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Fällen eines Baums als bauliche Veränderung?

16.08.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landgericht Berlin.

Das ersatzlose Fällen eines Baumes ist nur dann eine bauliche Veränderung, wenn der zu fällende Baum für die Gartenanlage prägenden Charakter hat.

WEG §§ 21, 22 Abs. 1

  1. Das ersatzlose Fällen eines Baumes ist nur dann eine bauliche Veränderung, wenn der zu fällende Baum für die Gartenanlage prägenden Charakter hat.
  2. Ist einer von drei Bäumen in der Gartenanlage eine neunzigjährige Roteiche mit einer Höhe von 28 m und einem Kronendurchmesser von 26 m, so ist von einem prägenden Charakter auszugehen.
  3. Sind weniger einschneidende, erfolgreiche Maßnahme gegen eine eventuelle Bruchunsicherheit gegeben, kommt ein Fällen nicht in Betracht und entspricht auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

LG Berlin, Urteil vom 02.02.2016 - 53 S 69/15 vorhergehend: AG Schöneberg, 25.06.2015 - 772 C 93/14

In dem Wohnungseigentumsverfahren ... hat die Zivilkammer 53 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2016 durch die Richterin am Landgericht ## als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 25. Juni 2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg - 772 C 93/14 - geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beschluss der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentumsanlage ##,Berlin, vom 22. September 2014 zu TOP 9b wird für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Kläger 53 % und die Beklagten 47 % zu tragen. Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

„Die Nachfrage nach Immobilien ist ungebrochen hoch. Für immer mehr Kaufinteressenten spielt der Wunsch Mietzahlungen zu vermeiden eine große Rolle“, so Weitz. „Allerdings sollten Darlehensnehmer darauf achten, dass die Immobilie und vor allem die Finanzierung zur Lebenssituation passen. Denn oftmals muss die Immobilie über Jahrzehnte abbezahlt werden und unvorhergesehene Lebensereignisse können die Finanzierung gefährden.“

Den Klägern steht der in der Berufung noch geltend gemachte Anspruch auf Ungültigerklärung des Beschlusses vom 22. September 2014 zu TOP 9b zu.

Das Gericht teilt nicht die amtsgerichtliche Auffassung, wonach die ersatzlose Fällung der Roteiche keine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG darstellt. Die Veränderung einer vorhandenen gärtnerischen Gestaltung des gemeinschaftlichen Grundstücks ist regelmäßig eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung realer Teile des Gemeinschaftseigentums und damit eine bauliche Veränderung, soweit sie über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung einer Gartenanlage in Form der üblichen Gartenpflege hinausgehen (Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 22 Rdn. 60 m.w.N.). Gemäß der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung ist zwar auch bei der ersatzlosen Fällung eines Baumes eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG nur dann anzunehmen, wenn der zu fällende Baum für die Gartenanlage prägenden Charakter hat (OLG Köln NJW-RR 1999, 1027, 1028; OLG Düsseldorf ZMR 2004, 527, 528; OLG Schleswig WuM 2007, 587-589; Niedenführ u.a., WEG, 11. Aufl., § 22 Rdn. 29). Hiervon ist aber entgegen der amtsgerichtlichen Auffassung bei der neunzigjährigen Roteiche mit einer Höhe von 28 m und einem Kronendurchmesser von 26 m auszugehen. Denn bei einem unstreitigen Laubbaumbestand von lediglich drei Laubbäumen auf dem streitgegenständlichen Grundstück (Buche, Kastanie und Roteiche) bestimmt die streitgegenständliche Roteiche den Charakter der Gartenanlage jedenfalls entscheidend mit, auch wenn die Buche im vorderen linken Grundstücksbereich dominierender sein mag. Das Erfordernis des prägenden Charakters eines Baumes kann nicht auf dessen beherrschende Stellung im Rahmen der Gartenanlage reduziert werden. Dies würde bedeuten, dass nur dieser Baum Bestandsschutz genösse. Eine mitbestimmende Prägung einer Gartenanlage ist vielmehr auch dann gegeben, wenn der Baum - wie vorliegend - von großem Wuchs und Teil eines nur drei Bäume umfassenden Laubbaumbestandes ist. In diesem Fall kann nicht mehr von einer untergeordneten Bedeutung des Baumes für die Gartenanlage ausgegangen werden.

