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Fälschungsindustrie verursacht Milliardenschaden bei Unternehmen in Deutschland

04.01.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst und Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Für Unternehmen bedeuten sie einen Milliardenschaden, für den Verbraucher oft nur ein Kavaliersdelikt: Plagiate fügen allein Unternehmen in Deutschland einen Schaden von geschätzt etwa 56 Milliarden Euro1 jährlich zu.

Doch fast jeder zweite Verbraucher in Deutschland hat bereits oder würde noch ein gefälschtes Produkt kaufen – vor allem der niedrige Preis im Vergleich zum Original lässt die meisten von ihnen zugreifen.

Das Problem verschärft sich, denn die Produktfälscher werden immer professioneller, finden in einer globalisierten Welt mehr Absatzmöglichkeiten und werden dank Internet immer schneller und flexibler. Im Visier haben sie alle Bereiche: Maschinen, Konsumgüter wie Taschen, Schuhe oder Uhren, Medikamente sowie Autoteile und sogar ganze Autos sind nur einige Beispiele. Besonders betroffen ist die Automobilwirtschaft, in der 62 Prozent der Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren mit Verletzungen ihres geistigen Eigentums konfrontiert wurden. Im Maschinen- und Anlagenbau wurden 48 Prozent der Unternehmen Opfer von Produkt- und Markenpiraterie.

Im Kampf gegen Verletzungen geistigen Eigentums kommen die Unternehmen kaum hinterher: Die Fälschungsindustrie konfrontiert fast 60 Prozent der geschädigten Unternehmen bereits im ersten Jahr nach Einführung eines Produkts mit dessen Fälschung. Beinahe jedes zehnte Unternehmen findet bereits im ersten Monat ein Plagiat der eigenen Produkte auf dem Markt.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) für die 550 Unternehmen und 1.000 Verbraucher in Deutschland befragt wurden.

„Die Marke ‚Made in Germany‘ genießt weltweit Vertrauen und Anerkennung. Umso mehr kann sie durch Plagiate Schaden nehmen“, betont EY-Partner Stefan Heißner. „Denn der Schaden entsteht nicht nur durch den entgangenen Umsatz sondern auch durch die Reputation, die durch eine Schwemme an Plagiaten stark beschädigt werden kann. Wenn ein gefälschtes Produkt die hohen Erwartungen an eine etablierte Marke nicht erfüllt, schwächt es damit auch das Image der Marke – und letztlich das Unternehmen.“

Der Kampf gegen Plagiate gestalte sich schwierig, ergänzt Christian Götz, Leiter des Bereichs Intellectual Property (IP) Protection bei EY Business Integrity & Corporate Compliance. „Herstellung, Kauf und Vertrieb von Plagiaten werden häufig noch immer als Bagatelldelikte abgetan – also wird hemmungslos kopiert beziehungsweise gekauft. Gleichzeitig wird es Fälschern auch zunehmend leicht gemacht: Der Markt für Plagiate in China und Südostasien boomt und das Internet bietet kriminellen Netzwerken zusätzliche Gelegenheiten, gefälschte Produkte massenhaft und weltweit zu vertreiben.“

Viele Unternehmen schützen geistiges Eigentum zu wenig

Dennoch unternehmen viele Firmen zu wenig, um sich wirksam vor dem Diebstahl geistigen Eigentums zu schützen: 13 Prozent der Unternehmen investieren überhaupt nicht in den gezielten Schutz ihres geistigen Eigentums, jedes Vierte nur 10.000 Euro oder weniger jährlich.

Nicht nur bei den Investitionen hapert es: Die gesamte Firmenkultur ist in vielen Betrieben überhaupt nicht auf den Schutz ihres geistigen Eigentums ausgelegt. Jedes fünfte Unternehmen sensibilisiert seine Mitarbeiter zum Thema IP-Schutz gar nicht und nur jedes zweite informiert gezielt und schult seine Belegschaft regelmäßig. Wichtige Abteilungen werden unzureichend oder gar nicht in den Schutz des geistigen Eigentums eingebunden, darunter die IT-Abteilung, die nur von etwa einem Viertel der Unternehmen aktiv einbezogen wird. Dabei ist gerade Datendiebstahl ein bei Kriminellen beliebtes Mittel, um an sensible Firmeninformationen zu kommen – die dann möglicherweise zum illegalen Kopieren der Produkte verwendet werden.

