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Neues zum betrieblichen Eingliederungsmanagement

17.03.2010  — Daniel Hautumm.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In zwei Entscheidungen aus den Jahren 2007 und 2008 hatte das Bundesarbeitsgericht die Bedeutung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen geklärt.

Einleitung

Wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig fehlt, ist der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Durchführung eines sogenannten BEM anzubieten. Stimmt der Arbeitnehmer dem Verfahren zu, so klären Arbeitgeber sowie der erkrankte Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Betriebsrat (gegebenenfalls unter Beteiligung eines Betriebsarztes sowie einer Schwerbehindertenvertretung), wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst schnell überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit am besten vorgebeugt werden kann.

Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer krankheitsbedingt, ohne zuvor ein solches BEM durchgeführt zu haben, so kann dies nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 2 AZR 716/06 sowie Az.: 2 AZR 1012/06) in einem anschließenden Kündigungsschutzverfahren zu einer Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Arbeitgebers führen. Der Arbeitgeber muss dann im Prozess darlegen und beweisen, dass sämtliche denkbaren Maßnahmen, die zu einer leidensgerechten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen könnten, in dem entsprechenden Fall nicht zum Erfolg geführt hätten. Wurde hingegen ein BEM durchgeführt, und führte dies zu der Erkenntnis, dass es keine Möglichkeiten zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit gibt, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast, wenn er im Prozess auf diesen Umstand hinweist und behauptet, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten.


Sachverhalt

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall wies die Arbeitnehmerin seit 2003 über einen Zeitraum von 4 Jahren erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten (zwischen 33 und 96 Arbeitstagen pro Jahr) auf. In einem ersten „Rückkehrergespräch“ Anfang des Jahres 2004 empfahl die Betriebsärztin eine Reduzierung der Arbeitszeit oder eine Versetzung der Arbeitnehmerin. Beide Alternativen lehnte die Arbeitnehmerin seinerzeit ab. Anfang 2006 empfahl die erneut eingeschaltete Betriebsärztin die Einleitung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Auch dies lehnte die Arbeitnehmerin ab, da sie dann ihre Kinder nicht mehr betreuen könne.

Nach einem weiteren Gespräch kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin wegen erheblicher Fehlzeiten. Die hiergegen gerichtete Klage wurde seitens des Arbeitsgerichts abgewiesen. Auch in der zweiten Instanz unterlag die Arbeitnehmerin. Das Landesarbeitsgericht hat sich der Sichtweise des Arbeitgebers angeschlossen. Demnach seien die mit der Arbeitnehmerin geführten Gespräche im Hinblick auf die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes BEM ausreichend gewesen. Es sei Sache der Arbeitnehmerin, die vom betriebsärztlichen Dienst empfohlene stationäre Rehabilitationsmaßnahme rechtzeitig einzuleiten.


Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat hingegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. In seiner Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Durchführung eines BEM der Einwilligung des Arbeitnehmers bedürfe, also bei einer Weigerung seitens des Arbeitnehmers ein BEM nicht durchgeführt werden müsse. Im vorliegenden Fall könne jedoch die spontane Ablehnung der Arbeitnehmerin gegenüber der Betriebsärztin mit dem Hinweis, sie müsse ihre Kinder betreuen, nicht als Weigerung zur Durchführung eines BEM verstanden werden kann. Vielmehr hätte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin zur Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme mit dem deutlichen Hinweis – gegebenenfalls unter Setzung einer Frist – auffordern müssen, dass im Weigerungsfall die Kündigung erfolgen könne. Nur dann bräuchte der Arbeitgeber – im Falle der Weigerung des Arbeitnehmers – die Durchführung eines BEM nicht mehr als milderes Mittel vor Ausspruch einer Kündigung zu berücksichtigen.


Praxishinweise

In Anbetracht der neueren Rechtsprechung zum BEM empfiehlt es sich vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung zu prüfen, ob ein BEM durchzuführen ist. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung eines BEM, so muss er gegebenenfalls in einem folgenden Prozess im Ergebnis weitaus mehr Aufwand betreiben, als im Rahmen eines BEM erforderlich gewesen wäre. Verweigert ein Arbeitnehmer seine Zustimmung zur Durchführung eines BEM, so sollte genau darauf geachtet werden, dass die Aufforderung zur Durchführung eines BEM seitens des Arbeitgebers unter Fristsetzung sowie mit dem Hinweis einer möglichen Kündigung erfolgt (sofern eine solche seitens des Arbeitgebers geplant ist). Zudem ist der Arbeitnehmer auf die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der hierzu erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Dies sollte präzise dokumentiert werden.
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