01.04.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann einem nicht eingestellten Bewerber ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen, wenn die Nichteinstellung auf einem der im AGG aufgeführten Merkmale, wie beispielsweise einer Behinderung, beruht. Im Hinblick auf schwerbehinderte Bewerber treffen den Arbeitgeber besondere Verfahrens- und Förderpflichten. So sind Arbeitgeber beispielsweise verpflichtet, zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können und diesbezüglich auch frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen.
Sie sind unter anderem auch verpflichtet, dem abgelehnten schwerbehinderten Bewerber die Gründe für die Entscheidung darzulegen, sofern sie nicht die gesetzliche Mindestquote an zu beschäftigenden schwerbehinderten Arbeitnehmern erfüllen. Oftmals ist einem Arbeitgeber jedoch die Schwerbehinderteneigenschaft eines Bewerbers gar nicht bekannt. Insbesondere Arbeitgebern, die sich einer Flut von Bewerbungsunterlagen ausgesetzt sehen, stellt sich die Frage, ob sie in den übersandten Unterlagen nach einem derartigen Hinweis suchen müssen.
Aus Arbeitgebersicht begrüßenswert ist daher die Entscheidung des BAG vom 26.09.2013, wonach ein Bewerber grundsätzlich im Bewerbungsschreiben selbst über die (Schwer-)Behinderteneigenschaft informieren muss. Wird die Information im Lebenslauf gegeben, müsse dies deutlich und an hervorgehobener Stelle geschehen und der Lebenslauf ausdrücklich zum Bestandteil des Bewerbungsschreibens erklärt worden sein.
In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall machte ein abgelehnter Bewerber, der schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60 ist, einen Entschädigungsanspruch in Höhe von drei Monatsgehältern geltend, weil er sich wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt sah.
Der Kläger hatte sich per E-Mail bei der beklagten Stadt, die eine Stelle als Erster Tenor im Chor der Oper ausgeschrieben hatte, beworben. Die das Bewerbungsschreiben darstellende E-Mail enthielt keinen Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft. Der E-Mail waren drei Dateien beigefügt, eine davon enthielt den Lebenslauf des Klägers, der sich in acht Unterpunkte untergliederte. Einer der Gliederungspunkte hatte folgendes Erscheinungsbild:
SPEZIELLE QUALIFIKATIONEN
Fundierte Softwarekenntnisse:
sonstige Qualifikationen:
Bei einem Termin zum Vorsingen wies der Kläger nicht auf seine Schwerbehinderung hin. Die Beklagte handelte im weiteren Verlauf des Bewerbungsverfahrens in Unkenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers.
Der Kläger war der Auffassung, dass er eine Entschädigung beanspruchen könne, weil er wegen seiner Schwerbehinderung abgelehnt und damit benachteiligt worden sei. Trotz seines ausdrücklichen Hinweises auf die Schwerbehinderung bei seiner Bewerbung habe die beklagte Arbeitgeberin wesentliche Verpflichtungen nach § 81 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt. So seien ihm nicht unverzüglich die Ablehnungsgründe mitgeteilt worden. Dies indiziere die Vermutung einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Die Vorinstanzen wiesen die Klage jedoch ab.
Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG steht dem Kläger der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht zu, da er für eine Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht dargelegt habe.
Die ungünstigere Behandlung, die der Kläger als unterlegener Bewerber erfahren habe, sei nicht „wegen“ der Behinderung erfolgt. Das BAG stellt in seiner Entscheidung klar, dass der Bewerber den Arbeitgeber, sofern diesem die Schwerbehinderteneigenschaft nicht nachweislich schon bekannt sei oder – etwa bei einem Vorstellungsgespräch – eine körperliche Behinderung offensichtlich bekannt werde, über seine Schwerbehinderteneigenschaft informieren müsse. Dies habe regelmäßig im Bewerbungsschreiben selbst unter Angabe des Grads der Behinderung, gegebenenfalls einer Gleichstellung, zu geschehen, da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten sei, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen. Werde die Information im Lebenslauf gegeben, so habe dies an hervorgehobener Stelle und deutlich, etwa durch eine besondere Überschrift hervorgehoben, zu erfolgen. Eingestreute oder unauffällige Informationen, indirekte Hinweise in beigefügten amtlichen Dokumenten, eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises, etc. seien keine ordnungsgemäße Information des Arbeitgebers.
Die beklagte Arbeitgeberin, die unstrittig keine positive Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers hatte, musste diese nach Auffassung des BAG auch nicht kennen, da der Hinweis im Lebenslauf zwar unterstrichen, aber an unerwarteter Stelle und unter einer irreführenden Überschrift und damit nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Der Hinweis sei eher versteckt gewesen.
Mit dieser Entscheidung ist klargestellt, dass Arbeitgebern ein in den Bewerbungsunterlagen außerhalb des Bewerbungsschreibens versteckter Hinweis auf eine (Schwer-)Behinderung nicht bekannt sein muss. Arbeitgeber müssen demnach nicht nach Hinweisen für eine (Schwer-)Behinderung des Bewerbers suchen.
Trotz dieser für Arbeitgeber positiven Entscheidung ist im Bewerbungsprozess durchweg Vorsicht geboten, um Entschädigungsansprüche abgelehnter Bewerber zu vermeiden. Dies beginnt bereits bei der Formulierung der Stellenanzeige, bei der jegliches Indiz einer Diskriminierung tunlichst vermieden werden sollte. Im weiteren Verlauf des Bewerbungsverfahrens sollte darauf geachtet werden, die sachliche Begründung für die Auswahlentscheidung zu dokumentieren.
Des Weiteren ist es ratsam, die Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen zu beachten. Denn ein erfolgloser Bewerber genügt nach dem AGG seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines unzulässigen Merkmals vermuten lassen. Besteht eine derartige Vermutung, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. In dieser Entscheidung stellt das BAG wiederholt klar, dass die Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen grundsätzlich ein solches Indiz für eine Benachteiligung darstellen kann. In der Vergangenheit hat das BAG beispielsweise bereits entschieden, dass das Nichteinschalten der Bundesagentur für Arbeit ein Indiz für eine Diskriminierung eines schwerbehinderten Bewerbers darstellt (BAG, Urteil vom 17.08.2010 – 9 AZR 839/08).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2013 (Az. 8 AZR 650/12).
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