Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Aufhebungsvertrag führt nicht immer zur Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

15.05.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit einer aktuellen Entscheidung des Bundessozialgerichts zu der Frage, ob der Abschluss eines Aufhebungsvertrages automatisch zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führt oder ob hiervon Ausnahmen bestehen.

I. Einleitung

Gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III (bis zum 31.03.2012: § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III geregelt) tritt eine Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld ein, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III unter anderem dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auch dann von einer solchen arbeitnehmerseitigen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses auszugehen, wenn der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag schließt, unerheblich davon, von welcher Vertragspartei die Initiative für den Vertragsschluss ausgegangen ist. Allerdings kann der Arbeitnehmer sich nach der Rechtsprechung auf einen wichtigen Grund für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses berufen, wenn ihm zu dem im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Beendigungszeitpunkt eine rechtmäßige Kündigung aus einem nicht von seinem Verhalten abhängigen Grund gedroht hat. Die Zahlung einer Abfindung steht der Annahme eines wichtigen Grunds hierbei nicht grundsätzlich entgegen.

II. Sachverhalt

Die 1947 geborene, schwerbehinderte Klägerin war seit 1966 als Sachbearbeiterin beschäftigt. Im Mai 2004 schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag zum 30.11.2005. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag war die Klägerin zum Zeitpunkt Vertragsschlusses nicht mehr ordentlich kündbar. Im Aufhebungsvertrag wurde als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der ersatzlose Wegfall des Arbeitsplatzes in Folge von Umstrukturierungsmaßnahmen angegeben. Die Klägerin erhielt eine Abfindung in Höhe von 47.000,- Euro.

Anzeige Hier erfahren Sie, wie Sie rechtssichere Abmahnungen aussprechen:
Abmahnungen rechtssicher vorbereiten und konstruktiv durchführen »
2-tägiges Praxis-Seminar über die rechtlichen Voraussetzungen bis hin zum Gesprächscoaching

Am 05.10.2005 meldete sich die Klägerin bei der Bundesagentur (im Folgenden: BfA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab dem 01.12.2005. In der Arbeitsbescheinigung wurde von der Arbeitgeberin mitgeteilt, es habe eine Kündigungsfrist von 18 Monaten gegolten. Außerdem wäre die Klägerin entsprechend der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gekündigt worden, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben hätte. Die BfA stellte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit mit der Folge des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs bis zum 22.02.2006 fest und verminderte die Dauer des Anspruchs um 240 Tage. Die Klägerin habe voraussehen müssen, dass sie infolge des Aufhebungsvertrages arbeitslos werden würde. Ein wichtiger Grund für die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses habe nicht bestanden. Ab dem 23.02.2006 bewilligte die BfA der Klägerin Arbeitslosengeld für die Dauer von 714 Tagen. Seit dem 01.05.2007 bezieht die Klägerin Altersrente.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein wichtiger Grund für die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bestand. Sie hat mit dieser Begründung rückwirkend die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 22.02.2006 beantragt.

III. Die Entscheidung

Nachdem die Klage sowohl vor dem Sozialgericht als auch dem Landessozialgericht Erfolg hatte, wies das Bundessozialgericht die Revision der BfA zurück. Wie bereits die beiden ersten Instanzen entschied das Bundessozialgericht, dass die Klägerin einen wichtigen Grund i.S.v. § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses hatte. Damit ruhte ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht aufgrund einer Sperrzeit.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts hat das Berufungsgericht zu Recht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer drohenden betriebsbedingten Kündigung verzichtet. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte sich zuvor im Wesentlichen auf die Regelung des § 1a KSchG berufen. Nach dieser Vorschrift hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf betriebliche Erfordernisse kündigt, in der Kündigungserklärung darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer beim Verstreichenlassen der Kündigungsfrist die o.g. Abfindung beanspruchen kann und dieser die 3-wöchige Klagefrist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage tatsächlich verstreichen lässt. Auch nach Auffassung des Bundessozialgerichts hat § 1a KSchG Auswirkungen auf das Arbeitsförderungsrecht. Die Regelung sei auf Konstellationen zu übertragen, in denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses in den Grenzen des § 1a KSchG verständigen.