„Mit der zunehmenden Digitalisierung in vielen Branchen steigen die Risiken, durch Cyberattacken beziehungsweise Hackerangriffe zum Opfer von Produktpiraten zu werden“, sagt Götz. „Ein hohes Risiko bleibt nach wie vor der Mensch: Ehemalige Mitarbeiter, Lieferanten oder Kunden, die Informationen an Dritte weitergeben. Und so mancher Lizenznehmer kopiert ebenfalls. Das zeigt: Unternehmen müssen sich umfassend vor Produktpiraten schützen. Doch gehen sie häufig zu leichtfertig mit dem Thema Intellectual-Property-Schutz um — viele der befragten Unternehmen weisen dem Schutz ihres geistigen Eigentums nur einen untergeordneten Stellenwert zu. Spezialisierte Abteilungen und Verantwortliche bleiben auch bei großen Unternehmen die Ausnahme.“

Die größte Gefahr lauert in China: 72 Prozent der betroffenen Unternehmen geben an, dass Fälschungen ihrer Produkte vorwiegend dort hergestellt werden. 39 Prozent hatten es bereits mit Fälschungen aus Südostasien zu tun und 36 Prozent mit Fälschungen aus Osteuropa. Doch gekauft werden die Fälschungen vor der eigenen Haustür: zwei von drei Unternehmen sehen die Europäische Union als Hauptabsatzmarkt der Fälschungsindustrie.

Jeder dritte Verbraucher hat bereits ein Plagiat erworben

Und die Verbraucher greifen bereitwillig zu, obwohl sie sich der Fälschung bewusst sind: Jeder Dritte hat bereits ein Plagiat erworben, jeder Siebte könnte sich vorstellen, künftig eines zu kaufen. Über die Hälfte der Käufer (55 Prozent) wusste bereits beim Kauf, dass es sich um ein Plagiat handelte, 18 Prozent hatten zumindest den Verdacht.

Aber beim Preis wurden die meisten schwach: Für 84 Prozent der Plagiatskäufer war der niedrige Preis ausschlaggebend. Immerhin jeder Fünfte gibt außerdem an, dass der Erwerb von Plagiaten für ihn kein Delikt darstellt. Nur wenn durch ein gefälschtes Produkt die eigene Sicherheit gefährdet würde – etwa wegen gesundheitlicher oder Unfallrisiken – würde sich eine große Mehrheit vom Kauf abhalten lassen.

„Unternehmen steht heute eine breite Palette an Instrumenten und Möglichkeiten zur Verfügung, um sich gegen Fälscher ihrer Marken und Produkte zur Wehr zu setzen. Ein wirksamer Schutz geistigen Eigentums setzt aber ein besseres Zusammenspiel voraus – sowohl innerhalb der Unternehmen als auch außerhalb mit Verbänden, Verbraucherschutz, Behörden und Politik. Dazu gehört auch die richtige Aufklärung von Geschäftspartnern und Verbrauchern über Unfall- und Gesundheitsrisiken durch Plagiate. Erst wenn ein stärkeres Bewusstsein in Unternehmen und der Gesellschaft für die Schäden durch Produkt- und Markenpiraterie geschaffen ist, lässt sich geistiges Eigentum wirksam schützen“, sagt Heißner abschließend.

1 Schätzung des entstandenen Schadens basierend auf den Angaben der Unternehmen und den Ergebnissen der Studie. Jedes zweite geschädigte Unternehmen der Chemiebranche und der Bergbau- und Metallindustrie und gut jedes dritte der Automobilwirtschaft erleidet beispielsweise nach eigenen Angaben einen jährlichen finanziellen Schaden von mindestens einer Million Euro.


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