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Bei Ablehnung einer Bewerbung besteht weiterhin keine Auskunftspflicht des Unternehmens

26.04.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Europäischer Gerichtshof.

Die Rechtsvorschriften der Union sehen für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vor, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.

Das Unionsrecht1 verbietet jede Diskriminierung wegen des Geschlechts, des Alters und der ethnischen Herkunft, u. a. im Rahmen eines Einstellungsverfahrens. Wenn Personen sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten, müssen sie bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen. Es obliegt sodann der Gegenseite zu beweisen, dass keine Verletzung dieses Grundsatzes vorgelegen hat. Die Mitgliedstaaten müssen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Anwendung dieses Grundsatzes zu gewährleisten.

Frau Meister, die 1961 geboren wurde, ist russischer Herkunft. Sie ist Inhaberin eines russischen Diploms als Systemtechnik-Ingenieurin, dessen Gleichwertigkeit mit einem von einer Fachhochschule erteilten deutschen Diplom in Deutschland anerkannt wurde.

Speech Design veröffentlichte nacheinander zwei sich inhaltlich entsprechende Stellenanzeigen für „eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/-in“. Frau Meister bewarb sich auf diese beiden Anzeigen. Ihre Bewerbungen wurden abgelehnt, ohne dass sie zu einem Gespräch eingeladen wurde und ohne dass Gründe für die Ablehnung angegeben wurden. Frau Meister war der Ansicht, dass sie die Anforderungen für die Stelle erfülle und wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft ungünstiger behandelt worden sei als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Sie erhob daher Klage vor den deutschen Gerichten und beantragte, Speech Design zur Zahlung von Schadensersatz wegen Diskriminierung bei der Beschäftigung und zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers zu verurteilen, um ihr den Nachweis zu ermöglichen, dass sie besser qualifiziert sei als Letzterer.

Das mit dem Rechtsstreit befasste Bundesarbeitsgericht fragt den Gerichtshof, ob das Unionsrecht für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, dessen Bewerbung aber nicht berücksichtigt wurde, die Möglichkeit der Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber einen anderen Bewerber eingestellt hat, und, wenn ja, aufgrund welcher Kriterien. Darüber hinaus möchte es wissen, ob der Umstand, dass der Arbeitgeber die geforderte Auskunft nicht erteilt, eine Tatsache ist, die das Vorliegen der vom Arbeitnehmer behaupteten Diskriminierung vermuten lässt.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass es der Person obliegt, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, Tatsachen glaubhaft zu machen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen. Nur wenn sie solche Tatsachen glaubhaft gemacht hat, hat der Beklagte nachzuweisen, dass keine Verletzung des Diskriminierungsverbots vorliegt2. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, obliegt es insbesondere dem einzelstaatlichen Gericht, die Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten zu bewerten.

Der Gerichtshof bestätigt sodann seine Rechtsprechung3, wonach das Unionsrecht für eine Person, die sich für diskriminiert hält, keine spezifische Möglichkeit der Einsichtnahme in Informationen vorsieht, um sie in die Lage zu versetzen, die Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, glaubhaft zu machen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verweigerung von Informationen durch den Beklagten im Rahmen des Nachweises solcher Tatsachen die Verwirklichung des verfolgten Ziels beeinträchtigen und insbesondere dem Unionsrecht seine praktische Wirksamkeit nehmen kann.

Der Gerichtshof hält diese Rechtsprechung für auf den vorliegenden Fall übertragbar, da der Unionsgesetzgeber trotz der Entwicklungen der Rechtsvorschriften die Beweislastregelung nicht ändern wollte. Daher hat das deutsche Gericht darüber zu wachen, dass die Auskunftsverweigerung durch Speech Design nicht die Verwirklichung der mit dem Unionsrecht verfolgten Ziele zu beeinträchtigen droht. Es hat insbesondere bei der Klärung der Frage, ob genügend Indizien vorhanden sind, um die Tatsachen, die das Vorliegen einer solchen Diskriminierung vermuten lassen, als nachgewiesen ansehen zu können, alle Umstände des Rechtsstreits zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass nationale Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten vorsehen können, dass eine Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.

Zu den Gesichtspunkten, die in Betracht gezogen werden können, gehört insbesondere der Umstand, dass Speech Design Frau Meister jeden Zugang zu den Informationen verweigert zu haben scheint, deren Übermittlung sie begehrt. Darüber hinaus können auch die Tatsache herangezogen werden, dass der Arbeitgeber nicht bestreitet, dass die Qualifikation von Frau Meister den Anforderungen in der Stellenanzeige entspricht, sowie der Umstand, dass Speech Design sie gleichwohl nach Veröffentlichung der beiden Stellenausschreibungen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat.

Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht dahin gehend auszulegen ist, dass es für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsieht, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.

Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies dort der Fall ist.

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