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bAV-Reform: „Versorgungslohn ist ebenso wichtig wie Barlohn – das muss in den Köpfen ankommen“

10.05.2017  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Towers Watson GmbH.

Wie eine starke Alterssicherung funktioniert, ob die Reine Beitragszusage ein Renner oder Ladenhüter wird und welche Bedeutung der Versorgungslohn hat – Antworten von Dr. Reiner Schwinger, Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson:

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Update betriebliche Altersversorgung
  • Auswirkungen des Betriebs­rentenstärkungsgesetzes 2018
  • Erhöhung der AG-Attraktivität durch bAV
  • Vertiefende arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und sozial­versicherungsrechtliche Handhabung der bAV

Am 27. und 28. April steht die Stärkung der Renten erneut auf der Agenda des Bundestags. Zuvor hatte sich gezeigt, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Betriebsrenten (bAV) aus Sicht vieler Experten nachgebessert werden muss – so das Resultat der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 27. März 2017. Welche Überlegungen werden nun diskutiert und wie sind sie einzuschätzen? Aus der Sicht des bAV-Experten antwortet Dr. Reiner Schwinger, Nordeuropa-Chef des Beratungsunternehmens Willis Towers Watson.

Nur eine starke gesetzliche Rente hilft gegen Altersarmut, sagt Die LINKE*. Wie sehen Sie das?

Wichtig ist ein starkes Zusammenspiel von betrieblicher Altersversorgung und gesetzlicher Rente. Internationale Studien zeigen, dass die Sicherung des Auskommens in den Ländern am solidesten ist, wo sie auf zwei stabilen Säulen – der bAV und der gesetzlichen Rente – ruht.

Beide Säulen decken dabei unterschiedliche Funktionen ab: Die gesetzliche Rente soll eine Mindestsicherung im Alter bieten – insbesondere für Menschen, die z.B. als Geringverdiener oder aufgrund gebrochener Erwerbsbiografien nur wenig Chancen haben, privat oder betrieblich für ihr Alter vorzusorgen. Für das, was darüber hinausgeht, ist überproportional die bAV zuständig. Sie bietet aufgrund des kollektiven Sparvorgangs deutliche Kosten- und Effizienzvorteile gegenüber dem privaten Sparen.

Die Grünen schlagen vor, eine Pflicht zur bAV für Unternehmen und einen bAV-Staatsfonds einzuführen – halten Sie das für brauchbare Lösungen?

Die Grünen wollen die Bedingungen für eine betriebliche Altersversorgung deutlich verbessern – das halte ich für richtig. Aber ich würde dafür andere Wege vorschlagen. Ein Obligatorium, also den Zwang zur bAV, braucht es nicht und es hilft auch nicht. Der jüngst verliehene Deutsche bAV-Preis hat gerade wieder einmal gezeigt, dass viele Unternehmen ihren Mitarbeitern bereits sehr gute Pensionspläne anbieten – ohne Zwang. Wichtiger wäre es, die für Unternehmen heute relevanten bAV-Stolpersteine aus dem Weg zu räumen – aber dafür hilft ein Obligatorium nicht. Last but not least: Dass ein Staatsfonds effizienter und kostengünstiger arbeitet als die Pensionseinrichtungen, die sich dem Wettbewerb auf dem freien Markt stellen – das müsste man erstmal zeigen.

Einige Neuerungen der bAV-Reform sind an eine Tarifbindung gekoppelt. Dies wurde in der Experten-Anhörung des Bundestags vielfach kritisiert. Wie sehen Sie das?

Dieser Punkt wurde auch schon von den Bundesratsausschüssen kritisiert. Grundsätzlich können aber über Tarifverträge durchaus Standards gesetzt und eine gewisse Flächendeckung erreicht werden.

Gerade die bAV fußt aber auf einer starken betrieblichen Tradition. In der Vergangenheit gingen die betrieblichen Impulse zur Weiterentwicklung der bAV den tariflichen Entwicklungen häufig voraus. Im Zusammenspiel der Betriebsparteien wurden beeindruckende, kluge und zukunftsweisende bAV-Modelle entwickelt – das sollte nicht übersehen werden.

Wird die Reine Beitragszusage ein Renner oder ein Ladenhüter?

