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Gesetzesinitiative des Bundesrats: Neue Regelungen für AGB

06.12.2016  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

53 Prozent der Verbraucher akzeptieren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ohne sie gelesen zu haben. In der Gruppe 18-29 Jahre sind das sogar 83 %. Der Bundesrat fordert daher neue AGB-Gestaltungsregelungen. Warum dies eher Aktionismus darstellt, als einen wirklichen Bedarf deckt, erläutert Rechtsanwalt Rolf Becker, WIENKE & BECKER – Köln, im aktuellen Rechtsbeitrag.

Gesetzesinitiative des Bundesrats: Neue Regelungen für AGB

Mit einer neuen Initiative des Bundesrates vom 19.10.2016 soll das Kleingedruckte transparenter werden, weil es niemand liest. „Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung der Verbraucherfreundlichkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)“ lautet der Titel der Grunddrucksache 577/16.

Folgende Ziele sollen für alle AGB erreicht werden:

  • Die „wesentlichen und für den jeweiligen Vertrag relevanten Punkte“ sollen „in klarer und knapper Form“ vorangestellt und zusammengefasst wiedergegeben werden.
  • Bedeutende Passagen sollen zusätzlich hervorgehoben werden; dies soll auch bei Änderungen gelten.

Das würde jeden Händler betreffen, der Waren an Verbraucher anbietet.

Seit 01.10.2016 keine Schriftformklauseln

Gerade erst haben sich seit dem 01.10.2016 die Regelungen zu häufig genutzten Schriftformklausel geändert. Nach § 309 Nr. 13 BGB sind AGB-Regelungen unwirksam und damit abmahnfähig, „durch die Anzeigen oder Erklärungen, …an eine strengere Form als die Textform …. oder… an besondere Zugangserfordernisse“ gebunden werden. Steht also in Ihren AGB z. B. etwas von „schriftlicher Kündigung“, dann bieten Sie eventuell Anlass für Angriffe.

Gliederung und Vorabzusammenfassung Pflicht

Doch zurück zum Entschließungsantrag. Der Begriff „Relevante Punkte“, die ja vorangestellt werden sollen, stellt in B2C AGB fast eine Tautologie dar, also so etwas wie einen weißen Schimmel. AGB, die sich an Verbraucher richten, enthalten heute fast nur noch „Informationen“, die der Gesetzgeber als zwingend und damit höchst relevant vorsieht. Sieht man mal von einem Eigentumsvorbehalt und Regelungen zur Rechtswahl ab, darf kaum eine der Standardregelungen heute fehlen. Prompt werden im Entschließungstext des Bundesrates

  • das Zustandekommen eines Vertrages und
  • dessen Rückabwicklung (Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen;
  • Rücktrittsrecht;
  • Widerrufsbelehrung; im Kaufrecht: mögliche Rücksendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechts) sowie die
  • Punkte „Zusatzkosten des Vertrages“ und
  • „Datenschutz“

„als wesentlich und relevant erachtet“.

Wiederholte Infos in AGB

Bis auf den Datenschutz sind das alles Informationen, die schon jetzt zwangsweise und teils nur nach Gesetzesmustern (Widerrufsbelehrung) dort einigermaßen rechtssicher aufgeführt werden können und müssen. Jetzt sollen diese also noch einmal in „klarer und knapper Form“ in der Einleitung von AGB auftauchen. Wie sich eine Verknappung der Wiedergabe eines Verbraucherrechts gestalten soll, wenn man schon nur noch mit Mustertexten weiterkommt und wann sich daraus eine Irreführung ergibt, weil eben nicht alles wiedergegeben wurde, kann niemand sagen. Probleme ergeben sich beispielsweise bei Rücktrittsrechten, die an Bedingungen geknüpft sein können. Eine Zusammenfassung zu erstellen und dennoch über die Einhaltung der Bedingungen transparent zu informieren, dürfte manchen Händler vor unüberwindliche Hindernisse stellen. Im Ergebnis werden all diese Informationen, die ja schon im Text ohnehin auftauchen müssen, noch einmal – nur eben knapper formuliert – vorangestellt. Auch der Begriff „knapp“ schafft neue AGB-Parameter, die Grund für Abmahnungen bieten können.

Datenschutz in AGB?

Warum soll eigentlich der Datenschutz jetzt in den AGB aufgeführt werden? Jahrzehntelang gab es in AGB eine kleine Datenschutzklausel, bis die Gerichte dazu neigten, die Erwähnung von Datenverarbeitungen in den normalen AGB wie Einwilligungsklauseln zu behandeln. Da auch die Anforderungen an den Datenschutz und die Informationen dazu so deutlich gestiegen sind, dass heute die Datenschutzbestimmungen häufig länger und komplizierter sind als die Verkaufs-AGB, findet man solche Regelungen heutzutage nicht mehr in AGB. Jetzt sollen sie wieder hinein? Wie dies in knapper Form etwa bei Nutzung von 20 verschiedenen Trackern, Social Plugins, Scorings und Newslettern gelingen soll, bleibt unklar.

Insgesamt kürzere Fassung von AGB

Nahezu widersprüchlich wird es, wenn dann weiter im Entschließungstext gefordert wird:

  • Klar formulierte Zwischenüberschriften
  • und eine übersichtlichere Bezifferung
  • auch im Inhaltsverzeichnis zur leichteren Orientierung im Bedingungstext.
  • Leichte Lesbarkeit und Verständlichkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
  • Eine insgesamt kürzere Fassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Damit sollen also ein Inhaltsverzeichnis und Zwischenüberschriften Pflicht werden. Abgesehen davon, dass eine Gliederung und Zwischenüberschriften schon heute nach der Rechtsprechung bei längeren Texten praktisch Pflicht sind, da ansonsten die Transparenz verneint wird, ist schon lange im Gesetz geregelt, dass Mängel in Lesbarkeit bzw. Verständlichkeit zu Lasten des AGB-Verwenders gehen. Zudem gehen die Anforderungen dort über alles Erträgliche hinaus, wo man ohnehin nur äußerst knappen Platz zur Verfügung hat und meist auch keinen Raum für Zwischenüberschriften. Die Voranstellung zahlreicher Hinweise und damit deren Wiederholung dürfte auch nicht zu einer kürzeren Fassung beitragen.

Brancheneinheitliche Gliederung

Schließlich verlangt der Bundesrat noch eine „brancheneinheitlichen Gliederung“ zur besseren Vergleichbarkeit verschiedener Verträge. Dabei bleibt vollkommen unklar, wie sich die Branche definiert und ob Universalversender bzw. Händler dann die verschiedenen Gliederungen z. B. von Elektrobranche und Textilbranche aneinanderreihen dürfen.

Fazit:

AGB sollen kürzer werden und damit besser lesbar. Der dazu eingeschlagene Weg wird jedoch das Gegenteil bewirken. Vorgeschriebene Zeichengröße und Höchstzeichenzahl gehen an technischen Problemstellungen im eCommerce und den praktischen Anforderungen völlig vorbei. Schuld an der Länge von AGB ist vielfach der Gesetzgeber selbst, der etwa im Fernabsatz mehr als 20 Informationspflichten realisiert wissen will, die wegen der Beweisbarkeit in den AGB abgehandelt werden. Das gesamte Vorhaben geht an der Praxis vorbei und wirft vollkommen neue Rechtsfragen auf. Der Rechtsausschuss hatte übrigens die Entschließung abgelehnt. Dort wusste man warum.


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