24.04.2017 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, das Elektro- und Elektronikartikel vertreibt, bot einen telefonischen Kundendienst an. Dieser war unter einer 0180er-Nummer zu erreichen. Die Kosten betrugen für einen Anruf aus dem deutschen Festnetz 0,14 Euro pro Minute und für einen Anruf aus dem aus einem Mobilfunknetz 0,42 Euro pro Minute. Die Kosten für einen Anruf unter dieser Nummer waren damit höher als für einen gewöhnlichen Anruf unter einer Festnetz- oder Mobilfunknummer.
Hiergegen ging die Wettbewerbszentrale vor und nahm das Unternehmen vor dem LG Stuttgart auf Unterlassung in Anspruch.
Nach der Verbraucherrechterichtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Verbraucher nicht verpflichtet sind, für Anrufe unter einer Telefonnummer, die der Unternehmer eingerichtet hat, um im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen kontaktiert zu werden, mehr als den Grundtarif zu zahlen. Der Begriff „Grundtarif" wird in der Richtlinie jedoch nicht definiert. Aus diesem Grund ersuchte das LG Stuttgart den EuGH vorab um Auslegung der Richtlinie.
Der EuGH (EuGH, Urteil vom 02.03.2017, Az. C-568/15) hat entscheiden, dass der Begriff „Grundtarif“ dahingehend auszulegen sei, dass ein Anruf unter einer Kundendienst-Telefonnummer keine höheren Kosten verursachen dürfe als ein gewöhnlicher Anruf. Es dürften keine Kosten entstehen, welche die Kosten eines Anrufs unter einer gewöhnlichen geografischen Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer überstiegen. Schon im gewöhnlichen Sprachgebrauch entspreche der „Grundtarif“ den Kosten für einen gewöhnlichen Anruf. Dürften höhere Tarife berechnet werden als der Tarif für einen gewöhnlichen Anruf, könnten die Verbraucher davon abgehalten werden, den telefonischen Kundendienst zu nutzen und ihre Rechte geltend zu machen.
Soweit die Kosten nicht diejenigen für einen gewöhnlichen Anruf überstiegen, sei es im Übrigen unerheblich, ob der Unternehmer mit der Service-Rufnummer Gewinne erziele. Im Gegenzug sei eine Service-Rufnummer auch nicht bereits aus dem Grund zulässig, dass sämtliche Kosten beim Provider verblieben und der Anbieter überhaupt keinen Gewinn erziele. Wie die Verteilung der für den Verbraucher anfallenden Gebühren zwischen Provider und Unternehmer erfolge, sei nicht entscheidend.
Nach der Ansicht des Gerichts entstehen bei einem Anruf nach dem Grundtarif Kosten in Höhe eines „gewöhnlichen“ Anrufs. Es scheint hier von dem Bestehen eines „einheitlichen“ Grundtarifs auszugehen. Tatsächlich haben aber heute die meisten Verbraucher Flatrate-Tarife, bei denen sie eine monatliche Grundgebühr zahlen und sämtliche Anrufe in bestimmte Netze inklusive sind. Anrufe in nicht inkludierte Netze können dafür je nach Tarif besonders teuer sein. Damit existiert der vom EuGH angeführte „einheitliche“ Grundtarif überhaupt nicht, sodass dessen Höhe nur schwer als Obergrenze herangezogen werden kann. Man wird höchstens auf einen gängigen Standard-Festnetz-Tarif abstellen können. Hier können aber gerade für Anrufe in das Mobilfunknetz hohe Gebühren anfallen, was dem Verbraucherschutz letztlich zuwiderlaufen dürfte. Auch werden bei den Standard-Festnetz-Tarifen die Gebühren teilweise je nach Tageszeit und Wochentag bzw. Wochenende unterschiedlich hoch bemessen. Dies dürfte bei der Bestimmung der „gewöhnlichen“ Kosten ebenfalls Schwierigkeiten bereiten. Zudem wird der gängigste Tarif, den z. B. Telekom-Kunden noch nutzen dort gar nicht mehr angeboten.
Das Urteil bringt keine völlige Rechtssicherheit. Mangels Existenz eines „einheitlichen“ Grundtarifs lässt sich nicht so leicht bestimmen, welche Kosten nun genau bei einem Kundenservice-Anruf entstehen dürfen. Eine Orientierung an deutschen Standard-Tarifen (z. B. der Deutschen Telekom AG) dürfte sich hier am ehesten anbieten.
Zulässig ist es jedenfalls weiterhin, den Kundenservice unter einer örtlichen Festnetznummer oder natürlich auch unter einer kostenlosen Telefonnummer anzubieten.
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