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Abgrenzung von Anschaffungskosten und Erhaltungsaufwendungen hinsichtlich einzelner Gebäudeteile

25.01.2011  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ihr Steuer-Experte Udo Cremer erläutert für Sie einen komplexen Steuersachverhalt.

Die Klägerin war seit 1983 als selbständige Immobilienmaklerin und seit 1989 als Gebietsrepräsentantin für Fertighäuser tätig. Sie ersteigerte am 6. April 1983 das im Jahre 1906 mit einem zweistöckigen Gebäude bebaute Grundstück R-Straße. Im Erdgeschoss des Gebäudes befand sich ein Ladenlokal, die beiden oberen Geschosse wurden als Wohnraum genutzt. Die Klägerin ließ das Erdgeschoss in eine Gaststätte, das 1. Obergeschoss in Büroräume für ihren eigenen Gewerbebetrieb (24,78 % der Nutzfläche) und das 2. Obergeschoss in eine Pächterwohnung für die Gaststätte umbauen. U.a. ließ sie dabei im Jahr 1985 in die Gaststätte eine Thekeneinrichtung für unstreitig netto 53.300 DM einbauen. Nach Abschluss der Umbaumaßnahmen im Jahr 1986 nutzte die Klägerin das 1. Obergeschoss als Büro für ihren Gewerbebetrieb; das Erdgeschoss und das 2. Obergeschoss blieben ungenutzt.

Mit notariellem Vertrag vom 21. Juni 1985 hatte die Klägerin ferner das unmittelbar an das Grundstück R-Straße angrenzende unbebaute Eckgrundstück P-Straße erworben. Im Juli 1985 beantragte sie die Genehmigung für den Bau eines Hotels mit Ladenlokal, in das auch der vorhandene Altbau integriert werden sollte. Die Nutzfläche sollte von bisher 226 auf 631 qm erweitert werden. Der Bauschein wurde der Klägerin am 12. Januar 1987 erteilt. Die ursprüngliche Absicht der Vermietung als Hotel wurde verworfen, stattdessen beschloss die Klägerin, die Grundstücke mit einem Wohn- und Geschäftshaus zu bebauen und beantragte am 24. April 1992 eine entsprechende Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Wohn-, Büro- und zwei Gaststätteneinheiten; mit Antrag vom 27. Dezember 1994 erweiterte sie diese Planung nochmals.

Im Jahr 2000 begann die Klägerin mit der Ausschachtung des unbebauten Grundstücks. Für das Jahr 1990 wurde vom FA der verbleibende Verlustabzug gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG auf 90.459 DM festgestellt. Abgesetzt wurden dabei die Aufwendungen und die AfA für das von der Klägerin als Büro genutzte 1. Obergeschoss des Gebäudes; den Abzug der entsprechenden Aufwendungen für das Erdgeschoss und das 2. Obergeschoss lehnte das FA für die Zeiträume nach 1986 ab. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass bis in das Jahr 2001 lediglich die Aushubarbeiten betreffend das Eckgrundstück P-Straße und vorbereitende Arbeiten erledigt wurden, um die Bodenplatte des Fundaments des geplanten Neubaus gießen zu können. In der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2007 stellte die Klägerin diesbezüglich klar, dass die Bebauung des Eckgrundstücks bis heute nicht weiter fortgeschritten sei; auch das Fundament selbst sei noch nicht gegossen. Zu dem noch für das Jahr 2001 avisierten Abschluss eines Pachtvertrags über den Gaststättenbereich mit einem Pächter sei es ebenfalls nicht gekommen, weil mit baubedingten Behinderungen zu rechnen und noch unklar sei, in welcher Form der zu errichtende Neubau in den Gaststättenbereich einbezogen werde könne. Nach wie vor bestehe die Bereitschaft des potentiellen Pächters, den Gaststättenbereich insgesamt anzupassen.

Der 15. Senat des FG Köln hat die Klage zunächst wegen fehlender Einkunftserzielungsabsicht als unbegründet abgewiesen, soweit es um die Erhöhung des verbleibenden Verlustabzugs aus Aufwendungen betreffend das Objekt R-Straße ging. Die Klägerin habe seit Erwerb bzw. Umbau des Gebäudes trotz der Nutzbarkeit des Objekts weder die seit 1986 komplett eingerichtete Gaststätte noch die Pächterwohnung im 2. Obergeschoss vermietet, obwohl sie erst im Jahr 2001 mit den Aushubarbeiten für den geplanten Gebäudekomplex auf dem Nachbargrundstück begonnen habe. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BFH hat das angefochtene Urteil mit Entscheidung vom 14. Mai 2003 XI R 8/02 (BFH/NV 2003, 1315) aufgehoben und die Sache an das FG Köln zur Nachholung von Feststellungen zurückverwiesen, ob und gegebenenfalls wann die Klägerin die Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Erdgeschosses und der Pächterwohnung (2. Obergeschoss) zu erzielen aufgegeben habe. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen könnten zwar nicht im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels berücksichtigt werden. Die Nichtberücksichtigung der Verluste im Rahmen von Vermietungseinkünften mangels Vermietungsabsicht sei allerdings nicht nachvollziehbar. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Aufgabe der ursprünglich unstreitig vorhandenen Vermietungsabsicht ab 1985, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die fertig gestellten Gaststättenräume noch von der Klägerin eingerichtet worden seien.

