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Können zwei unterschiedliche Unternehmen ein einheitlicher Arbeitgeber sein?

30.09.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg beschäftigte sich am 07. März 2013 mit dem Thema der Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsverhältnisses im Anschluss an ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber, mit dem der neue Arbeitgeber einen Gemeinschaftsbetrieb führt.

I. Einleitung

Unternehmen können einen sogenannten Gemeinschaftsbetrieb bilden. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb hat Folgen für eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Aspekte. Einige dieser Folgen können aus Arbeitgebersicht positiv sein, viele sind jedoch auch nachteilhaft.

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Eine aus Arbeitgebersicht wünschenswerte Konsequenz eines Gemeinschaftsbetriebs kann es zum Beispiel sein, dass der Gemeinschaftsbetrieb als ein einheitlicher Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) anzusehen ist, so dass sich für diesen Gemeinschaftsbetrieb auch nur ein Betriebsrat bilden kann. Liegt hingegen kein Gemeinschaftsbetrieb vor, kann sich für jeden der einzelnen Betriebe – vorausgesetzt es sind jeweils in der Regel fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt – jeweils ein Betriebsrat bilden. Im Falle mehrerer Betriebsräte innerhalb einer Unternehmensgruppe kann sich zudem ein Konzernbetriebsrat bilden.

Es ergeben sich aber aus Arbeitgebersicht auch Nachteile aus dem Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs, wie zum Beispiel:

  • Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) hängt von der Gesamtzahl der in dem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer ab. Dies führt dazu, dass das KSchG auch bei Unternehmen Anwendung finden kann, die selbst nur so wenige Arbeitnehmer beschäftigen, dass das KSchG an sich bei ihnen nicht anzuwenden wäre.
  • Im Falle von betriebsbedingten Kündigungen ist die erforderliche Sozialauswahl auf alle Arbeitnehmer des Gemeinschafsbetriebs zu erstrecken und sind Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in dem Gemeinschaftsbetrieb insgesamt, also unternehmensübergreifend, zu prüfen.
  • Eine im Gemeinschaftsbetrieb bestehende betriebliche Übung kann alle an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber binden.

Das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs wird angenommen, wenn die einzelnen Betriebe einer einheitlichen Leitung unterliegen. Für eine einheitliche Leitung bedarf es neben der tatsächlichen unternehmensübergreifenden Leitung im Sinne des einheitlichen Leitungsapparats einer rechtlichen Vereinbarung über die einheitliche Ausübung der Leitung zwischen den Unternehmen (sogenannte Führungsvereinbarung). Eine solche Führungsvereinbarung muss allerdings nicht ausdrücklich geschlossen werden, sondern kann auch konkludent zustande kommen. Hierbei werden von der Rechtsprechung viele Indizien herangezogen, um zu ermitteln, ob der Kern der Arbeitgeberaufgaben im personellen und sozialen Bereich von einer einheitlichen Leitung ausgeübt wird und daher eine Führungsvereinbarung angenommen werden kann. Solche Indizien sind z.B. personenidentische Geschäftsleitungen, gemischte Teams, gemischte Büros oder eine gemeinsame Personalabteilung mit Entscheidungsbefugnissen gegenüber den Arbeitnehmern.

Fraglich war in dem Verfahren vor dem LAG Hamburg nun, ob eine sachgrundlose Befristung mit einem Arbeitnehmer möglich ist, der zuvor bei einem Unternehmen beschäftigt war, das mit dem neuen Arbeitgeber einen Gemeinschaftsbetrieb bildet. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines Sachgrundes für diese Befristung nämlich nur möglich, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor noch kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

II. Sachverhalt

In dem Fall, den das LAG Hamburg zu entscheiden hatte, war der Kläger über mehr als drei Jahre in einem Gemeinschaftsbetrieb zweier öffentlich-rechtlicher Unternehmen beschäftigt. Zunächst wurde der Kläger bei dem einen Unternehmen vom 1. Oktober 2008 bis 31. Dezember 2010 als Fachassistent Integrationsmaßnahmen beschäftigt. Da dem Kläger für den Anschluss ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag mit dem anderen Unternehmen (der Beklagten) angeboten wurde, verzichtete dieser auf die Erhebung einer Befristungskontrollklage mit Ablauf der ersten Befristung. Der neue und streitgegenständliche Vertrag wurde Ende November 2010 für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 mit der Beklagten geschlossen. Der Kläger wurde in dieser Zeit wiederum als Fachassistent Integrationsmaßnahmen beschäftigt.

