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Belegnachweis bei innergemeinschaftlicher Lieferung (Kommentar von Udo Cremer)

17.07.2012  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen kann die Umsatzsteuerfreiheit nur geltend gemacht werden, wenn der Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht wird. In der Praxis ergeben sich aber oft unerwartete Stolpersteine, wie ein Händler von Luxuslimousinen erfahren musste. Unser Autor Udo Cremer erläutert das zugehörige Urteil.

Anm. d. Red.: Die Beträge wurden vom Bundesfinanzhof aus Gründen des Steuergeheimnisses gestrichen.

Der Kläger handelt mit neuwertigen Luxuslimousinen (PKW) und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Spanien aus. Der Kläger veräußerte die PKW Mercedes-Benz ML 55 AMG zu ... DM netto (Rechnung vom 7.12.2001) und Mercedes-Benz 220 CDI zu ... EUR netto (Rechnung vom 7.1.2002) an die Firma L in M, Spanien. Die Verkäufe kamen auf Vermittlung von Z, der in Deutschland ansässig ist, zustande. Nach Angaben des Klägers holte die Firma ... mit Sitz in B (Spanien) am 7.12.2001 den PKW Mercedes-Benz ML 55 AMG im Auftrag der L bei dem Kläger ab. Im CMR-Frachtbrief wurde die Firma Z ... mit Sitz ... in F (Deutschland) als Lieferant und nicht als Abnehmer angegeben. Der PKW Mercedes-Benz C 220 CDI soll durch die Firma G mit Sitz in V (Spanien) am 9.1.2002 im Auftrag der L beim Kläger abgeholt worden sein. Der Abholer der PKW ist in beiden Fällen nicht identifiziert. Vollmachten für die Abholer liegen nicht vor. Die Zahlungen erfolgten per Scheck von einem Bankkonto in Deutschland. Nach Mitteilung der spanischen Behörden handelt es sich bei L um einen "Missing Trader".

Der Kläger veräußerte darüber hinaus den PKW Mercedes-Benz ML 270 CDI mit Rechnung vom 27.11.2002 zu ... EUR netto an die Firma R, Italien. Nach Angaben des Klägers fand der telefonische Kontakt mit S statt, die für R auftrat. Der Abholer des PKW, ein Fahrer der Spedition B GmbH, legte keine Vollmacht vor und versicherte auf der Empfangsbestätigung mit Unterschrift, dass der PKW nach Rom befördert werde, während im CMR-Frachtbrief angegeben wurde, dass der PKW nach Castelfranco Emilia in Italien verbracht werde. Mit Schreiben vom 10.11.2003 teilten italienische Ermittlungsbehörden mit, es handele sich bei der R um einen "Missing Trader" und eine Scheinfirma, deren Aufgabe lediglich darin bestanden habe, Rechnungen deutscher Lieferanten zu akzeptieren und in Italien Rechnungen an die richtigen Abnehmer der PKW zu stellen mit der Absicht, die entsprechende Umsatzsteuer in Italien nicht anzumelden und abzuführen. Die R wurde im Streitjahr 2002 durch den Geschäftsführer I vertreten. Der PKW wurde am 2.12.2002 beim Landratsamt M auf S zugelassen und am 3.12.2002 stillgelegt. Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 7.10.2005 ging das FA davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 AO die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 30.1.2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG gab der Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1549). Es stützte sein Urteil darauf, der Kläger sei jeweils seinen Nachweispflichten (§ 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV) nachgekommen. Er habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben seiner Abnehmer und der Frachtführer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Hinsichtlich des PKW Mercedes-Benz ML 55 AMG befänden sich bei den Akten das Doppel der Rechnung und ein CMR-Frachtbrief. Beide Belege wiesen den Namen und die Anschrift des Klägers als den liefernden Unternehmer, des Frachtführers und des (angeblichen) Abnehmers L aus. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e UStG erteilten Bestätigungen. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich innergemeinschaftlich verbracht worden. Der in der Rechnung des Klägers ausgewiesene Leistungsempfänger sei auch der wirkliche Vertragspartner des Klägers gewesen. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Bereits der Hinweis im Bericht der Steuerfahndung, L habe als "Missing Trader" gehandelt, setze voraus, dass L nach außen als Abnehmer aufgetreten sei. Soweit die Felder 2 und 22 im CMR-Frachtbrief Z als Absender auswiesen, liege lediglich ein Versehen des Frachtführers vor. Hinsichtlich der PKW Mercedes-Benz C 220 CDI und ML 270 CDI würden die Ausführungen entsprechend gelten. Der weitere vom Kläger vorgelegte CMR-Frachtbrief (Sammeltransportbescheinigung) hinsichtlich des PKW Mercedes-Benz ML 270 CDI weise darauf hin, dass insoweit nicht der Kläger eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt habe, sondern möglicherweise die in der Sammeltransportbescheinigung als Absenderin ausgewiesene S. Für die Lieferungen im Wege der Versendung mit CMR-Frachtbriefen liege der Belegnachweis vor.

Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Lieferanten an. Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil des FG missachte die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen sowie für die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG. Der Unternehmer trage nach § 6a Abs. 3 UStG die Beweislast für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung. Hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen an L sei die Abnehmeridentität nicht nachgewiesen. Darüber hinaus könnten die CMR-Frachtbriefe nicht als Versendungsnachweise anerkannt werden, weil sie der Absender nicht unterschrieben habe. Der CMR-Frachtbrief vom 7.12.2001 enthalte in den Feldern 1 und 22 ferner einen Stempelabdruck des Z. Auch in Bezug auf die innergemeinschaftliche Lieferung an R sei die Abnehmeridentität nicht nachgewiesen. Laut dem CMR-Frachtbrief vom 27.11.2002 sei S Absender. Im Rahmen von § 6a Abs. 1 und 3 UStG und §§ 17a ff. UStDV sei die Gutgläubigkeit unerheblich.

Die Revision des FA ist begründet (BFH Urteil vom 14.12.2011, XI R 18/10). Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind, der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt". Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber. Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann. Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer. Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt.

Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen.

Hinsichtlich der Versendungen mit CMR-Frachtbriefen hat das FG zwar zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten. Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508, Rz 36; ebenso Abschn. 6a.4. Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf den Versendungsbeleg verzichtet.

So enthält der vom FG in Bezug genommene CMR-Frachtbrief hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes-Benz C 220 CDI ("Automappe B") entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag (Feld 21). Darüber hinaus bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, da der Ausstellungsort (Feld 21) nicht angegeben wird. Ferner ist die Originalrechnung, die das Datum 7.1.2002 trägt, zur Bescheinigung des Empfangs mit einem Stempelaufdruck der L (M) nebst Unterschrift versehen, obwohl die Übergabe an den beauftragten Frachtführer nach den Angaben im CMR-Frachtbrief am 9.1.2002 in F in Deutschland stattfand. Zudem ergeben sich begründete Zweifel daraus, dass der Verrechnungsscheck in F ausgestellt worden ist, während der Abnehmer nach den Angaben im CMR-Frachtbrief in M ansässig sein soll. Der vom FG in Bezug genommene CMR-Frachtbrief hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes-Benz ML 55 AMG ("Automappe A") enthält entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStDV widersprüchliche Angaben zu Name und Anschrift des Unternehmers. Der vom FG in Bezug genommene CMR-Frachtbrief vom 27.11.2002 hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes-Benz ML 270 CDI ("Automappe 1") steht möglicherweise im Widerspruch zu einem weiteren CMR-Frachtbrief (Sammeltransportbescheinigung) des Frachtführers mit Ausstellungsdatum 27.11.2002 (Anlage K 4). Dieser benennt als Lieferanten hinsichtlich dreier Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz ML 270 CDI S in P. Es fehlen Feststellungen, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Darüber hinaus enthält der CMR-Frachtbrief bei Abgleich mit der Rechnung vom 27.11.2002 widersprüchliche Angaben über den Auslieferungsort (einerseits "I-... Roma" und andererseits "Castel Franco Emilia", eine Gemeinde in der Provinz Modena in der Region Emilia Romagna).

Soweit das FG im zweiten Rechtsgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, die Beleg- und Buchangaben aber inhaltlich unzutreffend sind und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist, kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte.

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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