08.06.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bundesarbeitsgericht.
Die Parteien streiten über eine Entschädigung für die entgangene Privatnutzung eines Dienstwagens. Die Klägerin war bei der Beklagten, die Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Personal- und Vertriebsdisponentin auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 19. Dezember 2007 zu einem Bruttomonatsentgelt von 2.300,00 Euro beschäftigt.
In § 2 Nr. 3 des Arbeitsvertrags hieß es:
"Im Falle einer Kündigung ist R berechtigt, den Mitarbeiter von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Weiterzahlung der Bezüge freizustellen. …"
Gemäß Dienstwagenvertrag vom 1. Februar 2008 stellte die Beklagte der Klägerin einen Pkw der Marke V als Dienstwagen zur Verfügung. Die Klägerin war berechtigt, das Fahrzeug auch für private Zwecke zu nutzen. Diese private Nutzung berücksichtigte die Beklagte in den Entgeltabrechnungen mit 277,00 Euro monatlich. Dieser Betrag entsprach einem Prozent des Listenpreises.
Im Dienstwagenvertrag war u.a. geregelt:
"§ 6 Haftung, Schadensersatz und Nutzungsentschädigung
...
Macht der Arbeitnehmer Nutzungsentschädigungsansprüche wegen rechtswidrigen Entzugs des Dienstwagens geltend, erfolgt vorrangig eine konkrete Schadensberechnung, wenn der Mitarbeiter über ein eigenes Fahrzeug verfügt. Er muss in diesem Fall die Schadensposten belegen. Im Falle einer abstrakten Schadensberechnung wird eine Nutzungsentschädigung in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzung geleistet.
§ 7 Widerrufsvorbehalte
Der Arbeitgeber behält sich vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Im Falle der Ausübung des Widerrufs durch den Arbeitgeber ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, eine Nutzungsentschädigung oder Schadensersatz zu verlangen."
Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 30. Juni 2009. Nach Ausspruch der Kündigung stellte die Beklagte die Klägerin von der Arbeit frei und forderte die Rückgabe des Dienstwagens. Diese erfolgte am 9. Juni 2009.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Widerrufsvorbehalt benachteilige sie unangemessen. Der Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens als ihrem einzigen Fahrzeug begründe einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 206,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2009 zu zahlen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Widerrufsklausel sei wirksam und sie habe bei der Ausübung des Widerrufs die Interessen der Parteien zutreffend abgewogen.
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Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zu Recht einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die entgangene private Nutzung des Dienstwagens für die Zeit vom 9. Juni bis zum 30. Juni 2009 zuerkannt. Der Anspruch besteht jedoch nur in Höhe von 203,13 Euro brutto nebst Prozesszinsen. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrags ist die Klage unbegründet.
Die Klägerin hat gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 283 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 9. Juni bis zum 30. Juni 2009. Die Beklagte war nicht berechtigt, der Klägerin während der Dauer ihrer Freistellung die Möglichkeit zu entziehen, das ihr zur Verfügung gestellte Firmenfahrzeug für Privatfahrten zu nutzen. Die Widerrufsklausel hält zwar einer Inhaltskontrolle stand. Der Widerruf entsprach im Streitfall jedoch nicht billigem Ermessen.
§ 7 des Dienstwagenvertrags, wonach sich die Beklagte vorbehalten hatte, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt werde, was insbesondere dann der Fall sei, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt werde, ist wirksam.
(…)
Die Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts weicht von Rechtsvorschriften ab, § 307 Abs. 3 BGB. Die Überlassung eines Firmenwagens auch zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Die Gebrauchsüberlassung ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Sie ist so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Diese Rechtslage wird durch das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht geändert, denn ohne den Widerrufsvorbehalt ist der Arbeitgeber nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses die vereinbarte Privatnutzung eines Dienstwagens zu ermöglichen. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen einer Inhaltskontrolle.
Der Widerrufsvorbehalt ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Ein Widerrufsvorbehalt muss den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB gerecht werden. Bei den Widerrufsgründen muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, z.B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. Dabei ist zu beachten, dass der Verwender vorgibt, was ihn zum Widerruf berechtigen soll. Diesem Transparenzgebot wird die Widerrufsklausel gerecht; denn hiernach ist ausdrücklich klargestellt, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Freistellung mit dem Entzug der Privatnutzung rechnen muss.
(…)
Die Klägerin hat Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 203,13 Euro brutto.
Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung richtet sich auf das positive Interesse. Demgemäß ist die Klägerin so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Zur Berechnung ist eine Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1 % des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung anerkannt. Die Klägerin hat damit Anspruch auf eine kalendertägliche Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 9,23 Euro für 22 Tage, also 203,13 Euro. Die darüber hinausgehende Forderung ist unbegründet.
(…)
BAG, Urteil vom 21.03.2012 (in Auszügen), Aktenzeichen: 5 AZR 651/10
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