09.12.2019 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Plattformbasierte Geschäftsmodelle finden sich nicht nur bei Amazon, Otto, Zalando und eBay. Sie sind im Onlinehandel allgegenwärtig und stellen die Schnittstelle zwischen Unternehmern und ihren Kunden dar. Häufig verfügen sie über eine erhebliche Macht und nicht nur kleinere Händler begeben sich hier in gefährliche Abhängigkeiten.
Die Plattform-to-Business-Verordnung (kurz: P2B-Verordnung) soll für mehr Transparenz und Fairness auf Onlineplattformen sorgen und die Rechte von Unternehmern gegenüber Plattformbetreibern stärken. Sie gilt ab dem 12. Juli 2020 unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union und den EWR Staaten.
Betroffen sind Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, über die Händler ihren Kunden Produkte anbieten. Unerheblich ist dabei, mit welchem der Beteiligten der Vertrag zustande kommt. Nicht nur klassische Marktplätze werden erfasst, sondern auch App-Stores, soziale Netzwerke sowie Preisvergleichsportale.
Die P2B-Verordnung sieht zunächst Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung von AGB vor und zwingt damit entsprechende Vermittlungsdienste zur Prüfung ihrer Regelungswerke. Diese müssen insbesondere klar und verständlich formuliert und zu jedem Zeitpunkt für gewerbliche Nutzer (schon vor Vertragsschluss) leicht verfügbar sein. Links, die sich erst nach zahleichen Dateneingaben erschließen, dürften damit der Vergangenheit angehören. Amazon hatte in der Vergangenheit von sich reden gemacht, als Händler ohne Grund ausgeschlossen wurden. Die AGB müssen künftig Informationen über Suspendierungs- und Kündigungsgründe, zusätzliche Vertriebskanäle und Partnerprogramme für die Vermarktung und zur Inhaberschaft und die Kontrolle von geistigem Eigentum enthalten.
Über geplante Änderungen der AGB müssen die Nutzer unter Beachtung einer angemessenen Frist von regelmäßig 15 Tagen informiert werden, was sehr kurz anmutet. Erfordert die Änderung allerdings technische oder geschäftliche Anpassungen, müssen längere Fristen eingeräumt werden.
Die P2B-Verordnung macht auch Vorgaben zur Einschränkung und Kündigung der Nutzung der Plattform. Wollen Plattformbetreiber ihre Dienste einschränken oder sperren, muss die Entscheidung begründet und dem Nutzer auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Wird der Vertrag gekündigt, muss die Begründung mindestens 30 Tage vor dem Wirksamwerden auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden.
Weiterhin wird die Offenlegung von Ranking-Parametern verpflichtend. In den AGB der Plattformen müssen die Hauptparameter angegeben werden, die das Ranking bestimmen. Auch müssen die Gründe für ihre Gewichtung gegenüber anderen Parametern dargestellt werden. Ein Transparenzgebot für die Gewichtung von Parametern gilt auch für Suchmaschinen. Werden beim Ranking Provisionen berücksichtigt, muss angegeben werden, wie sich diese auf das Ranking auswirken.
Daneben enthält die P2B-Verordnung noch weitere Vorgaben, an die sich die Plattformbetreiber künftig halten müssen, z.B. im Hinblick auf Bestpreisklauseln oder ein internes Beschwerdemanagement.
Die Europäische Kommission hat bereits 2018 im Rahmen eines „New Deal for Consumers“ zwei Richtlinienentwürfe vorgestellt.
Bei dem einen Entwurf handelt es sich um die sog. „Omnibus-Richtlinie“. Diese sieht Änderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (sog. UGP-Richtlinie), der Verbraucherrechterichtlinie, der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln sowie der Preisangabenrichtlinie vor.
Verbrauchern soll gegen Unternehmen, die gegen die UGP-Richtlinie verstoßen, entweder ein Anspruch auf Vertragsauflösung zustehen, oder – wenn kein Vertrag mit dem Unternehmer besteht – ein Schadensersatzanspruch. Damit bergen künftig Wettbewerbsverstöße auch vertragliche Folgerisiken für Händler. Auch sollen bei Verstößen gegen die UGP-Richtlinie Bußgelder verhängt werden können. Dafür müsste in Deutschland zunächst eine Bußgeldbehörde eingerichtet werden. Bisher spielten Bußgeldmöglichkeiten eine geringere Rolle als Abmahnungen.