Da die Höhe der von der Klägerin erhaltenen Abfindung den nach § 1a Abs. 2 KSchG zu gewährenden Betrag nicht übersteige und eine Kündigung selbst unter Berücksichtigung der tariflichen Unkündbarkeit der Klägerin und ihres besonderen Kündigungsschutzes aufgrund ihrer Schwerbehinderung nicht ausgeschlossen war, sei die Rechtmäßigkeit der bei Nichtabschluss des Aufhebungsvertrages drohenden Kündigung nicht zu prüfen. Dies sei bei Aufhebungsverträgen mit einer vereinbarten Abfindung bis zur in § 1a KSchG geregelten Höhe nur noch dann erforderlich, wenn im konkreten Fall Anhaltspunkte für eine Gesetzesumgehung zu Lasten der Versichertengemeinschaft vorliegen. Dies sei nach den – für das Bundessozialgericht bindenden – tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts vorliegend nicht der Fall. Insbesondere habe die Arbeitgeberin nicht mit einer offensichtlich rechtswidrigen und damit unwirksamen Kündigung gedroht. Vielmehr wäre eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist möglich gewesen. Eine solche kann zulässig sein, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel, ggf. durch Umorganisation seines Betriebes, nicht weiterbeschäftigen kann.

IV. Praxishinweis

Die Urteilsbegründung des Bundessozialgerichts liegt derzeit noch nicht vor. Allerdings ist davon auszugehen, dass das Gericht sich auch in seiner Begründung der Auffassung des Landessozialgerichts anschließen wird.

Die BfA selbst hat den Kern der Entscheidung – die Anwendbarkeit des § 1a KSchG im Arbeitsförderungsrecht – bereits vorweggenommen. So regelte bereits die Durchführungsanweisung (DA) der BfA zum früheren (und zu § 159 SGB III inhaltsgleichen) § 144 SGB III, dass ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages dann vorliegt, wenn ersatzweise eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung in Aussicht gestellt wurde und der Arbeitnehmer darüber hinaus eine Abfindung erhält, die sich an § 1a KSchG orientiert. Im Unterschied zur besprochenen BSG-Entscheidung verlangt die BfA in ihrer DA darüber hinaus allerdings neben der o.g. Obergrenze von 0,5 Bruttomonatsgehältern/Beschäftigungsjahren noch eine Abfindungsuntergrenze im Umfang von 0,25 Bruttomonatsgehältern/Beschäftigungsjahren. Zahlt der Arbeitgeber mehr oder weniger, liegt lt. DA kein wichtiger Grund vor. Insgesamt stellt die BfA folgende Voraussetzungen für die Sperrzeitfreiheit auf:

  • Der Arbeitgeber hat eine Kündigung aus betrieblichen Gründen mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt.

  • Die Arbeitgeberkündigung wäre spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem das Beschäftigungsverhältnis aufgrund Aufhebungsvertrag geendet hat, wirksam geworden (d.h. die Kündigungsfrist ist eingehalten).

  • Der Arbeitnehmer war nicht unkündbar.

  • Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung von 0,5 Monatsgehältern, mindestens aber 0,25 (noch wesentlicher wirtschaftlicher Vorteil) für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer.

Um eine Sperrzeit zu verhindern, sollten diese Punkte entsprechend bereits im Text des Aufhebungsvertrages berücksichtigt werden. Der Vertrag sollte – sofern zutreffend – auch einen Hinweis darauf enthalten, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrages zur Vermeidung einer ansonsten drohenden (z.B. betriebsbedingten) Kündigung des Arbeitgebers erfolgt.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts sowie die o.g. Praxis der BfA machen es Arbeitgebern leichter, trennungswillige Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen. Bisher war vielfach die drohende Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld Hauptbeweggrund für die Ablehnung eines arbeitgeberseitigen Angebotes zur einvernehmlichen Trennung. Der Arbeitgeber musste aus diesem Grund entweder eine Kündigung – mit dem Risiko eines nachfolgenden Kündigungsschutz-Rechtsstreits – aussprechen oder die angebotene Abfindung um den Betrag erhöhen, um den sich der Arbeitslosengeldanspruch des Arbeitnehmers wegen Sperrzeit verminderte. Hier verspricht das o.g. Urteil des Bundessozialgerichts eine sperrzeit- und rechtssichere sowie günstige Möglichkeit zur (einvernehmlichen) Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses.

nach oben