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Händlerhaftung für Fehler auf Verkaufsplattformen

12.08.2016  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Können Händler haften, wenn eine Verkaufsplattform falsche Angebotsangaben macht? Ja, sagt der Bundesgerichtshof in gleich zwei aktuellen Urteilen zur Internetplattform bei Amazon. Rechtsanwalt Rolf Becker von WIENKE & BECKER – KÖLN erläutert die Konsequenzen bei Abmahnung und Vertragsstrafen.

Der BGH hatte es in seinen beiden Urteilen (Urt. v. 03.03.2016, Az. I ZR 110/15 und I ZR 140/14) mit falschen Angebotsangaben bei Amazon zu tun. Amazon stellt letztlich nur eine Angebotsbeschreibung für einen Artikel zur Verfügung, damit Kunden nicht verwirrt werden und die Angebote sich vergleichen lassen. Diese Beschreibung wird aus Daten generiert, die die Händler zur Verfügung stellen. Amazon nutzt meist das Angebot des ersten Händlers, der dann auch Änderungen vornehmen kann. Nach den Feststellungen im BGH-Urteil hatte in dem ersten Fall Amazon zu einem Angebot einer Armbanduhr eine unverbindliche Preisempfehlung mit angegeben:

Angebot Amazon

Der BGH stellte fest, dass man auch nach Abschaffung der Spezialregelung zu §§ 22, 23 GWB noch mit unverbindlichen Preisempfehlungen werben darf, wenn sie denn noch aktuell bzw. gültig sind. Das war bei der Uhr nicht der Fall. Die Uhr war zwar noch lieferbar, wurde aber in den Fachhandelspreislisten nicht mehr angeboten. Da half auch die Bestätigung des Herstellers, die UVP sei noch gültig, nicht.

Händler übernimmt Gewähr für richtige Angaben

Interessanter waren die Ausführungen der Richter zur Haftung.

Mit der Nutzung der Plattform lässt der Händler im eigenen Namen ein Angebot veröffentlichen, obwohl er dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht, weil dem Plattformbetreiber die Angabe und Änderung der unverbindlichen Preisempfehlung vorbehalten ist. ... Bei wertender Betrachtung liegt es aber keinesfalls außerhalb der Lebenserfahrung, dass es zur Einstellung falscher Herstellerpreisempfehlungen kommt, so dass ein entsprechender Fehler des Plattform­betreibers nicht als völlig ungewöhnliche und unsachgemäße Handlungsweise angesehen werden kann, die die Adäquanz entfallen ließe. Dass der Plattformbetreiber selbst fehlerhafte Angaben für möglich hält, folgt nicht zuletzt daraus, dass er den Händlern ... im Wege Allgemeiner Geschäfts­bedingungen die Pflicht auferlegt, die für sein Angebot angezeigten Produktinformationen und deren Rechtmäßigkeit regelmäßig zu kontrollieren.

Die Zurechnung der Haftung bei Auftreten falscher Angaben sei daher angemessen und die Kehrseite der einfachen Angebotsmöglichkeiten.

Die Beklagte hat, indem sie dem Plattformbetreiber die Möglichkeit der Einflussnahme auf das Erscheinungsbild ihres Angebots eingeräumt hat, ohne sich ein vertragliches Entscheidungs- oder Kontrollrecht vorzubehalten, die Gewähr für die Richtigkeit der vom Plattformbetreiber vorgenom­menen Angaben übernommen. <&p>

Händler trifft Überprüfungs- und Überwachungspflicht

Im zweiten Fall (BGH, Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 140/14) bot ein Händler auf Amazon eine "Finger Maus" für "PC Notebook" an. Dieses Angebot konnte im November 2011 mit Angabe einer geschützten Marke in der Überschrift aufgerufen werden. Das Gerät stammte aber nicht vom Markeninhaber.

Der BGH beschreibt die Vorgänge, die zur Angabe der Marke führen konnten wie folgt:

Um eine Ware über Amazon-Marketplace anzubieten, gibt der erste Anbieter eines Produkts seine Produktinformationen (etwa Produktnamen, Hersteller, Marke) in eine von Amazon bereitgestellte Maske ein, die dann als digitale Katalogseite für Kaufinteressenten mit einem Foto des Produkts abrufbar ist. Stellen danach andere Händler das gleiche Produkt bei Amazon-Marketplace zum Verkauf ein, werden sie regelmäßig auf der bereits erstellten Katalogseite des ersten Anbieters gelistet, auf der dann die Gesamtzahl der Angebote für das Produkt – aufgeteilt in neu und gebraucht – genannt wird. Die anderen Verkäufer können die bei Amazon eingegebene Produkt­beschreibung ohne Zustimmung oder Einflussmöglichkeit des ursprünglichen Erstellers nachträglich uneingeschränkt ändern.

Nach den Feststellungen des BGH haftete der Händler, der sich an dieses Angebot angehängt hatte, zumindest als sog. Störer, da er Prüfpflichten verletzt habe.

Händler, die auf der Internet-Verkaufsplattform Amazon-Marketplace Produkte zum Verkauf anbieten, trifft eine Überwachungs- und Prüfungspflicht auf mögliche Veränderungen der Produktbeschreibungen ihrer Angebote, die selbständig von Dritten vorgenommen werden, wenn der Plattformbetreiber derartige Angebotsänderungen zulässt.

Fazit

Damit werden Angebote auf Amazon für Händler mehr als gefährlich. Wer Unterlassungserklärungen abgibt, läuft Gefahr, hohe Vertragsstrafen zu zahlen, wenn das nächste Angebot wieder die angegriffene Information enthält. Ob selbst eine tägliche Prüfung ausreichen würde, ist zweifelhaft. Sie wäre bei mehreren 100 oder 1000 Angeboten nicht leistbar. Das eröffnet gar ein Spiel, bei dem Abmahner mit Dritten zusammenwirken könnten. Zurzeit werden auch gerne fehlende Angaben zu Garantien abgemahnt, wenn etwa im Angebotstext Hinweise auftauchen, wie „2 Jahre Garantie“. Es wird Zeit, dass auch Amazon in Haftung genommen wird. Nach Kenntnis des Autors geschieht dies auch in wenigen Fällen. Es bleibt abzuwarten, ob sich etwas ändert.


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