Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Betriebsratsseminar zum Thema Burn-out

28.11.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Arbeitsgericht Essen.

Das Arbeitsgericht Essen entschied vor einiger Zeit zugunsten des Betriebsrates einen Fall, in dem es um die Berechtigung einer Teilnahme an einem Seminar zum Thema „Burn out“ ging. Der Arbeitgeber verweigerte sich zuvor dem Wunsch des Betriebsratsmitglieds, an dem Seminar teilzunehmen.

Leitsätze:

Für die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulung zum Thema "Burn-out" nach § 37 Abs. 6 BetrVG ist es ausreichend, wenn der Betriebsrat darauf verweisen kann, dass ihn Beschäftigte mehrfach auf eine bestehende Überforderungssituation angesprochen haben. Die Existenz einer vom Arbeitgeber eingerichteten telefonischen Beratungsstelle führt nicht dazu, dass eine Schulung des Betriebsrates zu Themen des Gesundheitsschutzes nicht erforderlich ist. Verhandlungen des Arbeitgebers mit dem Gesamtbetriebsrat zu Themen des Gesundheitsschutzes stehen der Erforderlichkeit der Schulung von Mitgliedern des örtlichen Betriebsrates zum Thema "Burn-out" nicht entgegen.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, das Betriebsratsmitglied V. in der Zeit vom 17.10. - 21.10.2011 für die Teilnahme an der Schulung "Burn-out im Unternehmen - Der Betriebsrat als Berater" von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung und unter Übernahme der Kosten des Seminars und der Fortzahlung der Bezüge freizustellen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Erforderlichkeit der Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Schulung zum Thema "Burn-out im Unternehmen".

Unter dem 10.01.2011 traf der Betriebsrat den Beschluss, das Betriebsratsmitglied M. in der Zeit vom 17.10. bis 21.10.2011 zu dem Seminar "Burn-out im Unternehmen - Der Betriebsrat als Berater" zu entsenden, das in Willingen/Sauerland stattfinden wird. Herr M. ist freigestelltes Betriebsratsmitglied, dem intern die Betreuung diverser Regionalfilialen im Ruhrgebiet und Bergischen Land und verschiedener Betriebsbereiche wie etwa Banking Service und Payment übertragen ist, so dass er als Ansprechpartner des Betriebsrates für die dort beschäftigten Mitarbeiter dient. Er ist seit Mai 2011 Mitglied im Gesundheitsausschuss.

Die Arbeitgeberin lehnte am 12.01.2011 die Übernahme der Schulungskosten und Freistellung des Betriebsratsmitglieds für die Teilnahme an der Schulung unter Fortlaufen der Bezüge ab. Sie verwies zur Begründung auf die im letzten Jahr erfolgte Schulung des Betriebsratsmitgliedes Frau I. zum selben Thema und das sogenannte "Employee Assistance Program (EAP)". Dieses beinhaltet das Angebot einer telefonischen Beratung und Unterstützung für Mitarbeiter durch einen externen Anbieter.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass die Schaffung von Fachkompetenz in Gesundheitsfragen und speziell zum Thema "Burn-out" innerhalb des Betriebsrates erforderlich sei. Die Existenz eines telefonischen Beratungsservice führe nicht dazu, dass es in diesem Bereich keine Spielräume mehr gebe, aktiv zu werden. Gerade Herr M. in seiner Eigenschaft als erster Ansprechpartner für eine Vielzahl von Beschäftigten und nunmehr auch Mitglied des Gesundheitsausschusses müsse in der Lage sein, auf Anliegen von Betroffenen, die auch in der Vergangenheit bereits an ihn herangetragen wurden, kompetent reagieren zu können. Zudem sei es auch Aufgabe des Betriebsrates im Rahmen des § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG, konzeptionell zu arbeiten, insbesondere über Gestaltungsmöglichkeiten im Betrieb zu verhandeln, die Überforderungssituationen von Beschäftigten vermeiden helfen. Auch im Rahmen der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements spiele die mit "Burn-out" beschriebene Gesundheitsgefährdung eine zunehmende Rolle.

Auf ein etwaiges Fachwissen der Betriebsratskollegin I. müsse er sich nicht verweisen lassen.

Die Arbeitgeberin war der Auffassung, dass aufgrund der Existenz des EAP ein Schulungsbedarf nicht bestehe. Betroffenen Beschäftigten, die sich an den Betriebsrat wenden, könne durch die Weiterleitung der Probleme an den externen Anbieter, der auch über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, ausreichend geholfen werden. Auch könne der Betriebsrat selbst den Service bei Informationsbedarf nutzen. Eine interne Schulung durch den externen Anbieter werde voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres stattfinden und sei wegen der größeren Nähe zum Betrieb deutlich besser geeignet, den Betriebsrat in seiner Rolle als Ansprechpartner und Vermittler zu schulen.

Die Arbeitgeberin ist gem. § 40 Abs.1 BetrVG verpflichtet, die aus der Teilnahme des Betriebsratsmitglieds M. resultierenden Schulungskosten zu tragen, da der Betriebsrat das auf der Schulung zum Thema "Burn-out im Unternehmen" vermittelte Wissen für seine Tätigkeit benötigt.

Die Schulung "Burn-out im Unternehmen" vermittelt Fachwissen in einem Bereich, der zum Aufgabengebiet eines örtlichen Betriebsrates gehört. Das mit dem Begriff "Burn-out" umschriebene im Arbeitsleben auftretende Phänomen ist in mehrfacher Hinsicht Thema für die Betriebsratstätigkeit.

Nach den Ausführungen des Betriebsratsmitglieds M. im Anhörungstermin wird dieser von Mitarbeitern seines "Zuständigkeitsbereichs" bis zu 4 bis 5 mal im Monat auf die Thematik "Burn-out" oder zumindest auf erlebte Überlastungssituationen angesprochen. Dies mag auch darauf zurückzuführen sein, dass der Begriff des "Burn-out" ähnlich wie das "Mobbing" aufgrund der zunehmenden Wahrnehmung in der gesellschaftlichen Diskussion teilweise inflationär verwandt wird. Dies ändert aber nichts daran, dass der Betriebsrat und konkret das Betriebsratsmitglied M. in der Situation ist, sich mit den Arbeitnehmern, die ihre Belastungssituation schildern und Gesundheitseinschränkungen fürchten, auseinander zu setzen und in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit die konkreten Arbeitsbedingungen hierfür verantwortlich sein können. Folglich besteht ein ausreichend konkreter Anlass für eine Schulung zu diesem Thema.

Das Argument der Arbeitgeberin, dass sich die Auseinandersetzung mit diesem Fachthema mit der Einrichtung des Beratungsservice durch einen externen Anbieter, dem sog. EAP, erledigt habe, überzeugt nicht. Mit dem Hinweis, dass sich die Funktion des Betriebsrates auf die Vermittlung Betroffener an die GesundheitsService GmbH beschränken solle, verkennt die Arbeitgeberin den Gestaltungsspielraum, den § 87 Abs.1 BetrVG dem Betriebsrat einräumt. … Ein Beratungsservice, den die Arbeitgeberin eingerichtet hat, macht diese Aufgabe des Betriebsrates nicht obsolet.

Quelle: Arbeitsgericht Essen, 3 BV 29/11

nach oben