In der Vergangenheit hatte das Bundesarbeitsgericht in vergleichbaren Fällen sehr deutlich entschieden, dass Arbeitgeber im Sinne des TzBfG der Vertragsarbeitgeber ist, also das Unternehmen mit dem der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Die vorherige Beschäftigung in demselben Betrieb – unter Umständen sogar auf demselben Arbeitsplatz – mit einem anderen Arbeitgeber war also unschädlich für den Abschluss eines neuen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags (zuletzt BAG, Urteil v. 09.03.2011 – 7 AZR 657/09). Eine Ausnahme nahm das BAG für Fälle an, in denen miteinander verbundene Arbeitgeber in „bewusstem und gewollten Zusammenwirken“ aufeinanderfolgende Arbeitsverträge „ausschließlich“ deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach dem TzBfG gegebenen Möglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinander reihen zu können (sogenannte Umgehungskontrolle).

Diese Rechtsprechung war in Zweifel geraten, weil das LAG Köln im Jahr 2012 eine klar andere Linie vertreten hatte (4 Sa 1184/11). Aus Sicht des LAG Köln ist es für Arbeitnehmer zu schwierig zu beweisen, dass die Arbeitgeber die Verträge „nur“ und „ausschließlich“ deshalb schließen, um die Befristungsmöglichkeiten des TzBfG zu umgehen. Es entschied daher, dass Arbeitgeber, die sich dauerhaft zur Führung eines Gemeinschaftsbetriebs verbunden hatten, als ein Arbeitgeber im Sinne des TzBfG zu werten sind, dass also eine vorherige Beschäftigung in demselben Gemeinschaftsbetrieb eine anschließende sachgrundlose Befristung verhindert.

III. Entscheidung

Das LAG Hamburg hat sich in diesem Fall wieder der Linie des BAG angeschlossen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Das LAG Hamburg hat entschieden, dass die zweite Befristung des Klägers bis zum 31. Dezember 2011 nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam war. Das sog. Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei nicht verletzt worden. Das LAG Hamburg führte hierbei aus, dass ein Vorbeschäftigungsverbot in diesem Sinne lediglich gegeben sei, wenn ein vorhergehender Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber abgeschlossen worden sei, d.h. wenn der Vertragspartner des Arbeitnehmers bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person sei. Das Vorbeschäftigungsverbot knüpfe nicht an den Beschäftigungsbetrieb oder den Arbeitsplatz an. Vielmehr betont das LAG und folgt dabei der Auffassung des BAG, dass der Gesetzgeber für die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nicht auf die vorherige Beschäftigung in einem Betrieb oder für einen Betriebsinhaber, sondern nur auf den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber abstelle. Im Sinne der Umgehungskontrolle sei nicht ersichtlich geworden, dass der neue Arbeitsvertrag „ausschließlich“ geschlossen wurde, um das Vorbeschäftigungsverbot zu umgehen.

IV. Praxishinweis

Auch wenn die Entscheidung des LAG Hamburg noch nicht rechtskräftig ist, so deutet sie zumindest darauf hin, dass wieder etwas mehr Rechtssicherheit in Hinblick auf die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung nach einem Vorbeschäftigungsverhältnis im Gemeinschaftsbetrieb gegeben sein könnte.

Vor allem aber ist sie willkommener Anlass nochmals darauf hinzuweisen, dass Unternehmen, die eng miteinander zusammen arbeiten und bei denen es einen gewissen gemeinsamen Personaleinsatz oder unternehmensgemischte Teams gibt, überprüfen sollten, ob die Konsequenzen eines eventuellen Gemeinschaftsbetriebs gewünscht sind oder ob dies nicht der Fall ist. Vor dem Hintergrund dieser Prüfung sollten die Indizien, die die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs begründen, genau untersucht und sollten gegebenenfalls Änderungen vorgenommen werden.

 

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