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Vorsteuerabzug bei unzutreffender Umsatzsteuer

02.02.2010  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Vorsteuerabzug bei Ausweis eines überhöhten Steuerbetrags und bei nachträglicher Erhöhung der Bemessungsgrundlage, Berechnung der abzugsfähigen Vorsteuer bei überhöhtem Steuerausweis

Leitsätze:
  1. Bei Ausweis eines überhöhten Steuerbetrags steht dem Leistungsempfänger der darin enthaltenem, gesetzlich geschuldete, Betrag als Vorsteuer zu.
  2. Ein Vorsteuerabzug wegen Erhöhung der Bemessungsgrundlage erfordert die nachträgliche Vereinbarung eines Entgelts und die tatsächliche Zahlung des vereinbarten Entgelts.
Diese Leitsätze gehen auf eine BFH-Entscheidung vom 19. November 2009 zurück, dem folgender Fall zugrunde lag.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inzwischen aufgelöste, aber steuerlich noch nicht voll beendete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die bis 1995 einen Imbissstand betrieb. Gesellschafter waren G.K. und M.K. Ihre Waren bezog die Klägerin von einem von G.K. betriebenen Einzelunternehmen. Im Rahmen von Betriebsprüfungen bei der Klägerin und dem Einzelunternehmen für die Jahre 1992 bis 1995 stellten die Prüfer anhand von Lieferscheinen fest, dass Warenlieferungen des Einzelunternehmens an die Klägerin nicht in deren Umsätze eingeflossen waren. Die Prüfer berücksichtigten diesen Vorgang ertrag- und umsatzsteuerrechtlich beim Einzelunternehmen als Entnahme von Umlaufvermögen und bei der Klägerin als Einlage. Die Entnahmen unterwarf das Finanzamt beim Einzelunternehmen dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG), während es bei der Klägerin wegen Fehlens von ordnungsgemäßen Rechnungen keine Vorsteuern auf die erhöhten Warenbezüge berücksichtigte. Die bei der Klägerin ermittelten Mehr-Umsätze wurden im Schätzungswege jeweils zur Hälfte mit dem ermäßigten Steuersatz und zur Hälfte mit dem Regelsteuersatz besteuert. In einer im Jahr 2006 beim Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuererklärung 2001 machte die Klägerin, unter Beifügung von am 1. August 2001 ausgestellten Rechnungen, für die Jahre 1992 bis 1995 Vorsteuern in Höhe von insgesamt über 50.000 DM geltend. In der Rubrik "Beschreibung" enthalten die Rechnungen jeweils die Angabe "Nachberechnung lt. Lieferscheine" und den Zusatz "1992, 1993, 1994, 1995". In der "Nachberechnung" für 1992 wird 14 % Umsatzsteuer, in den Nachberechnungen für 1993 bis 1995 sind 15 % Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Nach den Angaben der Klägerin handelt es sich dabei um die Umsatzsteuer, die das Finanzamt anlässlich der Betriebsprüfung auf die Warenlieferungen des Einzelunternehmens an die GbR festgesetzt habe.

Der Einspruch blieb erfolglos, das zuständige Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab.

In der zugelassenen Revision führt die GbR als Klägerin u.a. folgendes aus: Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG in der (vom 1.4.1999 bis zum 31.12.2001 geltenden) Fassung vom 9. Juni 1999 könne der Unternehmer jedwede Vorsteuer abziehen, die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellt worden sei. Folglich seien auch die überhöht in Rechnung gestellten (§ 14 Abs. 2 UStG) und unberechtigt ausgewiesenen Umsatzsteuern (§ 14 Abs. 3 UStG) abziehbar. Eine mit dem Gemeinschaftsrecht begründete Einschränkung des Vorsteuerabzugs sei aus Gründen des Vertrauensschutzes bis zur Neufassung des § 15 Abs. 1 UStG durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, 2659) unzulässig. Zumindest seien Vorsteuern in der bei korrekter Rechnungsstellung auszuweisenden Höhe abziehbar.

Das Finanzamt argumentiert, dass ein Vorsteuererstattungsanspruch nur für die "geschuldete" Umsatzsteuer in Betracht kommt.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Bei richtlinienkonformer Auslegung ist der Wortlaut der Norm dahingehend einzuschränken, dass als Vorsteuer nur eine für den berechneten Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer abgezogen werden darf. Diese Grundsätze führen zwar zur gänzlichen Versagung des Vorsteuerabzugs, wenn der Umsatz wegen Vorliegens einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) nicht steuerbar ist oder über einen steuerfreien Umsatz abgerechnet wurde. Wird dagegen eine Steuer für den Umsatz geschuldet, statt der geschuldeten aber eine höhere Steuer ausgewiesen, steht dem Leistungsempfänger der darin enthaltene gesetzlich geschuldete Betrag für den Vorsteuerabzug zu. Sofern die in Rechnung gestellten Waren im Rahmen eines Leistungsaustauschs bezogen wurden, wovon das Finanzgericht offensichtlich ausgegangen ist, hätte der Klage teilweise stattgegeben werden müssen. Die Höhe des Vorsteuerabzugs ergäbe sich in diesem Fall aber nicht durch Herausrechnen des ermäßigten Steuersatzes aus den jeweiligen Bruttobeträgen, sondern auf der Grundlage der in den Rechnungen ausgewiesenen und damit die Bemessungsgrundlage bildenden Nettobeträge. Der sich danach ergebende Steuerbetrag darf den in der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag nicht übersteigen.

Im Rahmen der Zurückverweisung wird das Finanzgericht u.a. auch zu prüfen haben, ob die Leistungsbeschreibung in den Rechnungen ("Nachberechnung laut Lieferscheine …") einem Vorsteuerabzug entgegensteht.

Nach ständiger Rechtsprechung muss das Abrechnungspapier Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahin gehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzungen erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. In der Abrechnung kann auf andere Geschäftsunterlagen verwiesen werden; diese müssen aber eindeutig bezeichnet sein.
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