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Kündigung wegen kritischer Äußerungen über den Arbeitgeber unwirksam

02.06.2010  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: none.

Übt ein Mitarbeiter öffentlich Kritik an seinem Arbeitgeber, stellt sich für diesen häufig die schwierige Frage, inwieweit die kritischen Äußerungen ein kündigungswürdiges Fehlverhalten darstellen. Diese Problematik stellt sich in letzter Zeit vermehrt, da manche Mitarbeiter soziale Internetnetzwerke wie z. B. Facebook oder XING dazu nutzen, ihren Unmut über den Arbeitgeber öffentlich zu äußern.

Einleitung

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Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung zum Nachteil des Arbeitgebers, von Kunden oder anderer Arbeitskollegen sind grundsätzlich geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Bloße kritische Äußerungen über den Arbeitgeber rechtfertigen eine Kündigung bzw. einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers dagegen nicht ohne Weiteres.

Übt ein Mitarbeiter öffentlich Kritik an seinem Arbeitgeber, ist oftmals schwer zu entscheiden, ob dadurch ein kündigungswürdiges Fehlverhalten gegeben ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit allen Arbeitnehmern das Recht gewährt, ihre Meinung über ihre Vorgesetzten und das Unternehmen, bei dem sie beschäftigt sind, auch öffentlich zu äußern. Kritische Äußerungen eines Arbeitnehmers rechtfertigen dementsprechend keine Kündigung, solange die Kritik von seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Das Recht des Arbeitnehmers, Kritik zu üben, gilt allerdings nicht schrankenlos. Die Meinungsfreiheit wird insbesondere durch die Rücksichtnahmepflicht im Arbeitsverhältnis beschränkt. Kritische Äußerungen über den Arbeitgeber sind daher in besonderen Fällen geeignet, einen Kündigungsgrund darzustellen. Hier ist eine genaue Betrachtung des Einzelfalls notwendig. Die Anforderungen an eine (außerordentliche) Kündigung wegen öffentlicher Kritik am Arbeitgeber sind allerdings hoch. Dies macht auch die aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg deutlich.


Sachverhalt

Der betreffende Arbeitnehmer war bei einem Unternehmen der Automobilbranche als Maschinenbediener tätig. Er ist Mitglied der IG Metall und gewerkschaftlicher Vertrauensmann im Betrieb sowie Mitglied des Solidaritätskreises „Einer für Alle - Alle für Einen”.

Im Jahr 2002 warf der Arbeitnehmer im Informationsblatt „Solidaritätskreis-Info” dem Arbeitgeber unter anderem „verschärfte Ausbeutung“, „Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte“ und „menschenverachtende Jagd auf Kranke“ vor. Auf diese Äußerungen stützte der Arbeitgeber im Dezember 2002 eine erste Kündigung. Diese Kündigung wurde vom Bundesarbeitsgericht für unwirksam erklärt. Das BAG ließ allerdings offen, ob im Verhalten des Arbeitnehmers eine Pflichtverletzung zu sehen sei, da der Arbeitnehmer jedenfalls vor Ausspruch der Kündigung hätte abgemahnt werden müssen (BAG v. 12.02.2006, 2 AZR 1/05).

In der Folge unternahm der Arbeitgeber drei weitere erfolglose Versuche, sich vom betreffenden Mitarbeiter zu trennen. Im Laufe der langjährigen Auseinandersetzungen wiederholte der Arbeitnehmer die gemachten Äußerungen in abgewandelter Form in einem Internetbeitrag. Darin feierte er das Urteil des BAG als „Erfolg für die Arbeitnehmerbewegung“, da nach dem Urteil die Benutzung der Begriffe „menschenverachtende Jagd auf Kranke“ und „Ausbeutung“ von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Dies nahm der Arbeitgeber zum Anlass, dem Arbeitnehmer die inzwischen fünfte Kündigung auszusprechen. Hilfsweise beantragte er die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.


Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat auch diese (vorerst) letzte Kündigung für unwirksam erklärt und den Auflösungsantrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.02.2010, 2 Sa 59/09).

Das LAG war der Auffassung, die verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten sei unwirksam, da der Internetbeitrag des Klägers vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei und nicht seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletze. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Zusammenhang mit den vorausgegangenen gerichtlichen Auseinandersetzungen der Parteien zu sehen waren.

Die Äußerungen des Klägers rechtfertigten nach Ansicht des Gerichts auch nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers. Eine Gesamtbewertung der Äußerungen und des Verhaltens des Klägers lasse nicht erkennen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu erwarten sei.


Praxishinweis

Das Urteil des LAG Baden-Württemberg unterstreicht erneut, dass Arbeitgeber auch auf überzogene und polemische Kritik ihrer Mitarbeiter besonnen reagieren sollten.

Das Urteil folgt der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach allgemeine Kritik an den allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen einerseits und am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen andererseits – auch wenn sie überspitzt und polemisch ausfällt – vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist und deshalb regelmäßig nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt (BAG v. 12.02.2006, 2 AZR 21/05).

Der Arbeitgeber muss sich jedoch nicht alles gefallen lassen. Die Grenzen des Zulässigen sind jedenfalls dann überschritten, wenn sich die Äußerungen als grobe Beleidigungen darstellen, die für den Arbeitgeber oder seine Vertreter und Repräsentanten eine erhebliche Ehrverletzung bedeuten (BAG, Urt. v. 24.11.2005, 2 AZR 584/04). Eine grobe Beleidigung soll dabei nach einer aktuellen Entscheidung des LAG Niedersachsen dann vorliegen, wenn es sich um eine „bewusste und gewollte Ehrkränkung aus gehässigen Motiven“ handelt (LAG Niedersachsen, Urt. 12.02.2010, 10 Sa 569/09).

Es gilt zu beachten, dass es letztlich von den Gesamtumständen des Einzelfalls abhängt, ob durch kritische Äußerungen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Kündigung auch in diesem Zusammenhang immer das letzte Mittel darstellt. Vor allem bei unbedachten Äußerungen im Internet dürfte eine sofortige Kündigung unverhältnismäßig sein. Der Arbeitgeber hat daher regelmäßig zunächst eine Abmahnung auszusprechen, um eine Wiederholung des Verhaltens ausschließen. Erst wenn der Arbeitnehmer nach einschlägiger Abmahnung wiederum gegen diese Arbeitsanweisung verstößt, kann der Arbeitgeber unter Umständen eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen.

Quelle: Sven Heide (Taylor Wessing Hamburg)
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