25.01.2021 — Jasper Staben. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Natürlich sind Fehler unbeliebt, denn sie verursachen zusätzlichen Aufwand und kosten jede Menge Nerven. Doch was ist die Alternative? Sie probieren nie etwas Neues aus, es könnte ja schief gehen. Oder Sie tüfteln so lange an einer Idee herum, bis die Konkurrenz Ihnen zuvorgekommen ist. “Perfektion und Innovation schließen sich aus”, sagt Andreas Gebhardt, Experte für Fehlerkultur. Ohne Risikobereitschaft gibt es keine Innovation, ohne Fehler keinen Lerneffekt.
Unternehmen, die in Fehlern nicht nur lästige Nebenerscheinungen, sondern das Potenzial für eine kluge Veränderungspolitik erkennen, profitieren deshalb von dieser Einstellung. Pannen können nämlich auch zu großartigen Erfindungen führen: Eine vergessene Petrischale von Alexander Fleming fing beispielsweise an zu schimmeln – der Forscher entdeckte so das Penicillin und rettete damit bis heute Millionen Menschenleben. Dennoch wird in Deutschland vielerorts lieber nach Sündenböcken als nach Lösungen gesucht. Laut einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg landet Deutschland in puncto positive Fehlerkultur auf Platz 60. Lediglich Singapur schnitt schlechter ab, ein Land, in dem Ordnungswidrigkeiten bis heute ganz offiziell mit dem Rohrstock sanktioniert werden.
Dass sich hierzulande längst niemand mehr vor derartigen Sanktionen fürchten muss, ist offenbar noch nicht überall angekommen. Denn auch das Eingestehen von Fehlern geschieht, wenn überhaupt, höchst widerwillig – man denke etwa an das Sündenbock-Pingpong im Diesel-Skandal von 2015. „In Deutschland sind wir wenig risikobereit. Fehler werden sehr kritisch gesehen“, sagt Tabea Scheel, Arbeits- und Organisationspsychologin an der Europa-Universität Flensburg. „Alle haben Angst vor Fehlern und wollen sie vermeiden.“
Doch welche Konsequenzen hat diese Haltung in Unternehmen? Die Angst vor Fehlern wird zum Hemmschuh. Niemand traut sich mehr, etwas zu gestalten, neue Ideen einzubringen oder von etablierten Denkmustern abzuweichen. Angestellte berücksichtigen bei ihren Entscheidungen die Fehlerwahrscheinlichkeit und meiden daher neue und unbekannte Wege. Dieser Effekt wird besonders dann verstärkt, wenn gemachte Fehler mit negativen Konsequenzen für die verantwortliche Person verbunden sind. Denn der einfachste Weg, der Sanktionierung zu entgehen, ist es, erst gar keine Verantwortung zu übernehmen.
Liegt dennoch etwas Unvermeidliches an, dann sichern sich die Mitarbeiter*innen gleich mehrfach nach oben hin ab, lassen aber zuvor – sicherheitshalber – noch ein paar Kolleginnen und Kollegen drüber schauen. Durch die Angst vor Fehlern gehen also viel Zeit und Effizienz verloren, von Innovationskraft gar nicht zu reden.
Wie es besser geht, können wir zum Beispiel von den USA lernen. Dort gehört das Fehlermachen fast schon zum guten Ton. Einsicht ist schließlich der erste Schritt zur Besserung. Besonders im Silicon Valley herrscht der Mythos, man müsse nur genügend Fehler machen und irgendwann komme der Erfolg von allein. Viele der erfolgreichsten Unternehmerinnen und Unternehmer im Gründerparadies beschwören die Notwendigkeit früherer Fehler für den späteren Erfolg. In diesem Kontext wird oft Paypal-Gründer Max Levchin zitiert: „Das erste Unternehmen, das ich gegründet habe, ist mit einem großen Knall gescheitert. Das zweite Unternehmen ist ein bisschen weniger schlimm gescheitert, das dritte Unternehmen ist auch anständig gescheitert, aber das war irgendwie okay. Ich habe mich rasch erholt, und das vierte Unternehmen überlebte bereits. Nummer fünf war dann Paypal.“
Während sich amerikanische Unternehmen ein Duell um die lehrreichsten Fehler liefern, klammert man sich in Deutschland vielfach noch immer an den Mythos des unfehlbaren Genies. Der Arzt ist der Halbgott in Weiß und wenn ein Fußballer einen Fehler macht, wird er vom ganzen Stadion ausgepfiffen, obwohl jeder weiß, dass seine Leistung dadurch sicher nicht besser wird. Denn durch Idealisierung der Unfehlbarkeit steigern wir die Angst vorm Fehlermachen und nehmen uns gleichzeitig die Chance, das Innovationspotenzial von Fehlern kennenzulernen.
Bild: ilkercelik (Adobe Stock, Adobe Stock Standardlizenz)
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