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EuGH stoppt Direktbeauftragung von Architekten: Wichtiges Grundsatzurteil zum Vergaberecht

22.03.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Rödl und Partner GbR.

Luxemburg betont Grundsatz "Ein Gebäude - eine Architektenleistung" // Planungsleistungen eines Architekten dürfen nicht künstlich aufgeteilt werden // Vergaberechtsexperte Holger Schröder: "Umgehung des europäischen Vergaberechts lohnt nicht"

Die abschnittsweise Beauftragung eines Architekten für ein und dasselbe Bauvorhaben stellt nur einen öffentlichen Auftrag dar und muss daher europaweit ausgeschrieben werden. Für die Ermittlung des für den EU-Schwellenwert maßgeblichen Auftragsvolumens sind die einzelnen Architektenhonorare zu addieren, nicht getrennt zu berechnen. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem Grundsatzurteil entschieden (Az.: C-574/10). Die Aufteilung in einzelne Bauabschnitte und eine separate Beauftragung mit Architektenleistungen, die isoliert betrachtet den EU-Schwellenwert unterschreiten würden, sind eine unzulässige Umgehung des europäischen Vergaberechts.

Der EuGH gab damit einer Klage der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland statt. Gegenstand waren die Architektenleistungen für die Sanierung einer Mehrzweckhalle im hessischen Niedernhausen. Sämtliche für das Bauvorhaben erforderliche Leistungen der Architekten wurden direkt und ohne europaweite Ausschreibung an ein und dasselbe ortsansässige Architekturbüro vergeben. Die Planungsaufgaben wurden von der Gemeinde den jeweiligen Bestandteilen der zu sanierenden Mehrzweckhalle zugeordnet und aus haushaltsrechtlichen Gründen in einzelne Bauabschnitte aufgeteilt. Der EU-Schwellenwert für die Vergabe freiberuflicher Dienstleistungen wurde wegen der „Zerstückelung“ der einzelnen Architektenleistungen in keinem der einzeln abgeschlossenen Planungsverträge erreicht.

„Der EuGH schiebt der verbreiteten Praxis der Aufteilung von Dienstleistungen zur Umgehung einer öffentlichen Vergabe endlich einen Riegel vor“, erklärt der Vergaberechtsexperte und Partner bei Rödl & Partner, Holger Schröder. „Gerade Architekten- und Ingenieurleistungen werden häufig ohne europaweite Ausschreibung vergeben. Dies geschieht oftmals nicht absichtlich. Häufig mangelt es nur an der nötigen Sensibilisierung und dem erforderlichen Problemverständnis bei den öffentlichen Auftraggebern. Die öffentliche Hand sollte hier umdenken. Denn eine Umgehung des Vergaberechts lohnt sich im Ergebnis nicht.“

Die Entscheidung über eine Ausschreibung steht und fällt mit der Schätzung des Auftragswertes. Liegt das Volumen über derzeit 193.000 bzw. 400.000 Euro, muss europaweit ausgeschrieben werden, weil das Projekt den förmlichen Vergaberegeln unterliegt. Hierbei wird in der Praxis häufig übersehen, dass auch mehrere Teilaufträge derselben Planungsleistung nur einen öffentlichen Planungsauftrag darstellen. So zählen zu einer vollständigen planerischen Leistung eines Architekten, der eine bauliche Aufgabe wie beispielsweise die Errichtung eines Gebäudes zu lösen hat, regelmäßig alle in der zur Honorarordnung für Architekten- und Ingenieure (HOAI) aufgeführten Leistungen wie Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung etc. Ob ein öffentlicher Auftraggeber hierzu die Architektenleistungen zeitgleich, abschnitts- oder losweise beauftragen möchte, ist für die Ermittlung des Auftragswertes unerheblich. Maßgeblich ist stets das Gesamthonorar für dieselbe freiberufliche Planungsleistung.

„Dem EuGH ist es mit seinem Urteil eindrucksvoll gelungen, das bei planerischen Leistungen in der Praxis bestehende „Ausschreibungsdefizit“ in das Bewusstsein der öffentlichen Hand zu rücken,“ betont Schröder.

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Quelle: Rödl & Partner

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