19.12.2011 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Nach der sogenannten Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 dürfen nationale Bestimmungen Urlaubsansprüche nicht untergehen lassen, wenn Arbeitnehmer ihren Urlaub aufgrund einer Erkrankung nicht nehmen konnten. Nationale Vorschriften, die – wie § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz – die Möglichkeit der Übertragung begrenzen und den Urlaubsanspruch damit verfallen lassen, stünden im Widerspruch zu den Regelungen der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat daraufhin seine bis dahin bestehende Rechtsauffassung geändert und entschieden, dass der Urlaubsanspruch auch dann nicht entfällt, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aufgrund einer dauerhaften Erkrankung nicht in Anspruch nehmen konnte. Viele langjährig erkrankte Arbeitnehmer verlangten in Folge dessen Urlaub beziehungsweise dessen Abgeltung seit Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit. Dies waren häufig mehrere zurückliegende Jahre.
Herr Schulte (Schlosser) verlangte von seinem ehemaligen Arbeitgeber Abgeltung des nicht genommenen Jahresurlaubs für die Jahre 2006, 2007 und 2008. Auf das Arbeitsverhältnis von Herrn Schulte fand ein Tarifvertrag Anwendung, nach dem der Anspruch auf bezahlten Urlaub 30 Tage im Jahr betrug. Der Tarifvertrag sah weiter vor, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der wegen Krankheit nicht genommen wurde, nach Ablauf einer Übertragungsfrist von 15 Monaten nach dem Bezugszeitraum (Kalenderjahr) erlischt.
Herr Schulte hatte im Jahr 2002 einen Herzinfarkt erlitten und wurde in Folge dessen für schwerbehindert und arbeitsunfähig erklärt. Im August des Jahres 2008 endete sein Arbeitsverhältnis. In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht auf Grundlage der bereits erwähnten Schultz-Hoff-Entscheidung Herrn Schulte für die in den drei Jahren angefallenen Urlaubstage eine Summe von etwa 6.550 EUR zugebilligt. Das Landesarbeitsgericht Hamm, bei dem die Berufung in dieser Sache anhängig ist, legte den Fall dem EuGH zur Klärung der Frage vor, ob die Übertragung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub bei Arbeitsunfähigkeit, wie hier durch den Tarifvertrag geschehen, zeitlich begrenzt werden könne.
Der EuGH hat festgestellt, dass seine bisherige Rechtsprechung nicht konsequent auf sämtliche Fallkonstellationen anwendbar ist. Unter „besonderen Umständen“ müssen daher die Schlussfolgerungen aus der Schultz-Hoff-Entscheidung „nuanciert“ werden. So vage wie die Formulierung „nuanciert“ klingt, so deutlich hat der EuGH dann jedoch einem „Recht auf ein unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub“ eine Absage erteilt. Ein solches Recht würde nicht mehr dem Zweck des Urlaubsanspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen. Der Zweck umfasse zwei Aspekte, nämlich dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von seiner Arbeit zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. In Anbetracht des Zwecks könne daher ein während mehrerer Jahre in Folge arbeitsunfähiger Arbeitnehmer nicht berechtigt sein, in diesem Zeitraum erworbene Ansprüche unbegrenzt anzusammeln. Durch einen Übertragungszeitraum, nach dessen Ablauf Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers verfallen, könne ein jahrelanges Ansammeln von Urlaubsansprüchen daher wirksam begrenzt werden. Der Übertragungszeitraum müsse die Dauer des Bezugszeitraums, für den der Urlaub gewährt wird, jedoch deutlich überschreiten. Konkret führt der EuGH aus, dass ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, dem Urlaubszweck nicht zuwiderlaufe.
Die Entscheidung sorgt für Erleichterung auf Arbeitgeberseite. Die Schultz-Hoff-Entscheidung wird damit in ihren Auswirkungen deutlich abgemildert. Zwar bleibt abzuwarten, wie sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auswirkt und ob der Gesetzgeber eine Ergänzung von § 7 Bundesurlaubsgesetz angeht. Jedoch sollten Arbeitgeber bereits jetzt die bestehenden tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Regelungen überprüfen und gegebenenfalls Übertragungsfristen für den Fall der dauerhaften Erkrankung eines Arbeitnehmers jedenfalls in neu abzuschließenden Verträgen verankern.
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