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WSI-Arbeitskampfbilanz 2010

16.05.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Betriebsrat spezial.

Deutlicher Rückgang der Arbeitskämpfe im Jahr 2010

2010 ist die Zahl der Streikenden und der durch Arbeitskämpfe ausgefallenen Arbeitstage im Vergleich zu 2009 deutlich zurückgegangen. Mit rund 120.000 Streikenden hat sich die Zahl der an Streiks und Warnstreiks beteiligten Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr (rund 400.000 Streikende) auf weniger als ein Drittel verringert. Dies zeigt die Jahresbilanz zur Arbeitskampfentwicklung, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt. Das Arbeitskampfvolumen schätzt das WSI für das Jahr 2010 auf rund 173.000 wegen Streik und Warnstreik ausgefallene Arbeitstage. Auch dies ist ein deutlicher Rückgang gegenüber den 398.000 Streiktagen des Jahres 2009 und stellt das niedrigste Streikvolumen seit 2005 dar. "Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung liegt darin, dass 2010 in der Metall- und Elektroindustrie ohne Arbeitskampf eine Verhandlungslösung erzielt wurde und es im Dienstleistungssektor deutlich weniger betriebliche Arbeitskämpfe gab als in den Vorjahren", sagt der WSI-Arbeitskampfexperte Dr. Heiner Dribbusch.

Offizielle Streikstatistik mit Lücken

Die heute veröffentlichte offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA), bestätigt vom Trend her die WSI-Schätzung, weicht jedoch bei den Werten erheblich nach unten ab. Die Statistik der BA weist für 2010 lediglich 12.936 Streikende aus - gegenüber 28.281 Streikenden 2009. Als Arbeitskampfvolumen registriert die BA für 2010 lediglich 25.917 durch Arbeitskämpfe ausgefallene Arbeitstage - gegenüber 63.708 im Jahr 2009 (Daten zum Arbeitskampfvolumen in den vergangenen Jahren in der Grafik im Anhang zu dieser PM; Link zum pdf-Dokument unten). "Die offizielle Streikstatistik offenbart einmal mehr erhebliche Lücken, die vor allem auf einer systematischen Untererfassung des tatsächlichen Arbeitskampfgeschehens beruhen", so Dribbusch. "Die auf Gewerkschaftsangaben, Zeitungsberichten und eigenen Recherchen basierende Bilanz des WSI ist der Versuch, diese Lücke zu schließen."

Keine breiten Großkonflikte

Insgesamt war das Jahr 2010 durch das Ausbleiben von Großkonflikten geprägt. Die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie war Anfang 2010 sehr stark von der krisenhaften Branchensituation geprägt. Hier kam es im Februar 2010 noch vor Auslaufen des alten Tarifvertrages zur Einigung. In der zeitlich fast parallel laufenden Tarifrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen wurde zwar erst über eine Schlichtung ein Ergebnis erzielt, doch waren die verhandlungsbegleitenden Warnstreiks 2010 erheblich weniger umfangreich als in den Jahren zuvor. Im Verlaufe des Jahres verbesserte sich die wirtschaftliche Situation. Die Stahltarifrunde fand bereits vor dem Hintergrund einer sehr günstigen Branchenkonjunktur statt. Nach relativ wenigen Warnstreiks, in denen die Stahlbeschäftigten ihre Mobilisierungsbereitschaft demonstrierten, habe die IG Metall neben dem Lohn- und Gehaltsabschluss einen tarifpolitischen Durchbruch in der Frage des Equal Pay für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter erzielt, so Dribbusch.

Die Anzahl der Streiks wird von der amtlichen Statistik nicht erfasst. Doch sieht Dribbusch auch hier einen erheblichen Rückgang im Jahr 2010. Dies gilt insbesondere für den Dienstleistungsbereich, der auf Grund seiner zersplitterten Branchen- und Tarifstruktur in den letzten Jahren ein steigendes Konfliktpotenzial aufwies. Ein Indikator ist hier seit Jahren die Streikbilanz von ver.di. 2010 lagen dem Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di lediglich 107 Anträge auf Arbeitskampfmaßnahmen vor, gegenüber 163 im Jahr 2009.

Wie in den vorangegangenen Jahren rührt der ganz überwiegende Teil aller Streiks aus Konflikten um Firmen- und Haustarifverträge, bilanziert Dribbusch. Diese Auseinandersetzungen sind Ergebnis einer anhaltenden Zersplitterung der Tariflandschaft. Einzelne dieser Arbeitskämpfe ziehen sich mitunter sehr lange hin. So dauerte der von Aussperrung und Streik begleitete Arbeitskampf um die Einrichtung eines Betriebsrates und einen Haustarifvertrag im Betonwerk Westerwelle in Herford drei Monate. 97 Streiktage brauchte es, bevor die Beschäftigten der MZ-Service GmbH des Medizinischen Zentrums der Städteregion Aachen einen Tarifvertrag durchsetzen konnten.

Zum Mittel der Betriebsbesetzung griffen die Beschäftigten des insolventen Maschinenbaubetriebs Affeldt in Elmshorn im Frühjahr 2010. Durch Proteststreik und Besetzung gelang es Zeit zu gewinnen, bis ein Käufer gefunden wurde.

Die Streikaktivitäten der Berufsgewerkschaften blieben 2010, wie auch 2009, überschaubar. Neben einem dreiwöchigen Arbeitskampf in den kommunalen Kliniken zwischen den im Marburger Bund (MB) organisierten Ärztinnen und Ärzten und dem Verband Kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) im Mai und Juni gab es meist nur kurze Arbeitsniederlegungen. Vereinzelt eskalierten Konflikte mit einzelnen Unternehmen im Organisationsbereich von Vereinigung Cockpit (VC) und Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu begrenzten Streikaktionen.

Ausblick 2011

Mit Blick auf 2011 sieht WSI-Forscher Dribbusch bislang keine Anzeichen für Großkonflikte. Die Streikaktionen im ersten Quartal 2011 sind insgesamt von der Zahl der Beteiligten wie ihrer Dauer her eng umrissen. Von den noch offenen Tarifrunden, so Dribbusch, berge vor allem die im Einzelhandel ein schwer einzuschätzendes Konfliktpotenzial, weil hier ver.di auf durchaus konfliktbereite Arbeitgeberverbände träfe. Ob einzelne der auch in diesem Jahr wieder zu erwartenden betrieblichen Streiks in die breite Öffentlichkeit dringen werden, bleibe abzuwarten.

Quelle: Dr. Heiner Dribbusch, Hans Böckler Stiftung
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