Die Klägerin, die danach noch umfangreiche Unterlagen vorlegte, machte geltend, es gebe keinen Grund, die Aufwendungen betreffend das unstreitig von ihr gewerblich genutzte 1. Obergeschoss nicht anzuerkennen. Bezüglich des Restgebäudes (Erdgeschoss und Verpächterwohnung) habe sie ihre ursprüngliche Vermietungsabsicht zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass das Brachliegenlassen eines Grundstücks gegen eine Vermietungsabsicht spreche. Das FG gab der Klage zum Teil statt. Die Klägerin habe jedenfalls bis einschließlich des Jahres 1990 mit Einkunftserzielungsabsicht gehandelt. Von den als Instandsetzung bezeichneten Aufwendungen in der Aufstellung der Klägerin (243.756 DM) seien lediglich (geschätzt) 25.000 DM sofort abziehbar. Die über 25.000 DM hinausgehenden Rechnungsbeträge seien (entgegen der Ansicht der Klägerin) nur in Form von AfA von 2,5 % für das Gebäude seit 1983 abziehbar.

Auf die Beschwerde der Klägerin hat der X. Senat des BFH die Revision zugelassen (Urteil vom 18.8.2010, X R 30/07). Mit der Revision macht die Klägerin noch weitere Kosten für Kellersanierung, Fassadenanstrich, Fenster, Elektrik, Heizungsanlage, Innenisolierung, sonstige Maßnahmen wie Verputzen, Malerarbeiten u.a. geltend. Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und einen weiteren Betrag von 176.982 DM nicht im Weg der AfA, sondern als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu berücksichtigen. Die Revision der Klägerin ist begründet. Ob die streitigen Maßnahmen als Anschaffungskosten, Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen sind, hat das FG als Tatsacheninstanz anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Bei gebrauchten (leer stehenden) Immobilien sind Modernisierungsaufwendungen (insbesondere Schönheitsreparaturen und Instandsetzungsarbeiten an vorhandenen und im Wesentlichen funktionierenden Installationen) nur dann unter dem Gesichtspunkt der Betriebsbereitschaftskosten als Anschaffungskosten zu behandeln, wenn sie den Ausstattungsstandard in mindestens drei der vier funktionswesentlichen Bereichen (Heizung, Sanitär, Elektro, Fenster) anheben. Betriebsbereitschaftskosten entstehen ferner bei der Wiederherstellung funktionsuntüchtiger Gebäudeteile, die für die geplante Nutzung unerlässlich sind (z.B. Reparatur einer defekten Heizung).

Bei der Beurteilung und Einordnung der einzelnen Aufwendungen als Erhaltungsaufwand bzw. als Anschaffungskosten hat das FG augenscheinlich auf das gesamte Gebäude (auf das Gesamtobjekt) abgestellt, ohne zu berücksichtigen, dass Teile des Gebäudes unterschiedlich genutzt wurden bzw. werden sollten und dass damit die einzelnen Aufwendungen unterschiedlich zu qualifizieren sein können. Steuerobjekt ist die einzelne "Einkunftsquelle", die sich nach dem jeweiligen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang einer Sache/Sachgesamtheit bestimmt; auch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist die unterschiedliche Nutzung der einzelnen Gebäudeteile (sowohl im Hinblick auf die Einkunftserzielungsabsicht als auch im Hinblick auf die Qualifizierung der einzelnen Aufwendungen) zu berücksichtigen. Differenziert man zwischen den einzelnen Gebäudeteilen, so kann z.B. die Funktionstüchtigkeit (Betriebsbereitschaft) der im Erdgeschoss gelegenen Gaststätte (und deren Wiederherstellung) anders zu beurteilen sein als die des im 1. Obergeschoss gelegenen Büros oder die der im 2. Obergeschoss gelegenen Pächterwohnung; in diesem Zusammenhang könnten neben (unterschiedlichen) technischen Erfordernissen auch optische (ästhetische) Gesichtspunkte relevant sein.

Aufwendungen für leer stehende Gebäude oder Gebäudeteile können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, daraus durch spätere Vermietung Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Wer Aufwendungen für ein leer stehendes und noch nicht vermietetes Objekt als vorab entstandene Werbungskosten geltend macht, muss seinen endgültigen Entschluss, dieses Objekt zu vermieten, durch ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen belegen. Die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Vermietungsbemühungen dienen als Belege für die Einkünfteerzielungsabsicht.

Quelle: Udo Cremer

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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