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Diskriminierung wegen des Alters

26.09.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht.

Das Anforderungskriterium "höchstens ein Jahr zurückliegender Studienabschluss" stellt keine direkte Diskriminierung Älterer dar, sondern kann in begründeten Einzelfällen gezielt gestellt werden, um eine ganz konkrete Bewerbergruppe anzusprechen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch des Klägers, der bei der Besetzung ausgeschriebener Stellen nicht berücksichtigt wurde.

Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen, das im Mai 2009 mehrere Stellen für ein auf ein Jahr befristetes Trainee-Programm in den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsinformatik und Jura ausschrieb. Unter den Anforderungskriterien benennt die Ausschreibung u.a.:

einen sehr guten Hochschulabschluss in einer der oben genannten Fachrichtungen, der nicht länger als 1 Jahr zurück liegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt (...)

qualifizierte, berufsorientierte Praxiserfahrung, z.B. durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit (...)

Der am 11. Mai 1973 geborene Kläger absolvierte 1999 die erste, 2001 die zweite juristische Staatsprüfung und ist seit August 2002 überwiegend als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Seine Erwerbstätigkeit unterbrach er im Jahre 2008, um in Stellenbosch (Südafrika) erfolgreich einen Studiengang mit dem Ziel eines Master of Laws zu absolvieren.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 25. März 2009 und erhielt am 19. April 2009 eine Absage. Daraufhin machte der Kläger mit Schreiben vom 11. Juni 2009 Ansprüche wegen Altersdiskriminierung, u.a. in Form einer Entschädigung in Höhe von 14.000,00 € geltend. Mit Schreiben vom 29. Juni 2009 lud die Beklagte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch am 07. Juli 2009 ein, weil ihm "bedauerlicherweise mit Datum vom 10.04.2009 aus Versehen eine automatisch generierte Absage erteilt wurde, die so nicht unseren Intentionen entsprach". Der Kläger lehnte die Einladung mit Schreiben vom 30. Juni 2009 ab und schlug stattdessen der Beklagten vor, die geltend gemachten Ansprüche zu erfüllen und dann "sehr rasch über meine Zukunft bei der A" zu sprechen.

Die Beklagte besetzte die Trainee-Stellen im Fach Rechtswissenschaften mit vier weiblichen Bewerberinnen.

Mit seiner Klage vom 08. September 2009 verfolgt der Kläger seine Ansprüche gerichtlich weiter, mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 und der Klageerweiterung vom 17. November 2010 hat er darüber hinaus auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts geltend gemacht.

(...)

Entscheidungsgründe

(...)

Der Vortrag der Beklagten, mit dem diese die an sich gegebene mittelbare Diskriminierung auf Grund des Alters rechtfertigen will, ist auch materiellrechtlich nicht ausgeschlossen, denn wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, ist der Zweck der Ungleichbehandlung bereits aus der Ausschreibung selbst in mehrfacher Hinsicht erkennbar:

  • Sofort zu Beginn des Textes macht dieser deutlich, dass es sich um "Karriere-Einstiegschancen" handelt, die die Beklagte anbietet. Bereits dadurch wird ersichtlich, dass Personen, die bereits über mehrere Jahre in einem Beruf gearbeitet haben, nicht zur Zielgruppe der Anzeige gehören, diese sich vielmehr an Berufsanfänger, mithin "Einsteiger" richtet, denen sie besondere Chancen bieten will.

  • Es wird ein "Trainee-Programm" angeboten und in der Folge beschrieben, das deutlich auf eine erstmalige berufliche Orientierung abstellt, die mit Hilfe von Stationen in verschiedenen Unternehmensbereichen und unter Betreuung und individueller Förderung durch einen "Paten" erleichtert werden soll.

  • Im Rahmen der Anforderungskriterien macht der Hinweis auf den kurz zurückliegenden oder noch bevorstehenden Studienabschluss ebenso wie die gewünschte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit deutlich, dass es der Beklagten auf Personen ankam, die gerade noch keine erhebliche Praxis in dem Beruf vorweisen können, dessen Voraussetzungen sie gerade erworben haben.

All dies macht einem aufmerksamen Leser der Ausschreibung bereits deutlich, dass die Beklagte damit das Ziel verfolgt, einem eingeschränkten Kreis von Absolventen eines rechtswissenschaftlichen Studiums die Möglichkeit zu bieten, im Rahmen eines einjährigen Programms praktische Erfahrungen in mehreren Tätigkeitsbereichen zu sammeln, um danach prüfen zu können, welche eingestellten Personen an welchen Arbeitsplätzen auf Dauer weiter beschäftigt werden können.

Die faktische Ungleichbehandlung von Bewerbern, deren Studienabschluss schon länger als ein Jahr zurückliegt und die nach der statistischen Wahrscheinlichkeit älter als solche mit nahem Examen sind, ist auch durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.

(...)

Allein die Tatsache, dass die Beklagte bei der Besetzung der hier umstrittenen Trainee-Stellen ausschließlich Frauen eingestellt hat, obwohl sich auch zahlreiche Männer beworben haben, ist keinesfalls aussagekräftig im Hinblick auf das allgemeine Einstellungsverhalten der Beklagten. Andere konkrete Anhaltspunkte, die über pauschale Vorwürfe hinausgehen, hat der Kläger hierfür nicht vorgetragen.

(...)

Hess. LAG, Urteil vom 16.01.2012, Aktenzeichen: 7 Sa 615/11 (in Auszügen)

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