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Prüfpflicht zur Besetzung freier Arbeitsplätze

21.11.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.10.2011 und die Auswirkungen auf die Praxis.

Einleitung

Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahre 2006 häufen sich die Gerichtsverfahren, in denen abgelehnte Stellenbewerber Ansprüche auf Entschädigungszahlungen wegen vermeintlicher Diskriminierung geltend machen. Hintergrund hierfür ist, dass es das AGG dem abgelehnten Stellenbewerber verhältnismäßig leicht macht, das Vorliegen einer solchen Diskriminierung im Gerichtsverfahren zu beweisen. So bestimmt das AGG, dass eine Diskriminierung bereits dann anzunehmen ist, wenn der Stellenbewerber lediglich Indizien darlegen und beweisen kann, die eine solche Diskriminierung vermuten lassen. In dem hier besprochenen Fall ging es um die vermeintliche Diskriminierung eines Stellenbewerbers mit einem Grad der Behinderung von 60. Nach dem Schwerbehindertenrecht sind Arbeitgeber verpflichtet, zu prüfen, ob sie freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen können. Damit auch arbeitslose oder als Arbeit suchend gemeldete schwerbehinderte Menschen bei der Bewerbung berücksichtigt werden können, müssen Arbeitgeber frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. Diese schlägt den Arbeitgebern dann gegebenenfalls geeignete schwerbehinderte Menschen für die ausgeschriebene Stelle vor.

Mit der hier besprochenen Entscheidung hat das BAG eine Verletzung dieser Pflicht als Indiz für die Benachteiligung eines abgelehnten schwerbehinderten Stellenbewerbers gewertet.

Sachverhalt

Der schwerbehinderte Kläger bewarb sich bei der beklagten Gemeinde auf deren ausgeschriebene Stelle für eine Mutterschaftsvertretung in den Bereichen Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt. Der Kläger hatte eine kaufmännische Berufsausbildung, ein Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaft und eine Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst absolviert und erfüllte damit objektiv die Voraussetzungen der Stellenbeschreibung. Die Beklagte besetzte die Stelle anderweitig, ohne zuvor geprüft zu haben, ob der freie Arbeitsplatz auch mit schwerbehinderten Menschen hätte besetzt werden können. Auch eine Kontaktaufnahme zur Agentur für Arbeit erfolgte nicht. Der Kläger verlangte daraufhin die Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG mit der Begründung, dass er wegen seiner Behinderung nicht eingestellt worden wäre.

Entscheidung

Während das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Klage abgewiesen hatte, war die Revision des Klägers vor dem BAG im Grundsatz erfolgreich. Das BAG wies darauf hin, dass eine Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen immer und für alle Arbeitgeber bestehe und zwar unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch überhaupt auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat oder, im Falle seiner Bewerbung, diesen Status offenbart hat. Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, stelle dies ein Indiz dafür dar, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung abgelehnt habe. Da die beklagte Gemeinde dieses Indiz nicht widerlegen konnte, hat das BAG die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, das über die Höhe der dem Kläger zustehenden Entschädigung zu entscheiden haben wird.

Praxishinweis

Für die Arbeitgeber ist dieses Urteil einmal mehr eine Erinnerung daran, dass sie bei der Besetzung einer freien Stelle ihre gesetzliche Pflicht zur Förderung schwerbehinderter Menschen beachten müssen, um sich AGG-konform zu verhalten und damit etwaigen Entschädigungsansprüchen zu entgehen. Arbeitgeber müssen daher vor jeder Einstellung prüfen, ob die Besetzung der freien Stelle mit einem schwerbehinderten Menschen in Betracht kommt. Sodann müssen sie Verbindung zur Agentur für Arbeit aufnehmen, damit sicher gestellt ist, dass auch arbeitslose und Arbeit suchend gemeldete schwerbehinderte Menschen bei der Stellenbesetzung berücksichtigt werden können.

Quelle: Sabrina Gäbeler, Taylor Wessing München

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