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Quo Vadis Schallschutz? (2/3)

19.07.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Unipor.

Der Normenentwurf für den erforderlichen Schallschutz im Hochbau verfehlt in seiner derzeit vorliegenden Ausführung seine Zielsetzung: Zu diesem ernüchternden Fazit kommt Dr.-Ing. Thomas Fehlhaber, Geschäftsführer der Unipor-Ziegel-Gruppe (München). Lesen Sie heute den zweiten Teil seines Fachartikels.

Hier geht es zum ersten Teil »

Berechnungsverfahren im Vergleich

Die Schalldämm-Eigenschaften sind bei gegebener Größe und Masse eines Bauteils konstant. Mit steigender Raumtiefe bietet ein und dasselbe Bauteil einen ebenfalls steigenden Schallschutz. Die Definition des erforderlichen Bau-Schalldämm-Maßes bringt somit den Vorteil, dass die Anforderungen an den Schallschutz klar definiert sind: Erfüllt ein Trennbauteil die geforderten Dämmeigenschaften, so steigt der Schallschutz mit zunehmender Entfernung vom Bauteil sogar noch an. (Vgl. Abb.2) Eine Definition aus Richtung des erforderlichen Schallschutzes birgt hingegen das Problem, dass dieser Wert keine Konstante darstellt. Vielmehr lässt er nur in Kombination mit Informationen über die Raumtiefe überhaupt Rückschlüsse auf die notwendigen Spezifikationen der Bauteile zu. (Vgl. Abb. 3)

Abb. 2/3
Abb. 2 (links): Klare Definition über das Schalldämm-Maß (blau): Bei gegebener Schalldämmung des Trennbauteils (53 dB) steigt die Standard-Schallpegeldifferenz (rot) im schutzbedürftigen Empfangsraum stetig an.
Abb. 3 (rechts): Definition über die Standard-Schallpegeldifferenz (rot): Die erforderliche Schalldämmung (blau) kann nur in Kombination mit Informationen über die Raumtiefe bestimmt werden.
Grafiken: UNIPOR, München

Neben der Änderung in der Berechnung betrifft eine weitere wichtige Neuheit im Normenentwurf für die DIN 4109 den Katalog der sogenannten schutzbedürftigen Räume. Die ursprüngliche DIN 4109 erfasste Aufenthaltsräume wie Wohn- und Schlafräume, Kinderzimmer, Arbeitsräume und Unterrichtsräume als besonders schutzbedürftig. Der diskutierte Vorschlag für die neue DIN 4109 sieht eine Ausweitung des Katalogs auf kleine und sehr kleine Räume, beispielsweise Abstellkammern, Badezimmer, WCs und Flure vor. Das heißt: Für eine beträchtliche Anzahl von Nicht-Aufenthaltsräumen sollen zukünftig dieselben Anforderungen an den Luftschallschutz gelten, wie für Aufenthaltsräume. Dabei handelt es sich in erster Linie um schallschutztechnisch unglückliche Übertragungswege von großen Räumen in kleine Empfangsräume.

Die Umstellung von R’W auf DnT,W und die Ausweitung des Attributs „schutzbedürftiger Raum“ auf kleine und kleinste Räume führt – für Räume mit einer Raumtiefe von weniger als drei Metern – zu einer Verschärfung der Schalldämmung. Diese kann, abhängig von den tatsächlichen Raummaßen, mehr als fünf Dezibel betragen. Eine beispielhafte Berechnung an zwei unterschiedlich kleinen Räumen zeigt diese eklatante Verschärfung der Anforderungen (Vgl. Abb. 6). Dabei entspricht der erste Raum mit 1,23 m² Grundfläche und einer Raumtiefe von 1,25 m zur Trennwand in Abmessung und Anordnung beispielsweise einem WC. Der zweite Raum verfügt über eine Grundfläche von 5,29 m². In der Berechnung sowohl der horizontalen als auch der vertikalen Schallübertragung zeigt sich das volle Ausmaß der Verschärfung, die durch die Bemessungsgrundlage der EN 12354 herbeigeführt wird. (Vgl. Abb. 4 & 5)

