu haben, wird von § 356 Abs. 4 BGB in Kauf genommen.

2. Ein Zahlungsanspruch der Beklagten ergibt sich auch nicht aus einem Anspruch auf Wertersatz. Zwar sind bei einem wirksamen Widerruf nach § 357 Abs. 1 BGB die wechselseitig empfangenen Leistungen innerhalb von 14 Tagen zurückzugewähren. Hier hat die Beklagte unstreitig die vereinbarte Dienstleistung auch vollständig erbracht. Nach § 357 Abs. 8 BGB schuldet der Verbraucher dem Unternehmer bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung indes nur dann, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Auch hier kann offen bleiben, ob dies vorliegend im Gespräch vom 24.07.2015 geschehen ist. Denn der Anspruch aus § 357 Abs. 8 S. 1 BGB besteht nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat, wobei bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zusätzlich der Verbraucher sein Verlangen nach S. 1 auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln hat, § 357 Abs. 8 S. 2 und 3 BGB. Diese Belehrungspflichten hat die Beklagte vorliegend unstreitig ebenfalls nicht erfüllt, so dass ein etwaiger Anspruch auf Wertersatz entfällt.

3. Weitere vertragliche oder gesetzliche Ansprüche der Beklagten, die den erhobenen Zahlungsanspruch begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine Zuerkennung des Anspruchs etwa nach den §§ 812 ff. BGB kommt wegen § 361 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, wonach die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Verbrauchergeschäfts in den §§ 355 ff. BGB abschließend geregelt sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.



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