22.10.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans Böckler Stiftung.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte in den ersten beiden Jahren nach Einführung der Zölle dadurch gut ein Prozent niedriger ausfallen als ohne eine solche Zolleskalation. Das ergeben neue Simulationsrechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Mit kurzfristig umgesetzten Investitionsprogrammen könnten die Bundesrepublik und die EU den negativen Effekt dämpfen, so die Forschenden.
Bereits die erste Amtszeit Trumps war von Handelskonflikten geprägt, insbesondere mit China. Der republikanische Kandidat hat neue Zölle angekündigt für den Fall, dass er erneut Präsident werden würde. Unter anderem einen Zoll von 60 Prozent auf „alles“ aus China und Zölle von 10 bis 20 Prozent auf alle anderen Importe.
Auch die demokratische Kandidatin Kamala Harris ist nicht als Verfechterin des Freihandels einzuordnen, schreiben die IMK-Forschenden Prof. Dr. Sebastian Dullien, Dr. Sabine Stephan und Dr. Thomas Theobald in ihrer Kurzstudie. In ihrer Zeit als Vizepräsidentin hat Präsident Joe Biden die von Trump eingeführten Zölle beibehalten und auf einzelne Güter sogar weitere Zölle gelegt. In der Summe waren die Zollerhöhungen unter Biden allerdings im Vergleich zu Trumps Zöllen marginal. Damit sei durchaus vorstellbar, dass sich Harris auch protektionistischer Mittel bedient, so die Forschenden. Umfangreiche Zollerhöhungen wie von Trump avisiert seien von der Demokratin aber nicht zu erwarten.
Um die Auswirkungen der Handelspolitik unter Trump und Harris abzuschätzen, hat das IMK auf das in der Wirtschaftsforschung weit verbreitete makroökonometrische Mehrländermodell NiGEM zurückgegriffen und damit drei Szenarien simuliert. Das „Harris“-Szenario enthält leichte Zollerhöhungen für Importe aus China und nur marginale Zollerhöhungen für Importe aus dem Rest der Welt. Das „Trump 1“-Szenario beinhaltet kräftige Erhöhungen der Zölle gegenüber China und Zollerhöhungen gegenüber dem Rest der Welt, die allerdings eher am unteren Rand seiner Ankündigungen liegen. Das „Trump 2“-Szenario enthält darüber hinaus kräftigere Zollerhöhungen gegenüber dem Rest der Welt und starke handelspolitische Reaktionen Chinas gegenüber den USA. Solche Vergeltungsmaßnahmen sind nach den Erfahrungen des US-China-Handelskonflikts in Trumps erster Amtszeit zu erwarten.
Alle drei Zollerhöhungspakete wirken zunächst einmal wachstumsdämpfend in den USA, ergeben die Berechnungen. Ein wichtiger Faktor dafür ist, dass Konsumentenpreise steigen und damit die Kaufkraft der US-Privathaushalte sinkt, was sich negativ auf den privaten Verbrauch auswirkt. Zugleich dürfte die steigende Inflation die US-Notenbank Federal Reserve zu einem restriktiveren Kurs veranlassen, was ebenfalls das Wachstum dämpft.
Die negativen Effekte der von Donald Trump angekündigten Zölle für die US-Wirtschaft sind dabei weitaus größer als die im „Harris“-Szenario. Sie dürften auch viel stärker ausfallen als während der ersten Amtszeit des Republikaners. Denn bei einer Ausweitung und Erhöhung von Zöllen in dem Maße, wie von Trump nun angekündigt, ist es wenig plausibel, dass ausländische Hersteller einen erheblichen Teil der zusätzlichen Kosten absorbieren, indem sie beispielsweise auf Gewinnmargen verzichten
Es dürfte vielmehr einen massiven Verbraucherpreisschock mit entsprechend negativen Konsequenzen für die US-Wirtschaft geben.
schreiben Dullien, Stephan und Theobald
Auf Seiten der US-Handelspartner dämpfen schrumpfende Exportnachfrage und fallende Gewinnmargen das Wachstum. Zu den ebenfalls erheblichen weltwirtschaftlichen BIP-Verlusten trägt neben dem direkten Verlust von Wirtschaftsleistung in den USA in starkem Maße die negative BIP-Entwicklung nord- und südamerikanischer Handelspartner der Vereinigten Staaten bei. Zudem vergrößern sich die BIP-Verluste bei zu erwartenden Vergeltungsmaßnahmen Chinas, wobei diese am stärksten auf die USA direkt wirken würden. Diese Vergeltungsmaßnahmen sind es, die einen Teil des Unterschieds in den Auswirkungen des „Trump 1“ und „Trump 2“-Szenarios erklären.
