06.02.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst & Young GmbH.
Zwei von drei Unternehmen nutzen Photovoltaik, fast sechs von zehn haben auf Grünstrom umgestellt. Deutschlands Unternehmen haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um ihren Energieverbrauch und CO2-Ausstoß zu reduzieren – und das obwohl die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland aus Unternehmenssicht deutlich zu wünschen übrig lassen.
Fast drei von vier Unternehmen haben ihre Beleuchtung auf LED umgestellt, 58 Prozent haben Renovierungsmaßnahmen an den Büro- oder Produktionsgebäuden vorgenommen, immerhin etwas mehr als die Hälfte nutzt Wärmerückgewinnung, etwa ebenso viele Abwärme. Im Schnitt wollen Unternehmen damit ihren Energieverbrauch um 22 Prozent reduzieren. Obendrein haben 66 Prozent der Unternehmen ihre Energieversorgung teilweise auf Photovoltaik umgestellt, 58 Prozent nutzen Grünstrom, 37 Prozent die Wärmepumpentechnologie.
Die Reduzierung des Energieverbrauchs und die Umstellung auf alternative Energieträger sind wichtige Bestandteile der Dekarbonisierungsstrategien deutscher Unternehmen – von denen sich einige sehr ambitionierte Dekarbonisierungsziele gesteckt haben: 46 Prozent planen, klimaneutral („net zero“) zu werden, 16 Prozent wollen sogar klimapositiv werden.
Allerdings tun sich viele Unternehmen schwer, ihre Ziele in die Tat umzusetzen: Bürokratische Vorschriften und teilweise sehr lange Genehmigungsverfahren, über die etwa drei Viertel der Unternehmen klagen, sind nach Unternehmensangaben besonders große Hindernisse. Hohe Energiepreise stellen für deutlich weniger Unternehmen – 63 Prozent – eine große Hürde dar. Hohe Investitionskosten bzw. die schwierige Finanzierung von Dekarbonisierungsprojekten bereiten 57 Prozent größere Probleme. Die mangelnde Verfügbarkeit von Technologien ist für 50 Prozent der Unternehmen eine große Hürde, fehlendes Know-how im Unternehmen für 42 Prozent.
Eine Möglichkeit, den Standortnachteilen Deutschlands in Sachen Dekarbonisierung zu begegnen: stärker im Ausland produzieren oder gar Produktion von Deutschland ins Ausland verlagern. Eine Verlagerung ins Ausland fasst gut jedes achte Unternehmen (13 Prozent) ins Auge.
Das sind Ergebnisse einer Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY, für die im Herbst 2023 insgesamt 201 Unternehmen befragt wurden, von denen 30 Prozent einen Jahresumsatz von mehr als 1 Milliarde Euro aufweisen. Im Durchschnitt verfügen die befragten Unternehmen über 46 Standorte.
Nur jedes fünfte befragte Unternehmen hält Deutschland für einen attraktiven Standort, wenn es um die Dekarbonisierung von Produktionsstätten geht. Skandinavische Länder führen mit 28 Prozent der Nennungen das Ranking an, neun Prozent bezeichnen Nordamerika als attraktivste Region.
„Wenn nur jedes fünfte hierzulande tätige Unternehmen die Rahmenbedingungen in Deutschland als attraktiv bezeichnet, sollte uns das zu denken geben“, sagt Simon Fahrenholz, Partner bei EY und Leiter der Nachhaltigkeitsberatung im Geschäftsbereich Strategy and Transactions. Allerdings zeige die Befragung auch, dass kein Land bzw. keine Region weltweit als eindeutig führend angesehen werde – auch nicht die USA, die mit dem Inflation Reduction Act ein sehr attraktives und erfolgreiches Förderprogramm aufgelegt hätten. „Eine Verlagerung der Produktion ist für die meisten Unternehmen kein Thema, weil der Aufwand zu groß ist. Wenn es allerdings um einen Neuaufbau einer dekarbonisierten Produktion geht, droht Deutschland ins Hintertreffen zu geraten.“
Die Befragung belegt zudem, dass der größte Hemmschuh nicht etwa die vielfach kritisierten hohen Energiekosten in Deutschland sind, sondern bürokratische Hürden. „Ein Industrieunternehmen, das mal eben auf der Brachfläche nebenan ein Photovoltaikmodul installieren möchte, muss erfahrungsgemäß eine mehrjährige Odyssee durch verschiedene Ämter durchlaufen, Gutachten erstellen lassen, Prüfungen durchführen und Genehmigungen einholen – mit ungewissem Ausgang“, berichtet Fahrenholz. „Wir stehen uns mit der Komplexität unserer Verwaltungsabläufe und Regulierungen oft selbst im Weg“, ergänzt Florian Huber, Partner bei EY und Leiter von EYCarbon. „Der Wille der Wirtschaft, erhebliche Anstrengungen zur Dekarbonisierung zu unternehmen, ist zwar auf jeden Fall da – in der Realität ist aber schon so manchem Unternehmer sein Klimaenthusiasmus im Behördendschungel abhandengekommen.“
Immerhin: Die Verantwortung für die Umsetzung der Dekarbonisierung mehrheitlich – bei 79 Prozent der Unternehmen – beim Management. 62 Prozent der Unternehmen haben Nachhaltigkeitsverantwortliche ernannt, in 41 Prozent kümmert sich ein Projektteam um das Thema. Bei gut der Hälfte der Unternehmen führen die Anstrengungen zur CO2-Einsparung zu einem Stellenaufbau: 54 Prozent haben neue Stellen bzw. Positionen geschaffen.
