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Dashöfer

Aufteilung von Aufwendungen für eine gemischt veranlasste Fortbildungsveranstaltung

22.06.2010  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Aufwendungen für die Teilnahme an einem Fortbildungskurs, der mit bestimmten Stundenzahlen auf die Voraussetzungen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" angerechnet werden kann, sind zumindest teilweise als Werbungskosten zu berücksichtigen, auch wenn der Lehrgang in nicht unerheblichem Umfang Gelegenheit zur Ausübung verbreiteter Sportarten zulässt (Änderung der Rechtsprechung)

Der BFH hatte am 21.4.2010, VI R 66/04, folgenden Fall zu entscheiden:

Der Kläger war im Streitjahr 1999 als angestellter Unfallarzt in einem Krankenhaus tätig. Vom 29.8.1999 bis zum 4.9.1999 nahm er am 16. Gießener Sportmedizin-Wochenkurs in Torbole am Gardasee teil, um die Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" zu erlangen. Die Fortbildung wurde von der Ärztekammer für den Erwerb dieser Zusatzbezeichnung anerkannt, weil die für die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt waren. Im Rahmen der Einführungskurse in Theorie und Praxis der Leibesübungen sind 70 Stunden mit festgelegten Sportarten zu belegen. Das Programm des Kurses in Torbole begann am Nachmittag des Anreisetages mit Referaten, die um 20:00 Uhr endeten.

An den folgenden Wochentagen sah das Programm für die Zeit von 08:00 Uhr bis 08:45 Uhr eine Einführung in die Krankengymnastik zur Prävention von Sportverletzungen vor. Die Zeit von 09:15 Uhr bis 15:45 Uhr war, mit Ausnahme einer eineinhalbstündigen Mittagspause, der Theorie und Praxis der verschiedenen Sportarten wie Surfen, Biken, Segeln, Tennis und Bergsteigen vorbehalten. Von 16:15 Uhr an standen Referate auf dem Programm. Am Montag, Dienstag und Donnerstag begann das letzte Referat um 19:30 Uhr, an den beiden übrigen Wochentagen endete die Veranstaltung um diese Zeit. Der Kurs endete am Samstag gegen 14:00 Uhr. Der Kläger wurde von seinem Arbeitgeber für die Fortbildung freigestellt. Für die Teilnahme an dem Kurs in Torbole wurden ihm jeweils 25 Stunden Ausbildung in "Theorie und Praxis der Leibesübungen" sowie Weiterbildung in der Sportmedizin bescheinigt.

Das FA ließ die Aufwendungen für die Teilnahme an dem Kurs in Höhe von 3.212 DM nicht zum Werbungskostenabzug zu. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 352 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der steuermindernde Abzug von Aufwendungen für die Teilnahme an sportmedizinischen Fortbildungslehrgängen, die an bekannten Ferienorten zur Urlaubszeit stattfänden, selbst dann ausgeschlossen, wenn die Kurse von der Ärztekammer als Fortbildungsmaßnahme zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmediziner" anerkannt würden.

Demgegenüber sei es im Streitfall sachgerecht, die Aufwendungen des Klägers insoweit zum Abzug zuzulassen, als sie auf die sportmedizinischen Veranstaltungen entfielen. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit Reisen, denen unstreitig ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liege. Wenn derartige Reisen selbst in den Fällen, in denen die Reise in mehr oder weniger großem Umfang auch zu privaten Unternehmungen genutzt würde, ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen seien, sei im Streitfall ein vollständiges Abzugsverbot unbillig, da der Fortbildungslehrgang kaum Freiräume für private Unternehmungen gelassen habe und das Abzugsverbot allein aufgrund der sportpraktischen Pflichtveranstaltungen eingreife, die sich als gewöhnliche Ausübung von Freizeitsport in einem Urlaubsgebiet darstellten. Die Aufwendungen seien zur Hälfte als Werbungskosten zu berücksichtigen (1.606 DM), da der Kurs mit jeweils 25 Stunden im sportmedizinischen und sportpraktischen Bereich auf die Weiterbildung zum Sportmediziner angerechnet worden sei.

Die Entscheidung vom FG wurde vom BFH bestätigt. In der BFH-Entscheidung heißt es, dass das FG zu Recht eine Aufteilung der streitigen Kosten in abziehbare Werbungskosten und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung vorgenommen hat. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht. Das ist bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Fall, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden. Aufwendungen für Reisen sind demnach dann als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie durch den Beruf bzw. den Betrieb veranlasst sind.

Ob dies zutrifft, ist durch die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Der Abzug der Reisekosten setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen/betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher bzw. betrieblicher Anlass zugrunde liegt (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrages) und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Gleiches gilt, wenn die berufliche bzw. betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist.

Anderenfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf/Betrieb veranlasster Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lässt. Zur Begründung hat sich die bisherige Rechtsprechung im Wesentlichen auf § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG berufen. Danach verbietet diese Vorschrift zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern. Mit Beschluss vom 21.9.2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1) hat der Große Senat des BFH diese Rechtsprechung aufgegeben. Nach seiner Auffassung normiert § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot. Die Vorschrift steht somit einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegen. Aufwendungen für Reisen, die abgrenzbare berufliche und private Anteile enthalten, sind grundsätzlich aufzuteilen, sofern die berufliche oder private Veranlassung nicht von untergeordneter Bedeutung ist.


Quelle: Udo Cremer

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen
im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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