Letztlich wird die Frage des Vorliegens einer baulichen Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG aber auch dahinstehen können. Denn auch bei Annahme einer fehlenden Prägung der Roteiche für die Gartenanlage mit der Folge einer fehlenden baulichen Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG wäre der Beschluss für ungültig zu erklären. Denn er entspräche dann jedenfalls nicht ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3, 4 WEG, da eine ordnungsgemäße Instandsetzung nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG in diesem Fall nicht vorläge (OLG Köln ZWE 2000, 320, 321; OLG Düsseldorf ZMR 2004, 527, 528).

Eine fehlende Standsicherheit haben weder die Naturschutzbehörde in ihrem Bescheid vom 14. August 2014 noch der Sachverständige ## in seinem Privatgutachten vom 17. September 2014, dessen Inhalt die Beklagten nicht angegriffen haben, behauptet. Danach ist lediglich die "Bruchsicherheit auf Dauer nicht gewährleistet." Nach den nicht bestrittenen Feststellungen des Gutachters ## kann dem aber durch die bereits im November 2014 erfolgte Kronenkürzung sowie den "Einbau einer dynamischen einfachen Kronengurtsicherung zwischen beiden Stämmen ...", die nach den gutachterlichen Feststellungen allerdings erst in 5 Jahren erforderlich werden wird, wirksam begegnet werden.

Es ist somit unstreitig eine weniger einschneidende, erfolgreiche Maßnahme gegen die Bruchunsicherheit gegeben. Eine Fällung ist derzeit nicht geboten.

Die beabsichtigte Fällung ist auch nicht vom Ermessensspielraum der Wohnungseigentümer im Rahmen des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG gedeckt. Zwar haben die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum. Die Instandsetzung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch grundsätzlich auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung gerichtet. Der den Wohnungseigentümern bei der Auswahl der Sanierungsmaßnahme zustehende Ermessensspielraum ist mithin nur dann gegeben, wenn mehrere gleichermaßen erfolgversprechende, den ursprünglichen Zustand wiederherstellende Sanierungsmaßnahmen zur Auswahl stehen. Die Beseitigung des Baumes ohne Ersatzanpflanzung stellt jedoch letztlich gar keine Instandsetzung des Baumes dar. Diese Maßnahme ist demzufolge im Rahmen des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, wenn von dem Baum eine Gefahr ausgeht und weniger einschneidende Gefahrenabwehrmaßnahmen als die Fällung nicht gegeben sind (OLG Köln ZWE 2000, 320, 321; Bärmann, aaO, § 21 Rdn. 113, § 22 Rdn. 60).

Diese Voraussetzungen sind hier gemäß den obigen Ausführungen ersichtlich nicht gegeben. In diesem Falle kann die Beseitigung des Baums auch nicht allein mit den in Zukunft anfallenden Kosten begründet werden. Ungeachtet dessen waren die konkreten - in Bezug auf die Bruchunsicherheit - erforderlich werdenden Kosten im Zeitpunkt der Beschlussfassung den Wohnungseigentümern auch gar nicht bekannt. Die im November 2014 - und damit nach der angefochtenen Beschlussfassung - erfolgte Kronenkürzung hat ca. 1.000 EUR gekostet. Nach den nicht angegriffenen gutachterlichen Feststellungen soll die Gurtsicherung der Krone erst in ca. 5 Jahren erforderlich werden. Welche Kosten dafür aufzuwenden sind, ist nicht vorgetragen. Insoweit lag bei Abstimmung auch keine ausreichende kostenmäßige Ermessensgrundlage für eine Abwägung zwischen etwaigen Instandsetzungsvarianten vor.

Für die beantragte Zulassung der Revision sieht das Gericht keine Veranlassung. Zum einen ist die Frage der Prägung der Roteiche für die Gartenanlage gemäß den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich. Zum anderen sähe sich das Gericht auch nicht in Widerspruch zur obergerichtlichen Rechtsprechung in dieser Frage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.



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