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Alles, was Recht ist! Rechtswidrige nationale Zulassungspraxis bei Bauprodukten

27.11.2014  — Ulf Prechtel, Karsten Prote.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

In unserer Reihe stellen wir Ihnen ausgewählte, für die Praxis bedeutsame Gesetze und Urteile vor - und ihre Auswirkungen. Heute: eine aktuelle Entscheidung des EuGH.

Alles, was Recht ist! (Teil 11)

Aktuelle Entscheidung des EuGH vom 16.10.2014 zur Verwendung von Bauprodukten

Bei Bauvorhaben stellen sich vermehrt Fragen zu bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen, bauaufsichtlichen Zulassungen sowie die Einzelfallprüfung von Bauprodukte oder Bauarten betreffende Regelungen. Dabei fällt auf, dass es kaum ein Rechtsgebiet gibt, bei dem die Praxis der letzten Jahrzehnte und die tatsächliche Rechtslage derart weit auseinander fallen. Das Bauprodukterecht und das System der technischen Normen befinden sich derzeit insgesamt in einem Reformprozess. Seit dem 31.07.2013 ist die neue europäische Bauprodukteverordnung in Kraft.

Die neue Bauprodukteverordnung bringt bereits wesentliche Änderungen mit sich, die sich elementar auf öffentlich-rechtliche, vertragsrechtliche und vergaberechtliche Fragestellungen auswirken. In der Beratungspraxis hat sich gezeigt, dass eine unzureichende Kenntnis der diesbezüglichen rechtlichen Grundlagen oft zu vermeidbaren Bauablaufstörungen führt und sowohl vertragsrechtliche als auch bauordnungsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Insbesondere ist festzustellen, dass die Bauaufsichtsämter ihren Focus verstärkt auf einen ordnungsgemäßen Nachweis der bauaufsichtlichen Zulassung der verwendeten Bauprodukte gerichtet haben. Können die Zulassungen für das spezifische Produkt in seiner konkreten Verwendung nicht vorgelegt werden, droht die Verweigerung der Inbetriebnahmeerlaubnis oder eine Nutzungsuntersagungsverfügung. Als Folge dessen stellt sich für den Bauherrn regelmäßig die Frage nach der vertragsrechtlichen Verantwortlichkeit und einer zivilrechtlichen Haftung der am Bau Beteiligten. Deswegen ist es von elementarer Bedeutung, die juristischen Zusammenhänge zu kennen und routiniert im Umgang mit den einschlägigen Normen zu sein.

Insbesondere das Verhältnis zwischen dem europäischen Bauproduktenrecht und dem nationalen Bauordnungsrecht ist äußerst komplex und stellt die Praxis auch im Bereich der zivilrechtlichen Vertragsgestaltung und der Haftung sowie des Vergaberechts vor vielfältige Probleme. Die bis vor kurzem andauernde Kontroverse zwischen der Europäischen Kommission und dem Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) scheint dabei durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs geklärt. So hielt das DIBt daran fest, eine bauaufsichtliche Zulassung nach nationalem Recht zu fordern, auch wenn eine Zulassung nach der europäischen Bauprodukteverordnung vorlag. Begründet wurde diese Zulassungspraxis damit, dass nach den europäischen Normen gewisse Aspekte nicht geprüft werden müssen, die nach den nationalen DIN-Normen Prüfgegenstand eines Zulassungsverfahrens sind. Das DIBt nahm hier eine Regelungslücke an, die durch eine zusätzliche nationale Zulassung geschlossen werden muss. Die Folge war, dass zu der bereits vorhandenen CE-Kennzeichnung ein Ü-Kennzeichen hinzutritt. Die EU-Kommission hielt dies - zu Recht - für eine EU-rechtswidrige Beschränkung des Binnenmarktes. Denn die Zulassung nach der europäischen Bauprodukteverordnung soll gewährleisten, dass die mit dem CE-Kennzeichne versehenen europaweit in Verkehr gebracht und verwendet werden können. Deswegen hat die EU-Kommission den deutschen Staat vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Der EuGH hat der EU-Kommission mit Urteil 16. Oktober 2014 grundsätzlich Recht gegeben.

Leider bringt die Entscheidung keine endgültige Klärung. Zum einen betrifft die Entscheidung formal nur drei konkrete Bauprodukte. Zum anderen ist sie zur Bauproduktenrichtlinie ergangen ist, die seit dem 01.07.2013 durch die EU-Bauproduktenverordnung (VO Nr. 305/2011/EU) ersetzt wurde. In der Bauproduktenverordnung den Begriff der „Brauchbarkeit“ weggefallen. Auch der Erklärungsgehalt der CE-Kennzeichnung ist ein anderer. Zudem sind die Verfahren, mit denen die Mitgliedstaaten gegen eine etwaig unzureichende Norm vorgehen können, geändert worden. Zudem ist damit umzugehen, dass in harmonisierten Normen selbst auf nationales Recht Bezug genommen wird, soweit die harmonisierten Normen Lücken aufweisen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Gefahrstoffe. Hier gilt es für die Vertrags- und Vergabepraxis pragmatische und rechtssichere Lösungen zu finden.

Auf nationaler Ebene existiert ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, dass ebenfalls die derzeitige Zulassungspraxis des DIBt für rechtwidrig erklärt. Die Entscheidung des OVG NRW (II. Instanz) zu dieser Thematik steht noch aus. Infolge des EuGH-Urteils wird aller Voraussicht auch das OLG die Zulassungspraxis des DIBt für rechtswidrig erklären.

 

Titelfoto: KOMUnews [Lizenz: CC BY]

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