„Es genügt, ein Mensch zu heißen“ – Jüdische Kultur und gesellschaftliche Vielfalt

26.09.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Informationsdienst Wissenschaft.

In einer Zeit, in der gesellschaftliche Polarisierungen zunehmen und das Verlangen nach einem offenen Austausch wächst, lädt die Herzog August Bibliothek (HAB) vom 9. bis 17. November 2024 zu einer besonderen Veranstaltungsreihe ein.

Unter dem Leitgedanken „Es genügt, ein Mensch zu heißen“ stellen namhafte Autor*innen und Künstler*innen in Lesungen und Konzerten ihre vielfältigen Perspektiven vor. Der Titel der Veranstaltungsreihe entstammt dem Werk „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing, der von 1770 bis zu seinem Tod im Jahr 1781 Bibliothekar der Wolfenbütteler Bibliothek war. Lessing sprach in „Nathan der Weise“ von einem Ideal des Menschseins als verbindendes Element, das über die engen Grenzen von Nation, Religion und Ethnie hinausweist:

Kommt, wir müssen, müssen Freunde sein! – Verachtet mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide uns unser Volk nicht auserlesen. Sind wir unser Volk? Was heißt denn Volk [… ] Ah! Wenn ich einen mehr in Euch gefunden hätte, dem es genügt, ein Mensch zu heißen!
Nathan der Weise. 1779. Aufzug 2, Auftritt 5

Die Reihe beginnt am 9. November 2024 im Anschluss an die Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen im Jahr 1938, die jährlich vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und der Stadt Wolfenbüttel organisiert wird.

9. November 2024, 18:30 Uhr: Dana von Suffrin und Dmitrij Kapitelman
Lesung und Gespräch
Den Auftakt machen Dana von Suffrin und Dmitrij Kapitelman mit „Wir schon wieder. 16 jüdische Erzählungen“. Dass es heute in Deutschland wieder eine jüdische Literatur gibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Herausgeberin Dana von Suffrin konnte zahlreiche prominente Stimmen für das Projekt gewinnen, sodass in diesem Band 16 Schriftsteller*innen in Prosastücken, Erzählungen und Essays über das schreiben, was sie aktuell bewegt.

10. November 2024, 18:00 Uhr: Derviş Hızarcı
Lesung und Gespräch
Derviş Hızarcı, Vorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, beleuchtet die Herausforderungen von Deutschland als Migrationsgesellschaft in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen. Der Autor erzählt in seinem neuen Buch „Zwischen Hass und Haltung“ von einer besonderen Bildungsreise. Sie beginnt in Berlin zu einer Zeit, in der jemand wie Derviş Hızarcı schmerzend selbstverständlich nicht dazu gehört. Und sie führt ihn schließlich in die Verantwortung, die Bedingungen für ein gelingendes, vielfältiges Zusammensein jeden Tag neu zu formulieren.

12. November und 13. November: Dagesh on Tour
Workshop
Der Workshop „Dagesh on Tour“ bietet in den Räumen der HAB künstlerische Zugänge zu verschiedenen Dimensionen des pluralen jüdischen Lebens in Deutschland. Für die Ausrichtung des Workshops hat sich die HAB mit der Stabsstelle Integration und Gesellschaft des Bildungszentrums Wolfenbüttel zusammengeschlossen. Das Programm richtet sich explizit an Kinder und Jugendliche mit eingeschränkten Bildungschancen und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

13. November 2024, 19:00 Uhr: Antonia Reck
Lesung und Gespräch
Antonia Reck bringt mit ihrer Lesung ein ganz anderes Thema auf den Tisch. Die jüdische Küche ist ebenso alt wie vielfältig, weitverzweigt wie mehrdeutig. Vor der Shoah war sie über fast ganz Europa verbreitet. Der „Foodguide Jüdische Küche“ erkundet anhand von Rezepten und Interviews kulinarische Traditionen in Europa und deren Verflechtungen mit der jüdischen Kulturgeschichte.

15. November 2024, 19:00 Uhr: Kurt Tallert
Lesung mit Musik
In seinem Buch „Spur und Abweg“ stellt sich Kurt Tallert der Verfolgungsgeschichte seiner Familie im Nationalsozialismus. Der Autor, Produzent und Rapper führt uns vor Augen, dass Erinnern oder Vergessen nicht für alle Gegenstand einer Entscheidung ist.

16. November 2024, 19:00 Uhr: Mirna Funk
Lesung und Gespräch
Mirna Funk greift in ihrem Buch „Von Juden lernen“ acht zentrale Theorien der jüdischen Ideengeschichte auf und stellt sie in den Kontext der heutigen politischen und sozialen Debatten. Dazu gehören z. B. »lashon hara«, das Verbot der üblen Nachrede, oder »tikkun olam«, die Pflicht, die Welt zu verbessern. So eröffnet Funk eine neue Perspektive auf politische Debatten, Streitkultur und Persönlichkeitsentwicklung: lebensnah, philosophisch fundiert und einzigartig.

17. November 2024, 19:00 Uhr: Das Diplomatische Streichquartett und Magdalene Artelt
Konzert und Lesung
Den Abschluss der Reihe bildet am 17. November ein Konzert des Diplomatischen Streichquartetts (Berlin), dem auch Dr. Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, angehört. Das Quartett spielt Werke jüdischer Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy und Kurt Weill. Begleitet wird das Konzert durch eine Lesung der Schauspielerin Magdalene Artelt, die Auszüge aus Lessings „Nathan der Weise“ vorträgt und so das Leitmotiv der Reihe „Es genügt, ein Mensch zu heißen“ aufgreift.

Mit der Veranstaltungsreihe sollen Lessings Worte als Aufforderung verstanden werden, einander zuzuhören, miteinander zu sprechen und gemeinsam für Vielfalt und eine streitbare und wehrhafte Demokratie in einer offenen Gesellschaft einzutreten. Als international ausgerichtete Forschungsbibliothek sieht es die HAB nicht nur als ihre Aufgabe, ein historisches und kulturelles Erbe zu bewahren, sondern auch Räume für offenen Dialog und kritische Reflexion zu schaffen. Die Veranstaltungsreihe setzt einen besonderen Akzent auf jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland. Dies unterstreicht nicht nur deren historischen und gegenwärtigen Stellenwert, sondern ist auch eine Reaktion auf den erneut zunehmenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte dient dieser Fokus auch dazu, die Verantwortung zu betonen, die mit dem Gedenken an die Shoah und dem Einsatz für eine plurale und demokratische Gesellschaft verbunden ist.

Die Veranstaltungen finden im Zeughaus und im Lessinghaus statt, in dem der Dichter, Kritiker und Dramaturg auch sein Ideendrama „Nathan der Weise“ verfasste.

Eintritt: 7 Euro Reservierungen nehmen wir per E-Mail an kulturprg@hab.de oder auch telefonisch unter 05331/808-203 entgegen. Eintritt nur nach Voranmeldung.

Weitere Informationen:

https://www.hab.de/es-genuegt-ein-mensch-zu-heissen/ Veranstaltungsreihe "Es genügt, ein Mensch zu heißen"

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