Abb. 6

Abb. 4/5
Abb. 6 (oben): Etagengrundriss Merziger Straße: Die grünen sowie die blauen Räume sind Grundlage der Berechnungen.
Abb. 4 (links unten): Beispielhafte Berechnungsergebnisse des grünen Raumes. Dieser entspricht in Form und Abmessungen in etwa einem WC oder einem Abstellraum.
Abb. 5 (rechts unten): Beispielhafte Berechnung des Badezimmers (blauer Raum).
Grafiken: UNIPOR, München

Für Klein- und Kleinsträume sieht der bisherige Normenentwurf einen Korrekturfaktor in Form einer fiktiven Trennbauteilfläche von mindestens 6,4 m² in der Berechnung vor. Im Falle des 1,23m² großen Raumes hebt diese Maßnahme das rechnerische Schalldämm-Maß R’W des Trennbauteils von 49,9 dB auf 53 dB (horizontal) und von 52,6 dB auf 58,2 dB (vertikal) an. Damit wäre die Anforderung an die Schalldämmung rechnerisch erfüllt. Dennoch verbessert sich der tatsächliche Schallschutz des Raumes keineswegs und verbleibt weiterhin deutlich unter 50 dB. Sinnvoll wäre daher die Schutzbedürftigkeit der Räume an eine Mindestgrundfläche zu knüpfen, wie beispielsweise 10 m².

Konsequenzen aus dem Nachweisverfahren nach Normenentwurf 2010

Das Nachweisverfahren nach dem vorliegenden Normenentwurf gestaltet die bauordnungsrechtlichen Schallschutznachweise erheblich aufwändiger als die DIN 4109 von 1989. Durch die Abhängigkeit des Schallschutzes von Raumgröße und -geometrie müssen die Nachweise zukünftig für jeden einzelnen Raum einer Wohnung geführt werden – und dies zudem richtungsabhängig. Dabei müssen alle 13 Schallübertragungswege in die Bilanzierungsformel integriert und als energetische Summe ausgegeben werden. Dies treibt die Kosten für die Planung und Berechnung signifikant in die Höhe. Laut Entwurf weitet die neue DIN 4109-1 die Qualität der Schutzbedürftigkeit außerdem auf Räume aus, deren Schallschutz nicht ohne rechentechnische Anpassungen möglich ist. Die praktische Umsetzung sowohl des Rechenverfahrens, als auch der erforderlichen Schallschutzqualität für diese kleinen Räume erfordern einen erheblich höheren Planungsaufwand als bisher. Denn insbesondere die Schallübertragung von großen Räumen in kleine Räume ergibt ungünstige Werte. Nur durch den Einsatz bislang unüblicher Materialstärken und Konstruktionen wäre es für diese kleinen Räume möglich, einen ausreichenden Schallschutz gemäß Normenentwurf zu gewährleisten. Auch wenn dieser Effekt durch Planungsänderungen zu vermeiden wäre, erfordert er doch – und zwar für die gesamte Bandbreite üblicher Bauprodukte – eine zwingende Steigerung von Qualität und Menge des Materialeinsatzes. Um das Qualitätsniveau wohnüblicher Räume auch in kleinen Räumen zu erreichen, ist daher ein hoher finanzieller Aufwand vonnöten, der letztlich vom Endnutzer zu tragen sein wird – und dies bei der praktischen, bautechnischen Umsetzung ebenso wie beim rechnerischen Nachweis. Dabei erreicht die Norm jedoch keineswegs ein praktisch bedeutsam höheres Maß an Schallschutz- und somit Wohnqualität. Zudem ist die geforderte Schallschutzqualität zumindest in Kleinräumen auch messtechnisch nur unzureichend nachweisbar.

Lesen Sie hier den dritten Teil »

Der Autor:
Dr.-Ing. Thomas Fehlhaber ist seit November 2003 Geschäftsführer der Unipor-Ziegel-Gruppe (München). Vor seiner Tätigkeit für die Unipor-Gruppe arbeitete Fehlhaber als Dozent – unter anderem für Bauphysik – an der TH Darmstadt und verantwortete mehrere deutsche Produktionsstandorte eines internationalen Baustoffkonzerns.

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