Geplante Zahlungsverzugsverordnung stößt auf Kritik

06.08.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Atradius.

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr stößt auf einige Kritik. Darauf weist auch eine aktuelle Kundenumfrage des internationalen Kreditversicherers Atradius hin.

Nur 38 % der befragten Firmen glauben, dass sie die geplante Verordnung in ihrer Branche umsetzen können. Dass sie sie teilweise umsetzen können, denken 45 % und 17 % schätzen, dies in ihrem Geschäftsbereich nicht zu können. „Die Idee der Verordnung, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen vor verspäteten Zahlungen zu schützen, ist grundsätzlich gut. So wie die Verordnung bislang ausformuliert ist, sind als Folge aber auch zunehmende Liquiditätsprobleme und Insolvenzen bei KMU zu befürchten“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland der Atradius Kreditversicherung. Befragt wurden mehr als 500 Unternehmen aus 15 Branchen.

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll die Zahlungsfrist im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (B2B) und zwischen Behörden und Unternehmen (G2B) grundsätzlich 30 Tage betragen. Im B2B-Bereich kann eine Verlängerung auf bis zu 60 Tage vertraglich vereinbart werden. Für Waren, die länger als 60 Tage im Handel bleiben, und Saisonartikel sollen Zahlungsfristen bis zu 120 Tage möglich sein. Für den G2B-Bereich sind laut Vorschlag vertragliche Fristverlängerungen nicht zugelassen, Behörden müssten Rechnungen binnen 30 Tagen begleichen.

Zahlreiche Kritikpunkte am Verordnungsentwurf

Nach einer Analyse von Atradius liegt das durchschnittliche Zahlungsziel in Osteuropa bei 40 Tagen. Auch in Westeuropa werden die Zahlungsfristen immer länger. Aktuell betragen sie durchschnittlich 52 Tage. Bei deutschen Lieferanten waren laut aktuellem Atradius-Zahlungsmoralbarometer zuletzt 57 % der Rechnungen am Fälligkeitstag unbezahlt.

Dennoch bestehen derzeit zahlreiche Kritikpunkte am Vorschlag der EU-Kommission. Einwände kommen nicht nur von mehreren Verbändern, sondern auch von vielen Unternehmen selbst, die unmittelbar von der EU-Verordnung betroffen wären. „Angesichts der europaweit frei verhandelbaren Verträge und Zahlungsziele zwischen allen Beteiligten muss das Europäische Parlament in seinen weiteren Beratungen eine gesunde Mischung finden, damit die Verordnung auch alltagstauglich wird und nicht zu einer weiteren Belastung für die deutsche Wirtschaft wird“, sagt Frank Liebold. Bemängelt wird zudem, dass länder- und branchenspezifische Besonderheiten außer Acht gelassen werden und die VO dadurch genau das verursacht, was sie eigentlich vermeiden möchte: Liquiditätsprobleme bei Unternehmen. Weiterhin seien bei einer Umsetzung der VO Neuverhandlungen von Zahlungsbedingungen erforderlich. Das hätte zur Folge, dass europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb von nicht-europäischen Konkurrenten verdrängt werden könnten, da diese längere und flexiblere Zahlungsziele bieten können. Auch ist ein 30-Tage- und sogar ein 60-Tage-Zahlungsziel in manchen Branchen gar nicht umsetzbar. Im Baubereich etwa, wo im westeuropäischen Durchschnitt die Forderungslaufzeit bei 68 Tagen liegt, sei die Umsetzung aufgrund der notwendigen umfangreichen Prüfungen nicht möglich.

Ein großes Problem ist zudem, dass der Lieferantenkredit als wichtigstes Finanzierungsinstrument für Unternehmen massiv eingeschränkt wird. Viele Unternehmen finanzieren sich zu einem erheblichen Teil über den Lieferantenkredit. Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation, in der Banken zurückhaltender in ihrer Kreditvergabe werden, können Unternehmen diese fehlende Finanzierung vermutlich nicht auffangen und können daher in eine wirtschaftliche Schieflage geraten.
Frank Liebold

56,7 % der befragen Unternehmen rechnen mit einer Verringerung der Zahlungsverzögerungen durch die geplante Verordnung. 51,3 % erwarten eine Verbesserung der Liquidität, 11,7 % rechnen mit einer Verschlechterung der Liquidität. „Die geplante Verordnung sollte eine Verbesserung insbesondere für mittelständische Unternehmen sein und keine versteckten Nachteile beinhalten“, betont Frank Liebold.

Für die im Mai dieses Jahres durchgeführte Umfrage wurden Unternehmen unter anderem aus den Branchen Automotive, Bau und Baumaterial, Chemie, Dienstleistungen, Elektronik, Finanzen, IT/Software, Konsumgüter, Landwirtschaft, Lebensmittel, Maschinenbau, Metall, Papier, Textil sowie Transport befragt. Der Umsatz der Unternehmen liegt zwischen weniger als fünf Millionen und mehr als einer Milliarde Euro. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei den befragten Unternehmen zwischen unter 100 und mehr als 1.500.

Bild: olia danilevich (Pexels, Pexels Lizenz)

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