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Betriebliches Gesundheitsmanagement – „Nice to Have“ or „Must Have“?

02.02.2010  — Tobias Neufeld.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Taylor Wessing gibt Ihnen hier einen Überblick darüber, worum es beim betrieblichen Gesundheitsmanagement geht, welche Vorteile es hat und welche arbeitsrechtlichen Fragen zu beachten sind.

Was ist betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)?

BGM beschreibt den Teil des Personalmanagements, der die Gesundheit der Mitarbeiter als zentrales Element wahrnimmt und durch die Gestaltung betrieblicher Prozesse versucht, die Gesundheit und das leistungsspezifische Wohlbefinden der Mitarbeiter zu verbessern.


Ziele des BGM und Vorteile für den Arbeitgeber?

Das Ziel eines BGM ist die Steigerung der Produktivität durch eine verbesserte Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter, das Erreichen von Kosteneinsparungen durch die Verringerung krankheitsbedingter Fehlzeiten und die Verbesserung anderer HR-Kennzahlen, wie z. B. der Mitarbeiterfluktuation. Indirekt soll es dadurch aber auch zu einer Verbesserung der Kundenzufriedenheit und der Qualität der gefertigten Produkte oder angebotenen Dienstleistungen kommen. Durch die Stärkung des sog. Human- und Sozialkapitals wird im Ergebnis also eine Verbesserung des Unternehmensergebnisses erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert. Den Anfangsinvestitionen (Aufbau entsprechender Strukturen, internes BGM-Marketing, etc.) steht in aller Regel eine deutliche Kostenersparnis gegenüber. Der nachgewiesene „Return on Investment“ (ROI) einzelner BGM-Maßnahmen beträgt zwischen 1:2,5 und 1:4,85 (vgl. dazu sowie im Einzelnen den IGA-Report 3 abrufbar unter www.dnbgf.de).

BGM ist daher ein Instrument, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit geringen Investitionskosten, unwesentlicher Liquiditätsbelastung und ohne den Einsatz repressiver Mittel die Mitarbeitereffektivität zu erhöhen und die Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. BGM hilft zudem, die wirtschaftlichen Folgen des nicht mehr aufzuhaltenden demografischen Wandels abzuschwächen, damit mit dem erhöhten Anteil älterer Mitarbeiter nicht der statistische Zuwachs von krankheitsbedingten Fehltagen einhergeht. Nicht zuletzt kann BGM auch das Unternehmensimage und die Employer Brand nachhaltig verbessern. So zeichnet z. B. das „Europäische Netzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung“ regelmäßig Unternehmen mit einem besonders vorbildlichen Gesundheitsmanagement aus.


Welche Maßnahmen gibt es innerhalb des BGM?

BGM ist ein Oberbegriff, der u. a. die Bereiche des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) umfasst. Der Arbeitsschutz hat in Deutschland eine lange Tradition und ist stark gesetzlich reglementiert, insbesondere durch eine Vielzahl von zwingenden Verordnungen (z. B. Arbeitsstättenverordnung, Bildschirmarbeitsverordnung, etc.). Daneben legt die betriebliche Gesundheitsförderung ihr Hauptaugenmerk nicht auf die Unfallverhütung, sondern versucht darüber hinaus durch geeignete Maßnahmen die Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter zu verbessern. Darunter fallen etwa Suchtberatung- und Präventionsangebote, Stressbewältigungskurse, Veränderungen des Schichtsystems, Rückenschulen, aber auch Projekte zur Verbesserung des Kantinenessens. Diese Maßnahmen sind für den Arbeitgeber freiwillig, werden aber unter bestimmten Umständen staatlich bzw. durch die Krankenkassen gefördert.


Betriebliches Eingliederungsmanagement und stufenweise Wiedereingliederung als Teil des BGM?