Das kommt ganz darauf an, wie die Tarifpartner sie gestalten und umsetzen. Unternehmen werden nur Lösungen wählen, die ökonomisch sinnvoll sind (d.h. bei denen der angedachte Risikopuffer am Ende nicht teurer ist als die herkömmlichen Garantien) und die betrieblichen Interessen angemessen berücksichtigen.

Die Reine Beitragszusage kann meines Erachtens nur dann ein Erfolg werden, wenn sie gerade nicht zu „pay and forget“ führt, bei denen sich die Betriebspartner gemeinsam aus der Verantwortung stehlen, sondern wenn Unternehmen ihre treuhänderische Verantwortung für die Pensionsgelder ihrer Mitarbeiter sorgsam erfüllen. Genauso sieht eine gute Governance in der Praxis in den angelsächsischen Ländern, wo reine Beitragszusagen (Defined Contribution) schon lange Tradition haben, aus. (Ansonsten entstehen auch neue Haftungsrisiken.)

Werden Arbeitnehmer sich für eine bAV ohne Garantien erwärmen können?

Arbeitnehmer in Deutschland kommen aus einer Welt der bAV-Garantien. Daher muss man gut erklären, welche Vorteile eine Reine Beitragszusage ohne Garantien für sie bietet. Dieser Change-Prozess wurde in den angelsächsischen Ländern bereits gemeistert; er wird auch für Deutschland zu meistern sein. Allerdings sollte der Kommunikationsbedarf hierfür nicht unterschätzt werden. bAV ohne Garantien wird nur dann ein Renner werden, wenn Unternehmen auch ihre Mitarbeiter „mit auf den Weg nehmen“.

Eine auskömmliche Rente für alle – wie kann das funktionieren?

Wie schon gesagt, gut funktionierende Alterssicherungssysteme beruhen auf einer stabilen gesetzlichen Rente und einer gut ausgebauten bAV.

Darüber hinaus sehe ich zwei weitere wesentliche Erfolgsfaktoren:

  1. Gute Erwerbsbiografien stärken Alterssicherung: Sowohl gesetzliche Rente als auch bAV fußen auf dem Verdienst der Mitarbeiter in ihrem Berufsleben. Werden also die Voraussetzungen für erfolgreiche Erwerbsbiografien verbessert, wird damit gleichzeitig die Alterssicherung gestärkt.
  2. Versorgungslohn immer mitdenken: Versorgungslohn, also bAV, ist ebenso wichtig wie Barlohn – dieser Gedanke muss in den Köpfen von Mitarbeitern, Unternehmensleitung und Tarifparteien verankert werden. So ließe sich etwa vereinbaren, dass ein Teil jeder Gehaltserhöhung direkt für die bAV eingesetzt wird – so lange, bis die Versorgungsbeiträge einen bestimmten Zielwert erreicht haben. Würde dieses Prinzip konsequent umgesetzt, würde der Ausbau der bAV sehr schnell vorangehen.

Mit Blick auf Ihre Kunden – was für eine bAV-Reform würden Sie sich wünschen?

Die bAV-Reform sollte auch die Stolpersteine für die schon bestehende bAV beseitigen. Die Unternehmen, die heute schon eine bAV anbieten, erwarten hier zuerst:

  • Die Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge auf die bAV in der Rentenbezugsphase
  • Die Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses für Direktzusagen (§ 6a Einkommensteuergesetz – EStG)
  • Gute Voraussetzungen für eine schlanke Umsetzung und Verwaltung der bAV

Dies hat eine Umfrage von Willis Towers Watson gezeigt.

In der jetzt geplanten Version bietet das Betriebsrentenstärkungsgesetz sicherlich viele positive Impulse für „bAV-Neulinge“ – aber eben kaum Abhilfe für die bestehenden Hürden. Hier sehe auch ich Nachbesserungsbedarf.

Dr. Reiner Schwinger ist Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson und leitender Geschäftsführer von Willis Towers Watson in Deutschland sowie Österreich. Schwinger berät seit rund 20 Jahren eine Vielzahl nationaler und internationaler Unternehmen bei der Neuordnung sowie Durchführung betrieblicher Altersversorgungsprogramme und deren Einbindung in das Personalmanagement. Sein besonderes Interesse gilt der Entwicklung und Umsetzung betrieblicher Vorsorgesysteme unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Anforderungen. Zu diesem Thema hält er Fachvorträge und hat Beiträge in Fachzeitschriften und Festschriften veröffentlicht. Er ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba).


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