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BREXIT und die Rechtsfolgen

10.04.2017  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die britische Regierung hat am 29.03.2017 offiziell den Austritt von Großbritannien aus der EU erklärt. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN liefert eine erste Einschätzung aus rechtlicher Perspektive mit Tipps, wo Sie vorzeitig handeln sollten.

Neun Monate hat es gedauert, bis jetzt die britische Erklärung nach dem Referendum am 23.06.2016 in die formelle Austrittserklärung aus der Europäischen Union mündete. Die nationale Selbstbestimmung soll wiederhergestellt werden. „Großbritannien will, dass die Europäische Union Erfolg hat…“, heißt es im Austrittsschreiben der Briten. Auch wenn man in London eher am kürzeren Hebel sitzt, benötigt eine Einigung schon die Zustimmung beider Lager. Längst hat das Schachern um den Preis des Austritts und der Regelungen für den künftigen Handel begonnen. Eine „besondere Partnerschaft“ ist seitens der Briten angestrebt.

Landesgrenzen, Arbeitnehmer, Zölle und Steuern

Neben Sonderproblemen, wie dem Streit zwischen Spanien und Großbritannien um Gibraltar, drohenden neuen Schlagbäumen zwischen Nordirland und Irland und schottischen Unabhängigkeitsreferenden, der Furcht von EU-Bürgern in Großbritannien (insgesamt ca. 3,3 Mio.) und Briten in der EU (ca. 900 Tsd. – 1,2 Mio.), fürchten natürlich auch der Handel und die Wirtschaft um ihre Geschäfte. Sollten Zölle Einzug halten, dürfte das nicht nur die Autoindustrie und Landwirtschaft treffen. Völlig unklar ist, welche Sicherheits- und Umweltanforderungen künftig für Produkte gelten sollen, die nach Großbritannien exportiert werden sollen. Immerhin 8 % des Exportvolumens der EU gehen an die Briten. Dort droht allerdings die Beeinträchtigung von fast der Hälfte des Geschäfts. Ob ein weitreichendes Freihandelsabkommen mit ausgleichenden Regelungen zur Steuerpolitik und Finanzmarktregulierung in der Kürze der Zeit von bisherigen Partnern und künftigen Rivalen auf die Beine gestellt werden kann, darf bezweifelt werden. Drohende Töne kündigen für den Fall des Scheiterns schon eine Abwendung vom EU-Markt an. Und das dürfte Handelsbarrieren in Gestalt von Zöllen und Einfuhrsteuern bedeuten und auch Lieferzeiten dürften betroffen sein.

Jedenfalls kann zurzeit niemand valide Aussagen treffen, wie sich der künftige Handel gestalten wird. Nach vielen Prognosen dürfte Großbritannien den Status eines Drittlandes nach den WTO-Regelungen (Welthandelsorganisation) erhalten und damit aus dem EWR fallen. Art. 50 des EU-Vertrages regelt den Austritt und droht in Abs. 3:

„Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr…“.

Kommt es also nicht zur Einigung, verliert Großbritannien seinen EU-Status. Vorläufige Rettung kann dann der Nachsatz in der Regelung bringen:

„…es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.“

20.000 Regelungen betroffen

Insgesamt sind etwa 20.000 rechtliche Regelungen betroffen, davon allein 17.105 EU-Verordnungen, die auf einen Schlag ihre Gültigkeit für Großbritannien verlieren können. Nach Angaben der Zeitschrift „Die Zeit“ schafft man in Großbritannien gerade mal 2.000 neue Regelungen pro Jahr. Überall dort, wo es praktikabel sein soll, soll bei den Briten das gleiche Recht wie zuvor gelten, ließ die Politik zunächst beruhigend verlauten. Doch auch dort gibt es andere Ansichten: „Great Repeal Bill“ nennt sich ein großes Aufhebungsgesetz, mit dem sich der Brexit-Minister David Davis von unerwünschten EU-Vorschriften teils mit Vollmachten ohne Zustimmung des Parlaments verabschieden will. Dazu müssten die aber alle geprüft werden. Dazu dürfte die Zeit knapp werden.