Daneben soll mit dem Verbot von sog. Doppelqualitäten von Produkten ein neuer Verbotstatbestand geschaffen werden. Produkte mit unterschiedlichen Produktzusammensetzungen innerhalb Europas dürfen nicht mehr unter der gleichen Marke beworben werden. Das gilt nicht, wenn objektive Gründe für die unterschiedliche Zusammensetzung vorliegen. Hintergrund der Regelung ist, dass in anderen Mitgliedsstaaten (insbesondere im osteuropäischen Raum) häufig minderwertigere Ware als in anderen Mitgliedsstaaten unter der gleichen Marke vertrieben wird. Die Verbraucher glauben aber in der Regel beim Erwerb, dass es sich um die gleichen Produkte mit den gleichen Inhaltsstoffen handelt. Künftig müssen Verbraucher daher auf die unterschiedlichen Produktzusammensetzungen hingewiesen werden. Vor allem im Lebensmittelbereich könnte dies Ungemach bringen, da viele Produkte auf unterschiedliche Geschmäcker in den EU-Ländern ausgerichtet sind. Diese Produkte müssen dann mit anderen Markennamen versehen werden.
Apropos Lebensmittel: Die Herkunft von Lebensmitteln aus den von Israel seit 1967 besetzten Gebieten muss angegeben werden. Der Europäische Gerichtshof entschied am 12. November 2019, dass hier ihr Ursprungsgebiet angegeben werden muss. Im Falle von Erzeugnissen aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten sei zusätzlich die Angabe „israelische Siedlung“ erforderlich. Hier erfahren Sie mehr.
Der andere Entwurf hat die Novellierung der Unterlassungsklagenrichtlinie zum Gegenstand, mit der eine Verbrauchersammelklage eingeführt werden soll. Geplant ist, qualifizierten Verbraucherverbänden das Recht einzuräumen, tatsächlich auf Leistung, also auch auf die Zahlung von Schadensersatz zu klagen. Der Trilog zwischen den europäischen Institutionen wird voraussichtlich frühestens Anfang des Jahres 2020 beginnen, so dass mit einer Finalisierung dieser Richtlinie in diesem Jahr nicht zu rechnen ist.
Ziel des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs ist in erster Linie die Bekämpfung missbräuchlicher Abmahnungen, die vorrangig der Erzielung von Rechtsanwaltsgebühren dienen. Die finanziellen Anreize für Abmahner sollen geringer und die Voraussetzungen für Abmahnungen höher werden. Zum einen sieht das Gesetz eine unterschiedliche Behandlung von Verbänden und Mitbewerbern vor. Mitbewerber sollen bei der Abmahnung von Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr sowie bei der Abmahnung von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften keinen Aufwendungsersatz geltend machen können. Zudem sollen Mitarbeiter im Rahmen einer erstmaligen Abmahnung noch keine Vertragsstrafe vereinbaren dürfen.
Wirtschaftsverbände sollen nur dann zum Ausspruch von Abmahnungen befugt sein, wenn sie vom Bundesamt für Justiz überprüft wurden und auf einer Liste der klagebefugten Verbände eingetragen sind. Daneben soll der sog. „fliegende Gerichtsstand“ weitgehend abgeschafft werden, also die Wahl des Gerichtsstandes. Ferner soll zu Unrecht Abgemahnten in Zukunft ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten gegen den Abmahnenden zustehen. Am 17. Mai 2019 wurde der Regierungsentwurf für das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs veröffentlicht. Der Entwurf befindet sich derzeit noch in der Gesetzgebungsphase. Wann das Gesetz in Kraft treten soll, ist noch nicht bekannt.
Das Mehrwertsteuer-Paket für den elektronischen Handel ist Teil der Mehrwertsteuer-Richtline und wird Auswirkungen auf Onlinehändler haben. Ziel ist es, die korrekte Abführung von Mehrwertsteuern durch Unternehmer, die grenzüberschreitend an Endkunden liefern, zu vereinfachen und sicherzustellen. Die neuen Reglungen sollen ab dem Jahr 2021 gelten und bringen niedrigere Schwellenwerte für die Anmeldung im EU-Ausland.
Für Diskussionen gesorgt hat in diesem Jahr die „Payment Service Directive 2“-Richtlinie (kurz: PSD2-Richtlinie), deren Ziel es ist, Zahlungsvorgänge EU-weit zu regulieren und sicherer zu gestalten, insbesondere durch den Einsatz einer starken Kundenauthentifizierung (SCA). Die starke Kundenauthentifizierung gilt unter anderem bei bestimmten Bezahlverfahren. Danach müssen Kunden zusätzlich zu Benutzernamen und Passwort eine Tan-Nummer eingeben oder eine Zahlung per Fingerabdruck bestätigen (sog. „Zwei-Faktor-Authentifizierung“).