Drei von vier Unternehmen verfügen zudem über „Action Plans“ zur Umsetzung ihrer Ziele, zwei Drittel überwachen die Umsetzung anhand vorab definierter Kennzahlen. Unternehmen, die das Thema besonders ernst nehmen, haben zudem ihre Ziele von SBTi (Science Based Targets initiative ) validieren lassen: Von den Unternehmen, die sich kurzfristige Dekarbonisierungsziele (bis 2035) gesetzt haben, haben 45 Prozent diese Ziele von SBTi prüfen lassen.
„Trotz aller bislang unternommenen Aktivitäten – es ist fraglich, ob die gesetzten Ziele ausreichen und ob nicht größere Veränderungen nötig wären“, sagt Huber. In vielen Fällen wurden bislang etwa bei der Energieeinsparung eher einfach umzusetzende Maßnahmen ergriffen – etwa die Umstellung der Beleuchtung auf LED. „Eine echte Dekarbonisierung der Produktion muss aber viel weiter gehen.“ Vor allem begnügen sich viele Unternehmen damit, Emissionen, die von ihnen selbst unmittelbar verantwortet werden, zu reduzieren, statt ihre gesamte Lieferkette – also auch die Zulieferer – zu betrachten, bemängelt Huber. So beziehen sich bei 95 Prozent der Unternehmen, die ein kurzfristiges Dekarbonisierungsziel formuliert haben, auf den begrenzten Emissionsbereich „Scope 1 und Scope 2“, Nur 36 Prozent der Unternehmen berücksichtigen auch Scope-3-Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette. Diese entstehen beispielsweise bei Zulieferern, die Material für Produkte herstellen oder auch durch Abfall. „Die Mehrzahl der Unternehmen erfasst die Scope-3-Emissionen nicht und berücksichtigt sie nicht in den Klimazielen – obwohl hier der größte Hebel besteht“, sagt Huber.
Zudem würden seiner Erfahrung nach viele Unternehmen bei ihren Dekarbonisierungsstrategien vor allem auf neue Technologien und Maschinen setzen und die Bedeutung des Themas Kreislaufwirtschaft unterschätzen: „Es lassen sich oft enorme Effekte erzielen, wenn Unternehmen sich um die gezielte Rücknahme, Überarbeitung, Aufwertung und Rückgabe ihrer Produkte kümmern. Derartige Initiativen sind zudem deutlich weniger kapitalintensiv – erfordern aber eine tiefgehende Analyse der eigenen Lieferkette.“
In der Befragung gaben 79 Prozent der Unternehmen an, ihre Dekarbonisierungsanstrengungen aus dem Eigenkapital zu finanzieren – 62 Prozent nutzen (auch) öffentliche Fördermittel. Fahrenholz erklärt die relativ zurückhaltende Nutzung von Fördermitteln mit dem hohen Aufwand, der mit der Beantragung verbunden sei: „Viele Unternehmen, aber auch Kreditgeber, wissen zum einen gar nicht, welche Töpfe zur Verfügung stehen. Aber selbst wenn: Der Beantragungsprozess ist meistens extrem langwierig und komplex. Auch Großkonzerne können das oft nicht selbst stemmen, sondern müssen auf spezialisierte Berater zurückgreifen.“ Das Resultat: „Gerade dem Mittelstand entgehen Milliarden an potenziellen Fördermitteln“, so Fahrenholz.
Hier können Sie die Studie kostenlos bestellen.
Bild: Los Muertos Crew (Pexels, Pexels Lizenz)
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