Positive Seiten

Der Brexit wird jedoch nicht nur negativ gesehen. Manche Cross-Border-Händler begrüßen den Austritt, da es aufgrund der vielfältigen EU-Regelungen und bürokratischer Hemmnisse teils leichter ist, in Nicht-EU-Länder zu liefern. Ein Beispiel ist der zollfreie Whisky. Schokolade wird dann schon wieder mit 38 % beaufschlagt. Andere hoffen auf mehr Schutz für den Handel in der EU, wenn etwa eine dortige Steuerfreiheit für Schutzbekleidung den britischen Wettbewerb begünstigt.

Datenschutzprobleme

Eine Schlechterstellung von Anbietern in Großbritannien dürfte sich beim Datenschutz ergeben. Datentransfers dorthin gestalten sich dann als komplex und sind grundsätzlich nur mit Einwilligung zulässig. Eventuell müsste eine Vereinbarung wie der Privacy Shield mit Großbritannien her.

Schutzrechte in Großbritannien anmelden

Auch bereits begründete Rechte, die Ausstrahlung nach Großbritannien haben, wie die EU-Marke, sehen einem ungewissen Schicksal entgegen. Die Marken von EU-Anmeldern werden sicherlich innerhalb der EU Gültigkeit behalten. Denkbar ist natürlich auch eine Abrede über die weitere Geltung der Unionsmarkenverordnung auch in Großbritannien über den Zeitpunkt des Ausscheidens hinaus. Gleiches gilt für andere Schutzrechte, wie Designs oder Patente. Bereits jetzt empfiehlt es sich, über rechtzeitige gesonderte Anmeldungen in Großbritannien nachzudenken, um damit, je nach künftiger Rechtsentwicklung, Lücken entgegenzutreten. Schlimmstenfalls ergattern sonst Markenjäger und Wettbewerber durch blitzschnelle und bereits vorzeitig vorbereitete Anmeldungen das Schutzrecht, wenn etwa Nacht- und Nebelverhandlungen nicht rechtzeitig zu Ende gebracht werden.

Britische Limited in Gefahr

Nach Alternativen sollten auch Händler Ausschau halten, die eine britische Limited mit ihren niedrigen Anforderungen an das Mindestgesellschaftskapital zur Geschäftsabwicklung nutzen. Die Niederlassungsfreiheit, mit der der Europäische Gerichtshof die Briefkastenfirmen akzeptierte, gilt nach dem vollendeten Brexit nicht mehr für Großbritannien. Eintragungen als Niederlassung in EU-Handelsregistern dürften dann nicht mehr möglich sein und bestehende könnten gelöscht werden.

Schenkungs- und Erbschaftssteuern

Auch die Schenkungen und Vererbung von Gesellschaftsanteilen mit Sitz in Großbritannien dürften steuerlich nicht mehr begünstigt werden. Damit entfallen Vorteile der Steuerbefreiung bis zu 100 %. Das kann auch Betriebsstättenvermögen betreffen. Hier sind Umstrukturierungen zu prüfen. Umzugspläne nach Großbritannien sollten steuerlich geprüft werden. Teils ist der Zug schon abgefahren, da steuerliche Sperrfristen rückwirkend bis zu sieben Jahre gelten können. Auch sonstiger Grund und Boden, wie etwa Ferienwohnungen sollten auf vorzeitige Übertragungsmöglichkeiten hin abgeklopft werden.

Fazit

Vordergründig läuft eine Frist von zwei Jahren. Während man sich in steuerlicher Hinsicht sehr frühzeitig um Rat bemühen sollte, können andere Problempunkte warten. Allerdings sollte eine schnell umzusetzende Lösung bis zum Ende der nächsten zwei Jahre im März 2019 bereitstehen. Bis zu zehn Jahre könnte es nach Einschätzung eines britischen Politikers dauern, bis neue Verträge ausgehandelt sind, wenn man sie denn will. Veto-Politiker werden sich auf beiden Seiten des Verhandlungstisches genug finden lassen. Einigend dürfte der Druck eines denkbaren Auseinanderbrechens des Vereinigten Königreichs, aber auch der EU wirken. Verdichten werden sich die Signale angesichts der Mammut-Aufgaben und nach den Gesetzen der politischen Dramaturgie wahrscheinlich erst gegen Ende der jetzt gestarteten Zweijahresfrist.


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