18.02.2013 — Christine Bortenlänger. Quelle: Deutsches Aktieninstitut e.V..
Im Finanzbereich hat es definitiv gravierende Fehlentwicklungen gegeben. Das streitet niemand mehr ab. Natürlich ist es richtig und notwendig, den ordnungspolitischen Rahmen soweit zu überarbeiten, dass die Finanzmärkte und ihre Akteure krisensicherer werden. Dabei darf aber das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Ein undifferenzierter Blick auf die Kapitalmärkte mündet leider allzu oft in Regulierungen, die keinen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems leisten. Ganz im Gegenteil treffen Überregulierungen alle den Kapitalmarkt nutzenden Unternehmen gleichermaßen negativ.
Aus dem bunten Regulierungsstrauß möchte ich ein Vorhaben herausgreifen, das viel Anschauungsmaterial für die zahlreichen Missverständnisse bietet, die derzeit die politische Diskussion um die Kapitalmarktregulierung prägen und falsche Hoffnungen schüren: die Finanztransaktionssteuer. Dabei möchte ich mich mit den drei gängigsten Fehleinschätzungen hinsichtlich der Finanztransaktionssteuer auseinandersetzen.
Ende Januar haben sich elf der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister im Rahmen einer verstärken Zusammenarbeit auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in ihren Ländern geeinigt. Sie sehen sich dabei als Vorreiter, die beweisen wollen, dass die mit der Finanztransaktionssteuer angestrebten Ziele erreicht werden können. Leider gibt es keine Hinweise, wie die anderen EU-Länder, wenigstens später, zu einer Mitarbeit in dieser Sache bewegt werden sollen. Dabei ist es doch gerade die begrenzte Einführung in nur einigen Ländern der EU, die dazu führen wird, dass die zu befürchtenden Wettbewerbsverzerrungen eintreten werden. Mobile Marktteilnehmer werden der drohenden Besteuerung ausweichen, indem sie ihre Transaktionen in den EU-Staaten ohne Finanztransaktionssteuer abwickeln. Schweden, das Ende der 1980er Jahre eine entsprechende Steuer erhob, die zu einem drastischen Rückgang der Börsengeschäfte und auch zu Kapitalflucht führte, sei mahnendes Beispiel genug. Der Finanzplatz Deutschland wird nach Einführung der geplanten Finanztransaktionssteuer an Bedeutung verlieren.
Angesichts der milliardenschweren europäischen Rettungspakete u.a. für Banken klingt diese These zunächst bestechend. Allerdings ist äußerst zweifelhaft, ob der Finanzsektor die Steuer letztlich auch trägt. Voraussichtlich werden die Banken sie, wie andere Umsatzsteuern auch, an die Endnutzer, also realwirtschaftliche Unternehmen und Privatanleger, durchreichen, so dass diese und nicht die Finanzinstitute die Steuerlast zu tragen haben.
Ein hehres Ziel – gilt doch die Spekulation mit Derivaten als ein Auslöser der Finanzmarktkrise. Es ist allerdings falsch, von Fehlentwicklungen bei einer bestimmten Produktklasse auf die Gesamtheit aller Derivate zu schließen. Derivate werden von vielen deutschen Unternehmen bis in den Mittelstand hinein zur Absicherung von Risiken, z.B. aus Wechselkursschwankungen, eingesetzt, die sich typischerweise im Handel mit Geschäftspartnern außerhalb des Euroraums ergeben. Mit Einführung der Finanztransaktionssteuer würden die Preise der Produkte im Schnitt auf das Drei- bis Siebenfache der aktuellen Preise steigen, was zu einer Beeinträchtigung des Exportgeschäfts vieler deutscher Unternehmen zulasten von Wachstum und Beschäftigung führen würde. Eine Finanztransaktionssteuer, die ohne zu unterscheiden alle Derivate belastet, eignet sich also nicht, um potenzielle Defizite auf dem Derivatemarkt treffsicher zu beseitigen. Es bedarf ihrer übrigens auch nicht, da es seit August 2012 bereits die auf diese Probleme zugeschnittene Derivateverordnung gibt.
Das Beispiel der Finanztransaktionssteuer zeigt zweierlei deutlich. Die Zusammenhänge sind auf den Kapitalmärkten komplex. Eingriffe in die Kapitalmärkte haben immer auch gravierende Wechsel- und Nebenwirkungen auf die Realwirtschaft. Diese müssen gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit dargelegt und erläutert werden, um negative Auswirkungen zu verhindern. Es ist Aufgabe der Finanzmarktakteure, diese Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen und in einer verständlichen Sprache gegenüber der Politik zu kommunizieren, damit die Folgewirkungen von Finanzmarktregeln nicht zu spät oder gar nicht erkannt werden. Diese Bringschuld kann nur glaubwürdig erbringen, wer selbst glaubwürdig ist. Glaubwürdigkeit basiert auf Neutralität und Expertise. Beides vereint das Deutsche Aktieninstitut, das sich deshalb auch weiterhin als Mittler zwischen den Welten für eine vernünftige Kapitalmarktgesetzgebung, sei es in Deutschland oder Europa, einsetzen wird.
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