Als Teile des betrieblichen Gesundheitsmanagements sind auch das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 85 Abs. 2 SGB IX und die stufenweise Wiedereingliederung gemäß § 74 SGB V zu verstehen, die in der Personalpraxis als Instrumente zur Wiedereingliederung langzeiterkrankter Mitarbeiter bekannt sind. Beide Verfahren verfolgen mit der Wiederherstellung der vollen Arbeitskraft des Arbeitnehmers und dem Erhalt seines Arbeitsplatzes dieselbe Zielrichtung. Für die Durchführung eines BEM gibt es auch handfeste prozessuale Gründe, da dessen Nichtvornahme vor einer krankheitsbedingten Kündigung zu einer Verschärfung der Beweislast im Kündigungsschutzprozess führt (vgl. BAG-Urteil vom 23.04.2008 – 2 AZR 1012/06, besprochen in unserem Newsletter 42/08).


Arbeitsrechtliche Umsetzung des BGM?

Ein BGM kann rechtssicher und effektiv nur im Wege der Vereinbarungslösung etabliert werden. In mitbestimmten Betrieben ist eine spezielle BGM-Betriebsvereinbarung sinnvoll und erforderlich, auch weil der Betriebsrat bei vielen Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements ein Mitbestimmungsrecht besitzt, z. B. nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. In der BGM-Betriebsvereinbarung sollten die Ziele, die Zuständigkeiten (z. B. die Bildung eines zentralen BGM-Ausschusses) und die zur Verfügung gestellten Ressourcen festgelegt werden. Zudem werden dort Instrumente wie Mitarbeiter-Matching, Umsetzung/Versetzung und Gefährdungsanalyse arbeitsrechtlich verankert.

Um die dauerhafte Umsetzung der BGM-Betriebsvereinbarung gewährleisten und evaluieren zu können, wird sich eine Verhaltenssteuerung – neben einem entsprechenden Coaching (insbesondere der Führungskräfte) – durch Anreizsysteme anbieten. Dazu eignen sich Zielvereinbarungen, etwa in Form einer speziellen Gesundheits-BSC (Balanced Scorecard).

Schließlich muss der Umgang mit den Gesundheitsdaten der Mitarbeiter in einem BGM-System datenschutzrechtlich abgesichert sein, insbesondere nach dem neuen § 32 Bundesdatenschutzgesetzt (BDSG). Zunächst ist es für ein funktionierendes BGM unerlässlich, Informationen über den Gesundheitszustand – z. B. aus Gesundheitsgesprächen – des betroffenen Mitarbeiters zu sammeln, zu verarbeiten und zu speichern. Andererseits ist es datenschutzrechtlich unzulässig, präventiv, zweckungebunden und vollumfänglich für jeden Mitarbeiter eine ausführliche Krankenakte mit dessen sensiblen Gesundheitsdaten zu führen. Daher kann nur die Empfehlung gegeben werden, ausschließlich und mit entsprechender Einwilligung solche Daten zu sammeln, die für das BGM unerlässlich sind und diese alsbald wieder zu löschen bzw. ordnungsgemäß zu vernichten. Auch hier zeigt sich die Stärke einer BGM-Betriebsvereinbarung, die nach dem reformierten BDSG ggf. sogar als ausdrückliche Erlaubnis zur Datenerhebung und -verarbeitung angesehen werden kann (vgl. § 4 BDSG, „andere Rechtsvorschrift“).


Fazit

Ein betriebliches Gesundheitsmanagement kann in Zeiten älter werdender Belegschaften und wachsendem wirtschaftlichen und damit persönlichen Drucks (belegt durch Präsentismus, d. h. dem Erscheinen am Arbeitsplatz trotz Arbeitsunfähigkeit) ein sinnvolles Werkzeug zur Erhaltung und Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sein. Hierbei geht es nicht um die Einführung von allgemeinen „Wellness-Maßnahmen“, sondern um handfeste, medizinisch fundierte Prävention und systematische Gesundheitshilfe und -förderung. Der Return on Investment (ROI) sollte vor dem Hintergrund hoher Entgeltfortzahlungs- und Kündigungskosten schnell erreicht sein. Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist daher keine vorübergehende Modeerscheinung, sondern ein „Must Have“ der modernen Unternehmensführung.
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