Die Umsetzungsfrist endete bereits am 14.09.2019. Die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) gewährt Onlinehändlern allerdings einen Aufschub bis Ende 2020 für die Umsetzung von Teilen der Richtlinie. So dürfen Zahlungsdienstleister mit Sitz in Deutschland Kreditkartenzahlungen im Internet weiterhin auch ohne die sogenannte starke Kundenauthentifizierung ausführen. Am 31. Dezember 2020 endet die von der BaFin eingeräumte Frist, bis dahin muss die Umstellung erfolgt sein. Allerdings betrifft dies nur aufsichtsrechtliche Maßnahmen. Die gesetzliche Pflicht bleibt. Möglicherweise drohen hier Abmahnungen.
Die EU-Marktüberwachungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/1020) wird zu Änderungen im Bereich des Produktrechts und der Marktüberwachung führen. Ihr Ziel ist es, dass nur Produkte, die sicher sind und den bestehenden EU-Rechtsvorschriften entsprechen, in Verkehr gebracht werden. Die Verordnung ist ab dem 16. Juli 2021 anwendbar. Sie bringt u.a. eine Erweiterung der Marktüberwachungs-Befugnisse mit sich. So sollen etwa ein Zugang zu in Produkten eingebetteter Software und zu Details über die Lieferkette und den Vertriebsweg sowie im Markt befindlicher Produktmengen ermöglicht werden. Daneben sollen unangekündigte Inspektionen, ein Reverse-Engineering sowie die Prüfung durch Behörden unter falscher Identität zulässig sein. Daneben führt die Verordnung dazu, dass Plattformenbetreiber als sog. „Fulfilment-Dienstleister“ künftig umfassenden Pflichten als Marktakteure unterliegen.
Geplant sind ferner Novellierungen des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElekroG), des Batteriegesetzes (BattG) sowie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Änderungen des BattG sind aufgrund der sich verändernden Verhältnisse auf dem Markt der Geräte-Altbatterie-Entsorgung erforderlich. Hersteller treten vermehrt aus dem Gemeinsamen Rücknahmesystem Batterien (GRS) aus und schließen sich stattdessen herstellereigenen Rücknahmesystemen an (hRS). Dies führt unter anderem zu einem Kostenanstieg für die im System verbleibenden Hersteller. Ziel der geplanten Änderungen ist die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die am Markt beteiligten Akteure durch eine Neuordnung der bestehenden Systeme.
Vor der Novelle des ElekroG soll noch die Harmonisierung der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte abgewartet werden. Auch im Rahmen der Änderung des KrWG sollen insbesondere europarechtliche Vorgaben umgesetzt werden.
Am 13. November 2019 gab es zwischen den EU-Institutionen (Trilog) eine Einigung zur Aktualisierung der Verordnung über die Kennzeichnung von Reifen. Das neue Design der Reifenlabels wird an das des EU-Energielabels angeglichen. Der Rollwiderstand von Reifen soll verringert werden. Er macht 20 bis 30 Prozent des Kraftstoffverbrauchs eines Fahrzeugs aus. Damit sollen Kraftstoffersparnisse befördert werden. Auch runderneuerte Reifen fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung. Gelten soll die Kennzeichnung erst am 01.05.2021.
Denken Sie beim Verpackungsgesetz an die erstmals fällige Vollständigkeitserklärung am 15.05.2020. Hier müssen alle verpflichteten Unternehmen 2020 erstmals den Nachweis zu den Mengen an Verpackungen erbringen, die sie im letzten Kalenderjahr in Verkehr gebracht haben.
Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen regelt, dass alle elektronischen Kassensysteme ab dem 01.01.2020 über eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen müssen, um Manipulationen am System vorzubeugen. Kassensysteme, die eine Nachrüstung nicht ermöglichen, dürfen nach dem 31.12.2022 nicht mehr eingesetzt werden. Damit verbunden ist eine Belegausgabenpflicht.
Die Möglichkeit, eine „offene Ladenkasse“ zu führen, bleibt allerdings bestehen. Kleingewerbetreibende mit Einnahmen-Überschuss-Rechnung müssen ja keine Handelsbücher führen. Erforderlich bleibt aber eine Einzelaufzeichnung und bei offener Ladenkasse ein Kassenbericht. Führt der Unternehmer ein Kassenbuch freiwillig, so muss dieses den gesetzlichen Anforderungen genügen.