Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Interview: Potenzial für nachhaltiges Bauen in Italien enorm

23.02.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: pressetext.

70 Mio. Fenster und 3,5 Mrd. Quadratmeter Außenfassaden vor Wechsel

Für das energetische Sanieren und energieeffiziente Bauen ist Italien ein wichtiger Markt in Europa. Das verdeutlicht Gernot Rössler, Präsident der Messe Bozen AG im Interview. Auf der "Bauern & Energie Wien", die am Donnerstag ihre Pforten öffnete, präsentierte Rössler die Fachmessen "Klimahouse", "Klimaenergy" und "Klimamobility" und zeigt anhand aktueller Berichte zu Gebäuderichtlinien, wie sich die Branche derzeit entwickelt.

Ihrem Ruf nach lieben die Italiener ihr Eigenheim besonders. Ist das Thema energetische Sanierung schon angekommen?

Rössler: Italiens Bestand an Wohnhäusern, Büro- und Geschäftsgebäuden verbrauchte 2010 rund 48 Mio. Tonnen Erdöl. Seit 2007, als die Regierung 55 Prozent der Sanierungsarbeiten von Steuern befreite, wurden 1,36 Mio. Immobilien um insgesamt 16,5 Mrd. Euro energetisch saniert, wobei die häufigste Maßnahme der Fenstertausch war. Der ursprünglich für drei Jahre geplante Bonus wurde 2010 verlängert. Deshalb und aufgrund der unstabilen Wirtschaftslage ist für 2011 erstmals mit einem Rückgang von elf Prozent der Steuerbefreiungs-Ansuchen zu rechnen.

Hat nachhaltiges Sanieren dann noch Marktpotenzial?

Rössler: Ja, und sogar sehr hohes, da der Aufholbedarf bei der Gebäudesanierung nach wie vor enorm ist. Jedes zweite der geschätzten 140 Mio. Fenster Italiens ist älter als 15 Jahre und über drei Viertel der rund 4,5 Mrd. Quadratmeter Außenwandfassaden wurden in diesem Zeitraum ebenfalls nicht saniert. Laut dem ONRE-Bericht wurden 2011 in Italien 1,37 Mio. Heizanlagen installiert, davon rund 1,25 Mio. in Privathäusern und knapp über 120.000 in Büro- und Geschäftsgebäuden. Speziell in diesem letzten Bereich hat die teilweise Steuerbefreiung den Austausch beschleunigt.

Die erste "Klimahouse" startete 2007. Inwiefern trägt diese Messe zu mehr Nachhaltigkeit bei?

Rössler: Konzept der "Klimahouse"-Messen ist es, energetische Maßnahmen, Produkte und Technologien vorzustellen, die den Energiekonsum im Gebäudebereich reduzieren und so die Umwelt schützen. Begleitet wird die Produkt- und Servicepräsentation von Kongressen, geführten Besichtigungsfahrten und Seminaren. Wertvoll für den Wissens- und Informationstransfer ist jedoch auch das große Echo der Fachpresse. 80 Prozent der Besucher der Bozener "Klimahouse" sind Fachbesucher, also Architekten, Ingenieure, Planer und Handwerker. Dasselbe gilt seit 2008 für die Wanderauflagen in Rom, Apulien und voraussichtlich ab März dieses Jahres auch für jene in Süditalien.

Welche Rolle spielt der Messestandort Bozen für Branchenanbieter aus dem DACH-Raum?

Rössler: In einen Stiefel steigt man bekanntlich von oben ein. Dies gilt in Italien besonders im Energiesektor, da Südtirol Vorreiter für Nachhaltigkeit ist: Es gibt über 3.000 nach KlimaHaus-Standard zertifizierte Gebäude. Etwa die Hälfte der 116 südtiroler Gemeinden verfügt über ein Biomasse-Fernheizwerk, es gibt knapp 12.000 kleine Biomasse-Anlagen, über 4.000 Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Gesamtleistung von 119 Megawatt, über 200 oberflächennahe Geothermie- und sieben Tiefegeothermie-Anlagen sind in Planung. Das enorme Know-how im Land gibt Ausstellern auf der Energiemesse in Bozen einen Glaubwürdigkeitsvorsprung.

Südtirol nimmt sich vor, bis 2050 den CO2-Ausstoß von derzeit fünf auf 1,5 Tonnen pro Kopf zu reduzieren. Welche konkreten Schritte gibt es bereits?

Rössler: Schon heute liegt der CO2-Ausstoß bei der Hälfte des EU-Durchschnitts und einem Viertel der USA. Der ehrgeizige Klimaplan zielt auf weniger Energieverbrauch, mehr Energieeffizienz und die Erschließung erneuerbarer Energiequellen ab. Das erfordert viel Bewusstseinsbildung, die schon bei Kampagnen in Schulen beginnt. Bis 2018 muss jede Gemeinde Klimaschutz- und Energiesparpläne besitzen, zudem gilt seit Juni 2011 für Neubauten der KlimaHaus-B-Standard, ab 2015 sogar KlimaHaus-A mit drei Liter Heizöl pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr.

Langfristig will die Region auch den Anteil der erneuerbaren Energien von heute 56 auf 90 Prozent heben. Um welche Energieformen geht es dabei?

Rössler: Südtirols Energielandesrat Michl Laimer sieht hohes Potenzial im Photovoltaik-Bereich, allerdings nur auf Dächern und nicht in der freien Landschaft. Ergänzt werden soll dies durch die Einrichtung einer Solarbörse, über die Anleger Photovoltaik-Fläche finanzieren könnten. Weiters setzt man auf die Nutzung der Kraft-Wärme-Koppelung, also der gleichzeitigen Produktion von Strom und Wärme und auf Geothermie. Dabei ist die Nutzung der Erdwärme allerdings erst dann sinnvoll, wenn die Wärmepumpe so wenig Strom verbraucht, dass sich die Energie-Gesamtrechnung rentiert.

Die "Klimahouse" wurde seit ihrer Gründung um weitere Messen ergänzt, die sich der nachhaltigen Energieversorgung und Mobilität widmen. Welche Trends werden hier künftig an Bedeutung gewinnen?

Rössler: Wichtig war für uns, mit der "Klimahouse", "Klimaenergy" und "Klimamobility" das Angebot in den Energie-Zukunftsbranchen voll abzudecken. Das Thema Nachhaltigkeit und das auf diesen Messen dargestellte Know-how macht jedoch nicht in den genannten Bereichen Halt, sondern wird branchenübergreifend auch in anderen Messen aufgegriffen: Etwa in der Landwirtschaftsmesse Agrialp mit den Themen Biomasse und regionale Kreisläufe oder in der Fachmesse für das Hotel- und Gastgewerbe, die sich auch der nachhaltigen Tourismusarchitektur und der Reduzierung des Energieverbrauchs in Hotels widmet.

Danke für das Gespräch!

Das Gespräch führte Johannes Pernsteiner für pressetext

Haben Sie Fragen oder Anregungen zu diesem Artikel oder zu unserem Newsletter?
Wenn Sie möchten, können Sie hier Ihre Meinung, Anmerkungen, Fragen oder Kritik hinterlassen.

nach oben