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Neues zur Wirksamkeit von Versetzungen

26.09.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, in der über die Wirksamkeit einer Versetzung an einen anderen Arbeitsort entschieden wurde.

In seinem Urteil vom 13.06.2012 (10 AZR 296/11) entschied das BAG, dass eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist und somit keine Änderungskündigung erforderlich ist, wenn der Arbeitsort im Arbeitsvertrag nicht festgelegt ist. Des Weiteren stellte das BAG in seiner Entscheidung klar, dass die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend schafft, dass der Arbeitgeber von diesem Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will.

I. Einleitung

Manchmal ist es Zeit für eine Veränderung, auch was den Ort der Arbeitsleistung anbelangt. Die Gründe, die ein Arbeitgeber haben kann, um einem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zuzuweisen, sind vielfältig. Im Rahmen billigen Ermessens ist eine solche Zuweisung eines anderen Arbeitsorts auch vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt – allerdings nur, wenn im Arbeitsvertrag kein konkreter Ort für die zu erbringende Arbeitsleistung festgelegt ist. Ist im Arbeitsvertrag ein konkreter Arbeitsort ohne wirksamen Versetzungsvorbehalt festgelegt, ist eine örtliche Versetzung nicht mehr vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt und eine Änderungskündigung oder einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages notwendig.

II. Sachverhalt

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In dem vom BAG zu entscheidenden Fall ging es um die Klage einer Arbeitnehmerin gegen ihre Versetzung an einen anderen Arbeitsort sowie gegen die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung. Die Klägerin war seit 1990 als Purserette (Kabinenchefin) für die S Fluggesellschaft, die Tochtergesellschaft der Beklagten, tätig. Im Arbeitsvertrag der Klägerin heißt es unter anderem: "Einsatzort ist grundsätzlich Frankfurt/Main. S kann Frau ... auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie befristet bei einem anderen Unternehmen einsetzen." Nach Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte 1995 war die Klägerin durchgehend in Hannover tätig.

2009 beschloss die Beklagte, den Stationierungsort Hannover für das fliegende Personal aufzuheben. Sie versetzte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2010 unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion als Purserette von Hannover nach Frankfurt am Main. Hilfsweise kündigte sie das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Stationierungsort Frankfurt am Main. Die Klägerin hält diese Versetzung für unwirksam, da als Arbeitsort Hannover vertraglich vereinbart sei. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das LAG Niedersachsen hielt die Versetzung für rechtsunwirksam und die hilfsweise Änderungskündigung für sozial ungerechtfertigt.

III. Die Entscheidung

Ob die Versetzung im konkreten Fall tatsächlich wirksam ist oder nicht, konnte das BAG mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück. Was das BAG jedoch feststellen konnte, ist, dass das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten die Befugnis umfasst, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort zuzuweisen. Die Auslegung des Formulararbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist. Im Arbeitsvertrag heißt es nur, ihr Einsatzort sei "grundsätzlich" Frankfurt am Main und dass der Arbeitgeber die Klägerin "auch vorübergehend oder auf Dauer ... an einem anderen Ort einsetzen" könne. Frankfurt am Main ist hier lediglich als die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort zu betrachten.

Auch die zwischenzeitliche Versetzung nach Hannover, die nach einem Schreiben der Beklagten auf Wunsch der Klägerin erfolgte, hielt sich im Rahmen des Direktionsrechts. Die Vertragsbedingungen blieben, von der Versetzung abgesehen, unverändert. Der Arbeitsort hat sich auch nicht dadurch auf Hannover konkretisiert, dass die Klägerin dort circa 14 Jahre tätig war. Zwar ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass sich Arbeitspflichten – auch ohne ausdrückliche Erklärung – nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren, allerdings schafft die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum in der Regel keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Allein der Nichtausübung des Direktionsrechts kann also kein Erklärungswert beigemessen werden.

Zur vertraglichen Beschränkung des Direktionsrechts durch konkludentes Verhalten müssen besondere Umstände hinzutreten, die im entschiedenen Fall nicht vorgetragen wurden. Da der Ort der Arbeitsleistung vertraglich nicht festgelegt ist, ergeben sich die Grenzen des Weisungsrechts unmittelbar aus § 106 GewO. Ein zusätzlich im Arbeitsvertrag enthaltener Versetzungsvorbehalt bedarf keiner gesonderten Inhaltskontrolle. Die Beklagte hätte von ihrem Weisungsrecht einen § 106 GewO, § 315 BGB entsprechenden, billiges Ermessen wahrenden Gebrauch machen müssen. Ob dies der Fall war, konnte das BAG nicht abschließend beurteilen.

IV. Praxishinweis

Will ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsort versetzen, empfiehlt sich zunächst ein Blick in den Arbeitsvertrag, um feststellen zu können, ob die Versetzung im Rahmen des Direktionsrechts möglich ist, oder ob es einer Änderungskündigung oder einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrags bedarf.

Bei der Einstellung neuer Arbeitnehmer ist ein besonderes Augenmerk auf die vertragliche Gestaltung zu legen, um sich – falls dies gewünscht ist – eine gewisse Flexibilität zu bewahren. Soll das Direktionsrecht dann ausgeübt und der Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsort versetzt werden, ist noch zu überprüfen, ob sich die Versetzung im Rahmen billigen Ermessens hält. Dies erfordert eine Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind hier beispielsweise die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile oder familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.

Quelle: Taylor Wessing
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