„Bemerkenswert ist, wie hart die US-Ökonomie in diesem Szenario getroffen wird“, betonen die Ökonom*innen des IMK. Ende 2025, ein knappes Jahr nach der in der Simulationsrechnung angenommen Einführung der angekündigten Zölle, läge das US-BIP im „Trump 2“-Szenario um knapp vier Prozent niedriger als im Szenario ohne neue Zölle. Im vierten Quartal 2026 wären es sogar mehr als fünf Prozent und am Ende des Berechnungszeitraums Ende 2028 betrüge der Verlust an Wirtschaftsleistung noch knapp fünf Prozent. Im „Trump 1“-Szenario ohne chinesische Gegenmaßnahmen fiele das US-BIP Ende 2025 um gut zweieinhalb Prozent niedriger aus als ohne Zolleskalation, Ende 2028 um knapp dreieinhalb Prozent (methodischer Hinweis: Da es sich beim BIP um eine ökonomische Flussgröße handelt, können die Werte der verschiedenen Jahre nicht zusammengerechnet werden).
Donald Trump verfolge mit seinen Zöllen das Ziel, die heimische Produktion zu stärken, also eine Importsubstitution anzuregen, analysieren die Wissenschaftler*innen. Ein sehr deutlicher Rückgang der US-Importe in den Simulationsergebnissen des NiGEM-Modells weise darauf hin, dass es diesen Effekt tatsächlich gibt. Da allerdings die anderen, wachstumshemmenden Effekte für die US-Wirtschaft stärker sind, überwiegen unterm Strich die BIP-senkenden Effekte deutlich.
Während die deutsche Wirtschaft im „Harris“-Szenario nur marginale negative Wachstumseinbußen hinnehmen müsste (das BIP ist nur vorübergehend und nur wenige Zehntel Prozent geringer als in einer Situation ohne neue Zölle), könnte der BIP-Verlust im Szenario „Trump 2“ in den beiden Jahren nach Einführung der Zölle mehr als ein Prozent betragen. Mit der Zeit flacht der negative Effekt etwas ab, bleibt aber bis zum Ende des Simulationszeitraums spürbar. Die negativen Auswirkungen für den Euroraum insgesamt haben eine ähnliche Größenordnung wie jene für Deutschland. Die Ergebnisse aus den Simulationen des IMK ähneln in den Größenordnungen denen aus Veröffentlichungen anderer Institutionen.
Für die deutsche Wirtschaft käme erschwerend hinzu, dass der Zollschock in einem Moment droht, in dem sich die Industrie nicht vollständig von dem Energiepreisschock infolge der russischen Invasion der Ukraine erholt hat und aufgrund der aggressiven Industriepolitik Chinas und der USA ohnehin unter Druck steht. „Ein weiterer negativer äußerer Schock könnte zu einer Verfestigung der aktuellen Stagnationsphase beitragen“, warnt das IMK.
Eine Möglichkeit für Deutschland und Europa gegenzusteuern, wäre nach Analyse der Forschenden, eine expansivere Finanzpolitik zu betreiben, etwa durch eine schnelle Umsetzung eines kreditfinanzierten öffentlichen Investitionsprogramms. Eine solche fiskalpolitische Stabilisierung hätte das Potenzial, den Zollschock zu einem beträchtlichen Teil abzufedern. „Angesichts des durchaus bestehenden Risikos einer Wiederwahl Donald Trumps und einer tatsächlichen Umsetzung seiner Zollpläne sollten die deutsche und die europäische Politik solche Maßnahmen jetzt schon vorbereiten“, sagt IMK-Direktor Dullien.
Gerade Deutschland hat ja ohnehin einen enormen Investitionsbedarf, um die öffentliche Infrastruktur auf die Höhe der Zeit zu bringen. Die möglichen Folgen der US-Wahl sind noch ein zusätzlicher Grund, damit schnell anzufangen. Dazu gehört es auch, über eine Reform der Schuldenbremse für den notwendigen finanziellen Spielraum zu sorgen.
Bild: Tim Mossholder (Pexels, Pexels Lizenz)
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